Süddeutsche Zeitung

Karlsfeld/Dachau:Sicherheitsrisiko Kampfhund

Wenn der Rottweiler aus einem Karlsfelder Wohnblock für die Anwohner weiterhin eine Gefahr darstellt, könnte ihn die Gemeinde beschlagnahmen

Von Christiane Bracht, Karlsfeld/Dachau

Ob der beißwütige Rottweiler aus dem Karlsfelder Wohnblock eines Tages im Dachauer Tierheim landen wird, ist noch offen. Unwahrscheinlich ist es aber nicht. Da der 26-jährige Halter gar keinen Hund in der Wohnung haben darf, der Hausverwalter auf eine Räumung drängt und die Suche nach einer neuen Bleibe noch schwieriger ist, wenn man einen Kampfhund an der Leine führt. Zudem hat die Gemeinde noch die Möglichkeit, das Tier zu beschlagnahmen, wenn es weiterhin eine Gefahr für die Anwohner darstellt. Gerüchten zufolge scheint der Halter die Maulkorbpflicht ja etwas leger auszulegen. "Wir warten mal ab, wie es weitergeht", sagt die Leiterin des Tierheims, Silvia Gruber. Sie und ihr Team haben den Fall bisher genau verfolgt.

Dass Hunde von einer Gemeinde beschlagnahmt werden, passiert relativ häufig: "Zwei- bis dreimal im Jahr", sagt Gruber. Es sind keineswegs immer Kampfhunde, manchmal sind es auch einfach vernachlässigte Tiere, die die öffentliche Sicherheit gefährden. Oder es sind Hunde, die einfach falsch gehalten werden. Wie der Fall bei dem Karlsfelder Rottweiler liegt, darüber will Gruber nichts sagen. "Ich weiß nicht, was schief gelaufen ist. Aber meist ist der Mensch das Problem." So war es offenbar auch im November vergangenen Jahres, als die Stadt Dachau einen Rottweiler konfiszierte. "Der ist immer noch da", sagt Gruber. "Er ist ein toller Hund, bestens erzogen." Allerdings hatte er eine 17-Jährige aus Karlsfeld in einem Park in Dachau-Ost angefallen, sich in deren Oberschenkel verbissen, so dass er nur schwer davon zu trennen war und die Schülerin so schwer verletzt. Der Halter war einfach weitergegangen, als wäre nichts gewesen. Er hatte mit dem Hund auch in den sozialen Netzwerken geprahlt, ihn als "Beast" und "Killer" präsentiert und sich selbst als skrupellosen Draufgänger von der Straße. Die Stadt reagierte damals innerhalb einer Woche.

Doch seither ist nicht viel weitergegangen. Seit mittlerweile neun Monaten sitzt der Rottweiler im Tierheim und darf nicht weitervermittelt werden. "Die Halter wollen ihr Eigentum nicht aufgeben", erklärt Gruber. "Es ist nicht so einfach, das Tier wegzunehmen, dazu braucht es einen triftigen Grund und eine Entscheidung des Ordnungsamts." Womöglich müsse auch ein Gericht entscheiden. Der Hund wäre durchaus vermittelbar, sagt sie. "Er bräuchte nur ein verantwortungsbewusstes Herrchen." Eines, das ihm den nötigen Auslauf gibt und ihn auch vom Kopf her fordert. Aber keinen Halter, der will, dass der Hund die Zähne fletscht.

Gruber bedauert, dass sich jeder einfach so ein Tier kaufen kann, ohne sich zuvor mit den Folgen auseinander gesetzt zu haben oder mit artgerechter Haltung. "Es kommt immer wieder vor, dass die Leute schnell überfordert sind und dann drohen die Tiere ein Wanderpokal zu werden. Wir hatten mal einen Welpen, der innerhalb eines Jahres sechs Mal auf Ebay verkauft wurde", erzählt Gruber. Das habe Folgen für das Tier. Es kenne sich irgendwann nicht mehr aus und sei verstört.

Zu den häufigsten Gründen, warum Tiere im Heim landen, gehören Umzüge, sagt Gruber. 40 Prozent aller Hunde und Katzen mussten abgegeben werden, weil sie in der neuen Wohnung nicht gehalten werden durften. 20 Prozent seien Scheidungswaisen, die keiner der Ehepartner mehr haben wolle. Und dann kommen noch Tiere, die krank sind und teure Medikamente bräuchten. Diese hohe finanzielle Belastung wollen Herrchen oder Frauchen meist nicht auf sich nehmen. Des Öfteren müssten die Tierpfleger auch zu Verstorbenen, um die zurückgebliebenen Hunde oder Katzen zu retten, berichtet Gruber.

Momentan hat sie knapp 90 Tiere in den Räumen an der Roßwachtstraße. "Wir sind gut besetzt." Auch wenn die Hundezwinger voll sind, Gruber würde schon noch ein Plätzchen finden, wenn es nötig wäre. Bald hofft sie nicht mehr so sehr improvisieren zu müssen, wie in letzter Zeit. Für dieses Jahr war eigentlich ein Neubau geplant, doch die Mittel reichten nicht und so musste das Vorhaben verschoben werden.

Nächstes Jahr soll es nun soweit sein. Der Freistaat will den Tierheimen mit insgesamt 2,2 Millionen Euro helfen. Das habe die Regierung bereits vor einem Jahr versprochen, seither versuche sie herauszubekommen, wofür und an welcher Stelle man Geld beantragen könne, sagt die agile Tierheimleiterin. "Der Antrag ist seit Wochen fertig, aber ich wusste nicht, wohin ich ihn schicken soll." Jetzt hat sie die zuständige Behörde gefunden. Hohe Erwartungen an die Finanzspritze hat sie aber nicht. "Ich hoffe, dass wir wenigstens ein bisschen was kriegen."

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Quelle:
SZ vom 05.08.2019
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