Karlsfeld:"Böse, böse Wohnverhältnisse"

Karlsfeld: Immer freundlich und gut gelaunt geht die Karlsfelder Streetworkerin Christiane Hagitte auf "ihre" Jugendlichen zu.

Immer freundlich und gut gelaunt geht die Karlsfelder Streetworkerin Christiane Hagitte auf "ihre" Jugendlichen zu.

(Foto: npj)

Was die Streetworkerin Christiane Hagitte aus ihrem Arbeitsalltag berichtet, schockiert den Gemeinderat zutiefst

Von Petra Neumaier, Karlsfeld

Christiane Hagitte hat als Streetworkerin schon einiges erlebt. Aber zuweilen muss auch sie den Kopf schütteln, wenn sie hinter die Kulissen so mancher ihrer Klienten schaut. Denn auch in der Gemeinde Karlsfeld trifft sie immer öfter auf "böse, böse Wohnverhältnisse." Und immer mehr junge Leute können sich mit ihrem Ausbildungsgehalt oder Verdienst keinen Wohnraum mehr leisten. Zu Hause geht oft auch nicht mehr. Also stehen besonders die 21- bis 27-Jährigen quasi auf der Straße oder tingeln von Freund zu Freund und von Couch zu Matratze. "Es gibt sogar Mädchen, die sich quasi prostituieren, um nachts ein Bett zu haben", sagte die Sozialarbeiterin in der Gemeinderatssitzung.

Ihr Arbeitsbereich ist die Straße. Hier draußen, an der Skaterbahn und am "Bankerl", auf dem Friedhofsweg, Am Krebsbach und Am Burgfrieden, trifft sie "ihr" Klientel. Jugendliche und junge Erwachsene, oft orientierungslos, oft hoffnungslos. Christiane Hagitte akzeptiert sie, wie sie sind, arbeitet anonym. Ist für sie da, sucht und pflegt Kontakte, baut Beziehungen auf. "Das ist das Wichtigste an meiner Arbeit, damit sie sich öffnen und sich helfen lassen", sagt sie. Dabei hält sich die Pädagogin an die Regeln der Jugendlichen, zunehmend auch im virtuellen Raum. Das Internet ist ein großes Arbeitsfeld geworden: 2013 hatte sie "nur" 554 virtuelle Kontakte, im vergangenen Jahr waren es schon 1476.

Einzelberatungen werden auch bei ihr immer häufiger nachgefragt: 121 Beratungsgespräche waren es 2014, "man merkt, dass die Jugendlichen selbst für Kleinigkeiten keine Ansprechpartner mehr haben", stellt Christiane Hagitte fest. Ein großer Teil der Probleme sind dabei Schule und Beruf, Mobbing und Partnerschaft. Auch ein bisschen die Finanzen und ganz wenig Sucht. Dafür immer mehr Psychosen. Und eben die Wohnverhältnisse. 2013 machte dieses Thema nur einen Anteil von fünf Prozent aus, 2014 waren es schon 13 Prozent. Tendenz steigend.

Die Streetworkerin schüttelt den Kopf. Denn es ist selbst ihr mit ihren guten Kontakten und trotz intensiver Suche und geduldigen Behördengängen oft nicht möglich, den Wohnungslosen eine adäquate Unterkunft in Karlsfeld zu verschaffen. Es fehlt eben an Geld, es fehlt an Wohnraum, es fehlt an allen Ecken und Enden. Und dann bleibt oft nur die Matratze beim Freund oder der Freundin - oder einer flüchtigen Bekanntschaft: Das Wort "Prostitution" war nicht einfach nur so dahin gesagt.

Umso dringender der Appell von Christiane Hagitte an die Gemeinderäte darauf hinzuwirken, "dass der Landkreis möglichst bald wenigstens ein paar Notschlafplätze schafft".

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