Süddeutsche Zeitung

Karlsfeld:Viele Wünsche für das Anna-Quartier

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Es ist ein Bauprojekt im Herzen der Gemeinde: Das einst landwirtschaftlich genutzte Ludl-Gelände an der Münchner Straße soll bebaut werden. Die Planungen verfolgen einige Karlsfelderinnen und Karlsfelder äußerst kritisch.

Von Anna Schwarz, Karlsfeld

Wo einst Traktoren die Äcker pflügten, soll demnächst das Anna-Quartier in Karlsfeld entstehen: Inklusive Anna-Tower, Rooftop-Bar und einem guten Mix aus Wohnen, Arbeiten und Nahversorgung. Die Planungen dazu stellten Mitarbeiter des Investors CG Elementum vor kurzem bei einem Bürgerdialog im Karlsfelder Bürgerhaus vor. Das einst landwirtschaftlich genutzte Ludl-Gelände liegt zwischen Münchner Straße und Nibelungenstraße, neben der denkmalgeschützten Ludl-Kapelle und gegenüber der Neuen Mitte. Das Bauprojekt, "im Herzen der Gemeinde", wie es Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) nannte, zieht sich schon seit Jahren hin: Bereits 2018 und 2019 gab es Bürgerwerkstätten, sogar auf einen Bebauungsplan hatte sich der Gemeinderat 2020 geeinigt, doch dann kaufte der neue Investor das Gelände und bat um Änderungen im Bebauungsplan. Diese wurden den Karlsfelderinnen und Karlsfelder beim Bürgerdialog vorgestellt, außerdem konnten sie loswerden, was sie sich selbst im Anna-Quartier wünschen.

Rund 39 000 Quadratmeter des Areals sollen gewerblich genutzt werden, auf etwa 27 000 Quadratmetern soll Wohnfläche entstehen, darunter Ein- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen, 30 Prozent davon als geförderter Wohnbau. Darüber hinaus geplant sind Arztpraxen, Büros, Fitnessstudios, Gastronomie, Handel, eine Kindertagesstätte sowie rund 1100 Stellplätze. Auch mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit versprach der Projektentwickler bei CG Elementum Tim Schiller einiges in seiner Präsentation: Unter anderem sollen im Anna-Quartier ein "schöner Grünzug", begrünte Dachflächen und Photovoltaikanlagen zur Energieversorgung entstehen sowie Karlsfelds Fernwärme genutzt werden. Zum Baubeginn sagte sein Kollege Ulf Graichen, dass heuer bereits Baugruben ausgehoben werden sollen, im nächsten Jahr soll der Bau starten: "Vom Spatenstich bis die letzte Gardine aufgehängt wird, wird es wohl fünf bis sechs Jahre dauern", schätzte er. Bis dahin braucht es noch einen rechtskräftigen Bebauungsplan.

Unzufriedenheit mit der Form des Anna-Towers

Nach der Präsentation durften Interessierte aus dem Publikum Fragen stellen. Eine Anmerkung gab es zum Anna-Tower mit Rooftop-Bar, der Aushängeschild des Quartiers an der Münchner Straße werden soll. Ursprünglich wünschte sich der Gemeinderat einen Turm in Ellipsenform, nun ähnelt die Form eher einem Parallelogramm. Das ärgerte eine Bürgerin: "In Karlsfeld haben wird doch schon genug viereckige Sachen. Ich habe so gehofft, dass eine Ellipse gebaut wird." Doch eckige Raumformen eignen sich besser, um etwa Schreibtische in Büros unterzubringen, erklärte Christian Hörmann, Moderator des Abends und Geschäftsführer beim Beratungszentrum für Stadt- Regionalentwicklung Cima.

Seniorenbeirat Günter Krebs meldete sich mit seinem Wunsch nach zwei selbst reinigenden, öffentlichen Unisex-Toiletten im Anna-Quartier: "Die sind nicht nur für Senioren wichtig", betonte er. Aber Hörmann erklärte daraufhin, dass diese selbst reinigenden Toiletten teuer seien und immer wieder kaputt gingen, viel mehr rate er zu dem Konzept "Nette Toilette", bei dem Gastronomen und Geschäftstreibende ihr stilles Örtchen kostenlos zur Verfügung stellen und einen Aufkleber mit "Nette Toilette" an ihre Tür kleben. Doch damit wollte sich der Seniorenbeirat nicht zufriedengeben.

