So voll war das Karlsfelder Bürgerhaus bei einer Bürgerversammlung noch nie, mehr als 330 Besucher waren gekommen. Vor allem das Thema Hochwasserschutz bewegte sie. Nach den verheerenden Starkregenfällen im Juni waren auch in Karlsfeld wieder zahlreiche Keller vollgelaufen. Wofür manche auch ihren gewählten Vertretern im Rathaus eine Mitschuld gaben. Rudolf Peschke monierte, dass das Gemeindegebiet „immer mehr zugepflastert und versiegelt werde“, als Beispiel nannte er die Neue Mitte und die Gartenstraße. „Das wurde alles von der Gemeinde genehmigt.“
Gerhard Grote aus der Ostenstraße zeigte sich immer noch erschüttert, wie rasant der Wasserpegel im Juni gestiegen sei. Nach seinen Schilderungen lief bei ihm das Wasser über die Hauswände in den Keller und staute sich dort auf eine Höhe von 20 Zentimeter. Er regte daher an, das Grundwasser, wie im Neubaugebiet München-Feldmoching, großflächig umzuleiten. Außerdem warb er dafür, ein Katastrophenwarnsystem für die Bevölkerung einzuführen, um nächstes Mal mehr Vorlauf für die Rettung von Sachwerten aus dem Keller zu haben.
Forderung nach einem Verbot von Tiefgaragen
Erika Seidenspinner forderte: „Ich finde, die Gemeinde könnte hier noch mehr tun“, sagte sie unter dem Applaus des Publikums. „Die zugeschütteten Gräben müssten geprüft und im besten Fall wieder freigelegt werden“, so Seidenspinner. Sie forderte, künftig keine Tiefgaragen mehr zu genehmigen, weil dies das Grundwasserproblem erheblich verschärfe. Als Beispiel nannte sie die neue Garage in der Blumenstraße 13, „gegenüber liefen im Sommer gleich mal die Keller voll“.
Seidenspinner bestand darauf, unter anderem über ein Tiefgaragenverbot in Karlsfeld abzustimmen; im Saal fand ihr Vorschlag breite Zustimmung, es gab nur fünf Gegenstimmen. Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) sagte dazu: „Wir hätten uns der Sache sowieso angenommen, das gilt für alle Anliegen, die heute vorgebracht werden.“ Einem Tiefgaragenverbot räumte er allerdings wenig Chancen ein. Die Gemeinde hat hier keine Handhabe, man müsste dazu erst einmal die Bundesbaugesetzgebung und des bayerischen Baurechts ändern.
Allerdings signalisierte er auch, dass er den Anregungen der Bürger entgegenkommen wolle: „Wir haben ja schon unser Krisenmanagement aktualisiert“, sagte Kolbe, „außerdem müssen wir uns im Gemeinderat zusammensetzen und weitere Maßnahmen zum Hochwasserschutz diskutieren.“ Denkbar wäre es zum Beispiel, Anreize zu schaffen, um Flächen wieder zu entsiegeln, wie das andere Gemeinden bereits tun. Man brauche dazu auf jeden Fall den Rat von Fachleuten.
Versickerungsgruben müssen regelmäßig gereinigt werden
Zuvor hatten Martin Eberle, Leiter der Gemeindewerke Karlsfeld, und der mit dem Thema Entwässerung vertraute Ingenieur Andreas Heilmann, noch auf ein Problem hingewiesen, das sich aus dem historisch bedingten „Trennsystem“ der Gemeinde ergibt: Als die Kläranlage im vergangenen Jahrhundert gebaut wurde, setzte man darauf, das Schmutzwasser aus den Haushalten über Rohre zur Kläranlage zu transportieren.
