Karlsfeld:Der Bedarf ist da

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Die Gemeinde Karlsfeld will einen Jugendsozialarbeiter für ihre beiden Grundschulen. Allerdings möchte die finanziell klamme Kommune die Kosten von 55 000 Euro jährlich nicht alleine tragen.

Von Gregor Schiegl

Petershausen war lange Zeit die einzige Gemeinde im Landkreis, die sich einen Jugendsozialarbeiter für ihre Grundschule leistete. Nach wiederholten Hilferufen der Dachauer Grundschulleiter zog Dachau nach. Der Stadtrat stellte eigene Mittel für Jugendsozialarbeiter an den Grundschulen bereit. Nun folgt auch die Gemeinde Karlsfeld und versucht, für ihre beiden Grundschulen eine oder eineinhalb Stellen zu schaffen. Weil die Frage der Finanzierung knifflig ist - die Gemeinde will die Kosten nicht alleine tragen -, rechnet Jugendbereichsleiter Max Haberl damit, dass die neuen Sozialarbeiter in Karlsfeld frühestens Mitte kommenden Jahres die Arbeit aufnehmen können.

"Die Zahl der Kinder, die mit Problemen zur Schule kommen, nimmt immer mehr zu", klagt Roland Karl, Leiter der mehr als 400 Kinder zählenden Grundschule an der Krenmoosstraße. "Wir haben das ganze Spektrum." Am meisten zu kämpfen haben die Lehrkräfte mit "Defiziten im sozial-emotionalen Bereich": Im Unterricht wirft sich ein Erstklässler unter die Bank. Alles, was die Lehrerin sagt, plappert er laut nach wie ein Papagei. Solche Dinge.

An der Verbandsgrundschule München-Karlsfeld sieht es nicht besser aus. Teilweise bekommen es die Lehrer mit Kindern zu tun, deren Verhaltensauffälligkeiten so massiv sind, dass sie das Jugendamt einschalten müssen. Fast die Hälfte der 306 Kinder an der Verbandsgrundschule kommen aus München, viele davon aus schwachen sozialen Verhältnissen. Dazu kommen kulturelle Konflikte: Knapp 62 Prozent der Schüler stammen aus zugewanderten Familien. Es sind typisch städtische Probleme, die an den Grundschulen durchschlagen - und die Lehrer müssen sie auffangen. Irgendwie: "Wir haben ja alle keine psychologische Ausbildung", sagt Schulleiterin Ursula Weber. "Wir brauchen qualifizierte Hilfe."

Das sieht der Gemeinderat auch ein. Der schnellste und einfachste Weg, wäre, die Kosten von 55 000 Euro jährlich für eine Vollzeitstelle alleine zu schultern - möglicherweise für einen Schulsozialarbeiter, für den es sowieso keine Zuschüsse gibt. "Ein Schulsozialarbeiter hätte den Vorteil, dass seine Arbeit flexibler ist und er sich besser an die Schule anpassen kann", sagt Roland Karl. Jugendsozialarbeiter unterstehen nämlich nicht der Schule, sondern sind der Jugendhilfe angegliedert. Sie dürfen sich ausschließlich um benachteiligte Kinder und Jugendliche kümmern - also Verhaltensauffällige, Schüler, die in Konflikte verwickelt sind oder familiäre Probleme haben. Präventivarbeit im Klassenverband, wie ihn die Karlsfelder Grundschulleiter aber auch für sinnvoll hielten, wäre damit nicht möglich.

Nach dem Meinungsbild in der ersten Sitzung des Hauptausschusses bevorzugt der Gemeinderat offenbar die Jugendsozialarbeit. "Das ist aus unserer Sicht das geeignetere Instrument", sagt Stefan Handl, Sprecher der mächtigen CSU-Fraktion. Für Jugendsozialarbeit gibt es außerdem Förderprogramme, die mehr als die Hälfte der Kosten übernehmen würden. Der Freistaat fördert Jugendsozialarbeit finanziell, tut dies aber vorrangig an Hauptschulen, sodass für Grundschulen in der Regel keine Mittel mehr übrig bleiben.

Bleibt noch der Weg über den Landkreis, der mittlerweile auch die Jugendsozialarbeiter an der Grundschule in Petershausen mitfinanziert. Damit hat der Kreis aus Sicht von CSU-Fraktionschef Stefan Handl einen "Präzedenzfall" geschaffen. Hiltraud Schmidt-Kroll (SPD) verweist zudem auf den überdurchschnittlich hohen Ausländeranteil: "Karlsfeld nimmt eine Sonderstellung im Landkreis ein." Jugendsozialarbeit gilt vor allem an Schulen mit hohem Migrantenanteil und Kindern aus sozial schwachen Familien als sinnvoll.

Nun sollen parallel Förderanträge an den Freistaat und an den Landkreis gehen. Gibt es keine Mittel, wird der Gemeinderat noch einmal beraten, ob er die Stellen selbst komplett finanzieren soll. Wolfgang Offenbeck (CSU) fände das falsch, schon "aus systemische Gründen": Es gehe um eine staatliche Aufgabe. SPD-Fraktionschef Reinhard Pobel hält dagegen, die Gemeinde könne die Schulen nicht mit ihren Problemen alleine lassen, nur, weil der Staat sich seiner Verantwortung nicht stelle.

© SZ vom 28.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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