Bürger notieren ihre Wünsche zum Anna-Quartier

Wie das geplante Quartier aussehen könnte, begutachteten die rund 60 Bürgerinnen und Bürger anschließend in einem Miniaturmodell und auf Faltwänden. Darauf klebten Plakate, auf denen die Interessierten ihre Ideen und Wünsche notieren konnten, dort war nach einer Dreiviertelstunde etwa zu lesen: "Dritte Spur nur für Abbieger in das Quartier", "Skulptur im Park", "Zwei Unisex-Toiletten", "Kunst am Bau" oder "Aufenthaltsorte für die Jugend". Auch Mitglieder des Jugendrats kamen zum Bürgerdialog, die 19-jährige Sana Tawaf beklagte etwa, dass es in Karlsfeld zu wenige Treffpunkte für Jugendliche gebe. Im Winter sei der Karlsfelder See nicht beleuchtet und wenn sich die Jugend in der Neuen Mitte trifft, riefen Anwohner oftmals die Polizei. Ulf Graichen antwortete darauf, dass es im Quartier durchaus Sitz- und Grünflächen geben werde, die teils privat, teils öffentlich und nachts beleuchtet sind. Auch andere Bürger wünschten sich Aufenthaltsqualität im neuen Quartier für Jüngere und Ältere, etwa in Form von Sitzbänken. Ein weitere geäußerter Wunsch war, dass der Verkehr auf der Münchner Straße nicht zunimmt.

Skeptisch blieb die Karlsfelderin Erika Seidenspinner, die auch Mitglied beim Bund Naturschutz ist. Sie sagte: "Ich finde diesen Plan ganz furchtbar." Schließlich rolle mit dem Quartier ein Berg an Aufgaben auf die Gemeinde zu: Wenn die Einwohnerzahl steigt, müssten wieder neue Schulen gebaut werden, die Geld kosten: "Und das bedeutet noch mehr Schulden." Außerdem befürchtet sie, dass das Verkehrsaufkommen durch das Anna-Quartier zunimmt und die ohnehin viel befahrene Münchner Straße weiter belasten wird. Projektentwickler Tim Schiller versprach, dass dazu weitere Verkehrsgutachten erstellt werden.

Zudem findet es Seidenspinner schade, dass so viel Wohnfläche auf dem Ludl-Gelände entsteht: "Es wurde uns doch immer Gewerbe versprochen" - damit die Gewerbesteuern sprudeln und sich die finanzielle Lage der Gemeinde endlich verbessert. Sie hat Angst, dass sich der Konflikt wie am Karlsfelder Bayernwerkgelände wiederholt, auch dort kämpft die Gemeinde mit dem Investor darum, dass mehr Gewerbe statt Wohnraum angesiedelt wird.

"Wir entwickeln, bauen und verkaufen dann"

Ein Karlsfelder, der anonym bleiben möchte, findet die Pläne für das Anna-Quartier "sehr stadtmäßig und recht schön, das hat was", sagte er, während er sich die Modellbilder auf den Faltwänden ansah. Auch die Entscheidung für den Turm in Parallelogramm-Form kann er nachvollziehen: "Da bringt man einfach mehr Gewerberaum rein" - und das sei vorteilhaft, wenn der Projektentwickler CG Elementum die Gebäude nach Fertigstellung wieder verkaufen möchte. Denn so sei der Plan, kündigte Ulf Graichen bereits an: "Wir entwickeln, bauen und verkaufen dann", der Immobilienentwickler sei aber "keine Heuschrecke", sondern verkaufe an konservative Einrichtungen, wie Versicherungen oder Beamtenkassen.

Wie es bis dahin weitergeht? Die Ideen der Bürgerinnen und Bürger werden auf dem Weg zum neuen Bebauungsplan aufgenommen, versprach Moderator Hörmann. Bürgermeister Kolbe fügte hinzu: "Auch der Gemeinderat wird sich mit den Anregungen beschäftigen."

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