Doch diese seien völlig ungeeignet, überschüssiges Grundwasser oder Niederschlagswasser aufzufangen, das aus Kellern abgepumpt werde. Seit Mitte September habe die Gemeinde nun das Problem, dass das sogenannte Fremdwasser den Abfluss im Schmutzwasserkanalnetz dauerhaft überlaste. Heilmann appellierte daher an die Karlsfelder, den dauerhaften Gebrauch ihrer Garten- oder Tauchpumpen zu überdenken.
Wichtig sei vor allem, Keller und Gebäude „abzudichten“ sowie Rückstausicherungen in Form einer Hebeanlage oder Einzelrückstauklappen vorzunehmen. In diesem Zusammenhang beklagte Heilmann, „dass einzelne Hausbesitzer die Versickerungseinrichtungen (Mulden, Rigolen, Sickerschächte) auf ihren Grundstücken nicht regelmäßig warten und reinigen.“ Diese müssten aber mindestens zweimal im Jahr von Laub und Dreck gereinigt werden. Als das Raunen im Saal immer lauter wurde, sprang Bürgermeister Kolbe dem Ingenieur bei und erklärte: „Eigentum verpflichtet.“
Bis der Tagesordnungspunkt „Starkregenereignisse“ aufgerufen wurde, vergingen aber erst einmal drei Stunden. Davor ging es um andere Themen aus der Gemeinde. Die Hälfte der Zeit nahm der Bürgermeister mit seinem knapp 90 Minuten lang vorgetragenen Rechenschaftsbericht ein. Darin ging es um die weiterhin steigende Einwohnerzahl, um den Rekordhaushalt 2024 (99,7 Millionen Euro) sowie die Personalkosten, die von 12,7 Millionen im vergangenen Jahr auf voraussichtlich 14,2 Millionen Euro in diesem Jahr steigen. Und das, obwohl überall in der Verwaltung Fachkräftemangel herrsche, allen voran in der Kinderbetreuung.
Dabei erwähnte Kolbe auch das zum 1. Januar gestartete neue Finanzierungsmodell mit gestiegenen Betreuungsbeiträgen. Bislang sei das „ganz gut über die Bühne gegangen“, sagte Kolbe. Den Defizitausgleich in Höhe von sieben Millionen Euro aus den vergangenen Jahren hätte nicht mehr länger hätte finanzieren können. „Die Gemeinde ist finanziell am Anschlag mit all den Wünschen, die von höherer politischer Seite an uns herangetragen werden.“ Da tue auch die halbe Million weh, die man wegen des Wasserschadens in der Kinderkrippe Nesthäkchen wohl selbst tragen müsse, wenn die Versicherung nicht zahle.
Die „Jahrhundertbaustelle“ wird endlich fertig
Um den Bürgern zu zeigen, was die Gemeinde mit den vielen Millionen aus dem Haushalt gemacht hat, zeigte Kolbe in seiner Präsentation Fotos von aufwendig sanierten Geh- und Radwegen sowie Bushaltestellen, beispielsweise an der Therese-von-Bayern-Straße (Kosten etwa 2,2 Millionen Euro), die Sanierung des Jugendhauses sowie die Dreifachturnhalle, die am 4. November eröffnet werden soll.
Hinzu kam der Neubau der Verbandsgrundschule München-Karlsfeld unter Beteiligung der Landeshauptstadt München. Im Sommer solle diese „Jahrhundertbaustelle“ endlich abgeschlossen sein. Außerdem stellte Kolbe einen zweiten Feuerwehrstandort westlich der Bahn in Aussicht. Damit ließe sich sicherstellen, dass die Einsatzkräfte ab Ende 2026 nach zehn Minuten überall rechtzeitig an Ort und Stelle sind.
Dann ging es auch schon das erste Mal an diesem Abend ums Thema Wasser, nämlich bei der Erhöhung der Wasser- und Abwassergebühren zum 1. November. „Dafür wurden die Kläranlage erweitert und alle Brunnen ertüchtigt“, erklärte Kolbe. Einer Privatisierung der Wasserversorgung erteilte er eine entschiedene Absage: „Wasser muss in kommunaler Hand bleiben.“