Ein Blickfang gleich neben dem Eingang: Ein Foto mit dunklem Hintergrund, vorn dichtes Geäst, Zweige kreuz und quer, deutlich heller. Es sieht aus, als sei das Bild nachts mit Blitzlicht geschossen. Nein, das Foto mit dem Titel „Dark and Light“ habe sie tagsüber gemacht, sagt Pingkan Lucas, im Winter in einem Wald im Altmühltal, an dem im Hintergrund die Sonne schien: „Man muss genau hinschauen, um das zu erkennen.“ Es ist eines von gut zwei Dutzend Fotos der Künstlerin, die der Kunstkreis Karlsfeld in seiner ersten Ausstellung nach den Sommerferien zeigt.
Die gebürtige Indonesierin, die in ihrem Geburtsland und den USA aufgewachsen ist und schon seit mehr als 30 Jahren in München lebt, stellt bereits zum zweiten Mal in der Karlsfelder Galerie Kunstwerkstatt aus. Wie 2020 stehen auch diesmal Natur und Landschaften im Fokus: „Flora: Drei Betrachtungen“ lautet der Titel dieser Schau, in der Fotos in drei unterschiedlichen Stilformen zu sehen sind.
„In den USA gibt es viel mehr Wildnis als hier“
Bei der ersten handelt es sich um Landschaftsbilder. Aber wer dabei etwa an die Dachauer Künstlerkolonie und ihre Motive denkt, wird überrascht sein. Man sieht keinen Wald hinter grüner Wiese mit weiß-blauem Himmel darüber. Vielmehr folgen nach dem Bild aus dem Altmühltal unter dem Oberbegriff „Layers“ Fotos von Bäumen, Sträuchern, Blättern und Gräsern, die Lucas in verschiedenen Bundesstaaten der USA aufgenommen hat. Licht und Schatten spielen hier miteinander, geben Rätsel auf, was genau eigentlich dargestellt ist. Da erkennt man beispielsweise dürres Astwerk vor rotbraunem Hintergrund, dieser entpuppt sich erst bei genauem Hinschauen als Felswand in einem Nationalpark in Utah. „Outlines“ hat Lucas das Bild betitelt.
Direkt daneben hängt „Angel Hair“ – wuchtige Grashalme, die sich vor dichtem Gestrüpp zur Seite neigen. Rechts davon junge Bäume, die sich aus schwarzem Lavagestein auf einem erloschenen Vulkan in Hawaii herausarbeiten. „In den USA gibt es viel mehr Wildnis als hier“, sagt Lucas. Doch manchmal sind auch Spuren von Menschen auszumachen, ein ausgetretener Feldweg durchs Dickicht etwa, während ein weiteres Foto einen dichten Wald mit zugewuchertem Unterholz zeigt. Mittendrin ist auf den zweiten Blick ein hölzerner Strommast zu erkennen.
Deutlich älter und in ganz anderem Stil sind vier Fotos mitten im Galerieraum, einander zugewandt aufgehängt. Sie sind mit einer billigen, in China gefertigten Holga-Kamera aufgenommen, einem analogen Plastik-Apparat, wie Lukas erzählt. Die circa einen Quadratmeter großen Bilder bieten in kräftigen Farben Einblicke in kalifornische Landschaften und Eindrücke von balinesischen Pflanzen. Normalerweise werden mit der Kamera kleine sechs mal sechs Zentimeter Bildchen gemacht, doch in der Vergrößerung wirken sie durch ihre Unschärfe wie doppelt belichtet.
Strahlen hier leuchtende Farben, so ist der dritte Teil der Ausstellung komplett in Schwarz-Weiß gehalten. Blüten oder Bambusstängel zeigen sich darauf, ganz ohne Hintergrund, was die Strukturen der Pflanzen umso deutlicher hervortreten lässt. Man glaubt fast, man sähe einen Dürerschen Holzschnitt oder eine Tuschezeichnung. „So würde ich gerne zeichnen können“, meint Pangkin Lucas, die erklärt, dass sie sich beim Fotografieren ganz auf einzelne Teile der Pflanzen fokussiert habe. Da ist dann auf einem Bild eine riesig vergrößerte Astgabel zu sehen, deren Knick zum Nachbarbild hinüberschaut, wo sich ihr die Blüte einer Blume entgegen beugt. Faszinierend, welche Wirkung die Schwarz-Weiß-Fotografie entfalten kann. In Farbe wären diese Bilder wohl eher kraftlos.
Die Vernissage für die Ausstellung findet am Freitag, 20. September, 19 Uhr, in der Galerie Kunstwerkstatt, Drosselanger 7, statt. An den Wochenenden 21./22. September und 28./29. September ist sie Ausstellung jeweils von 14 bis 18 Uhr zu sehen.