Trauer um Karl Rom:"Das schulde ich meiner Familie"

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Karl Rom überlebte das Ghetto Kaunas und mehrere Konzentrationslager. (Foto: Toni Heigl)

Der Holocaust-Überlebende Karl Rom erzählte unermüdlich, was er und seine Verwandten in Konzentrationslagern erfahren mussten. Jetzt ist er mit 97 Jahren gestorben.

Nachruf von Thomas Radlmaier, Dachau

An einem Donnerstag im August 2013 stehen der ehemalige KZ-Häftling Karl Rom und Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Nachbildung eines sogenannten Prügelbocks in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Damals im Lager zwangen SS-Männer die Häftlinge, sich auf solche Holzgestelle zu legen, um sie anschließend mit Ochsenziemern blutig zu prügeln. Jetzt erzählt Rom der Kanzlerin, die die Gedenkstätte an diesem Tag besucht, wie er während seiner Gefangenschaft selbst einmal über den Bock gehen musste. Die SS bestrafte ihn, weil er im Winter bei der Zwangsarbeit von Etiketten etwas Papier abgerissen hatte, um sich die kalten Füße einzuwickeln.

Merkel fragt den Holocaust-Überlebenden, ob er die Entscheidung bereut habe, Mitte der Fünfzigerjahre von Israel nach Deutschland zurückzukehren und sich hier niederzulassen. Nein, es war genau richtig so, antwortet ihr Karl Rom.

"Sein Engagement hat viele und vieles bewegt"

Ohne Holocaust-Überlebende wie Karl Rom, die sich nach dem Krieg dafür entschieden, in Deutschland zu leben und von ihren Erfahrungen zu erzählen, gäbe es heute wohl keine Erinnerungskultur. Jetzt ist Karl Rom kurz nach seinem 97. Geburtstag und nach langer Krankheit gestorben. Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, sagt, Rom habe unendlich viel für die Erinnerungsarbeit getan. "Sein Engagement hat viele und vieles bewegt."

Karl Rom wurde am 25. Februar 1926 in eine nicht-orthodoxe jüdische Familie in Kaunas geboren. Seine Eltern besaßen ein Restaurant nahe des Marktplatzes der Stadt. Am 15. August 1941 wurden der 15-jährige Karl Rom und seine Familie ins Ghetto Kaunas deportiert. Er musste zusehen, wie im Oktober 1941 etwa 12.000 Juden in der Anlage ermordet wurden. Im Sommer 1944 wurde die Familie in das KZ Stutthof gebracht, wo Mutter und Schwester blieben. Karl Rom kam mit seinem Vater nach Kaufering I, in ein Außenlager des KZ Dachau. Er erhielt die Häftlingsnummer 81262.

Karl Rom musste dort unter unmenschlichen Bedingungen etwa einen Betonbunker bauen. Manchmal fielen Häftlinge dabei in den Beton und wurden nicht mehr herausgeholt. Mit seinem Vater wurde Karl Rom Anfang April 1945 in das Lager Kaufering XI verlegt. Von dort trieb die SS ihn und die anderen Insassen am 25. April auf einen "Todesmarsch" zum KZ Allach. US-Truppen befreiten das Lager am 30. April 1945.

"Wir werden ihn nicht vergessen"

Nach der Befreiung arbeitete Karl Rom für die zionistische Fluchtorganisation "Bricha" ("Flucht"), die Juden bei der Ausreise nach Palästina half. In München lernte er seine Frau Flora kennen, mit der er 1949 nach Israel auswanderte. 1956 kehrten Karl und Flora Rom mit ihrer Tochter nach Deutschland zurück und lebten in Hohenschäftlarn im Landkreis München.

Karl Rom hat nach der Befreiung lange darüber geschwiegen, was er als Jugendlicher während der NS-Zeit erleiden musste. Erst 1988 erzählte er das erste Mal davon in Alabama, USA, wo er als Zeitzeuge von seinem Enkelsohn in eine Schule eingeladen worden war. "Das schulde ich meiner Familie", sagte er.

Anschließend berichtete er auch in Deutschland über viele Jahre hinweg in Schulen und Veranstaltungen von seiner Verfolgungsgeschichte, um seine Erfahrungen an die nachfolgende Generationen weiterzugeben, oft auch als Gast in der KZ-Gedenkstätte, im Max-Mannheimer-Studienzentrum oder der Internationalen Jugendbegegnung. Die Nachricht seines Todes löste in Dachau große Trauer aus. Der Förderverein für Internationale Jugendbegegnung schrieb auf Facebook: "Wir werden ihn nicht vergessen. Möge ihm die Erde leicht sein."

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