Kaputte Straßen:Viel Arbeit, viel Frust

Straßenbau

Auch die Straße Am Kräutergarten soll erstmals hergestellt werden. Den Löwenanteil der Kosten müssen laut Kommunalem Abgabengesetz die Anwohner tragen. Nach einem Beschluss des Dachauer Stadtrats wurde ihr Anteil von 90 auf 70 Prozent gesenkt.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Rechtsaufsicht im Landratsamt soll darüber entscheiden, welche Dachauer Straßen auf Kosten der Anwohner nachträglich hergestellt werden. Der Stadtrat ist über das Kommunale Abgabengesetz sehr verärgert

Von Petra Schafflik, Dachau

Jetzt haben die Stadträte den Schwarzen Peter weitergereicht: Welche der bestehenden Dachauer Straßen bis 2021 noch auf Kosten der Anwohner nachträglich hergestellt werden, so wie es das Kommunale Abgabengesetz (KAG) vorschreibt, darüber soll die Rechtsaufsicht im Landratsamt entscheiden. Von der Behörde wünschen sich die Kommunalpolitiker auch eine Stellungnahme zu möglichen strafrechtlichen Konsequenzen, falls Dachau untätig bleibt. Auslöser dieser ungewöhnlichen Entscheidung, die im Umwelt- und Verkehrsausschuss auf Anregung der CSU-Fraktion einstimmig fiel, war eine vom Bauamt vorgelegte neue Liste von Straßen, die angepackt werden sollen. Noch im Juni hatten die Stadträte vermeintlich definitiv sieben Straßen benannt. Wegen neuer Erkenntnisse wurde diese Reihung erneut durcheinandergewirbelt. Ein Symptom für die Unwägbarkeiten bei diesem Thema, so CSU-Fraktionssprecher Peter Strauch, das für enormen Unmut bei den Bürgern führe. Alle Fraktionen und auch Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) folgten nach intensiver Debatte dem CSU-Vorschlag. Die stille Hoffnung ist, dass mit der Prüfung Zeit vergeht und derweil der neu gewählte Landtag das umstrittene KAG abschafft. "Vielleicht wird ja umgedacht", sagte der OB, der aus seiner Kritik an diesem Gesetz keinen Hehl machte.

Wohl kaum eine Vorgabe des Freistaats hat im Dachauer Stadtrat bisher für so viel Aufregung und Unmut gesorgt, wie die Novellierung des Kommunalen Abgabengesetzes (KAG). Die Vorschrift mit dem sperrigen Namen regelt, wann Bürger zahlen müssen, wenn eine Straße in ihrem Wohngebiet erstmals gebaut wird. Eine 2016 neu eingeführte Fristenregelung legt fest, dass

Kommunen nur noch 25 Jahre Zeit haben, die Straßen ordnungsgemäß erstmals herzustellen und Rechnungen zu stellen. Ein langer Zeitraum, möchte man meinen. Doch viele Kommunen haben es schleifen lassen, Rechnungen wurden nicht verschickt oder Straßen nicht so gebaut, dass sie rechtlich als erstmalig hergestellt gelten. Um den Bürgern mehr Sicherheit zu geben, führte der Freistaat das Zeitlimit ein. Aber gleichzeitig eben auch die Vorgabe an die Kommunen, ältere Straßen zügig noch bis 2021 herzustellen und auch abzurechnen.

Die Stadt hat daraufhin fast hektisch ein Straßenbauprogramm aufgelegt, um nicht Steuergelder zu verschwenden. Von ursprünglich 46 Straßen waren im Juni noch sieben auf der Projektliste, die der Stadtrat billigte. Doch nun legte das Bauamt eine neue Reihung vor. Das Ergebnis einer "vertiefenden Prüfung", erklärte OB Hartmann. Von der Liste gefallen ist etwa die Leobadstraße. Denn im Bergkirchner Rathaus wurde eine alte Abrechnung über den Erstausbau gefunden, den die ehemals selbständige Gemeinde Günding durchgeführt hat, zu der wiederum das Wohngebiet an der Leobadstraße früher gehörte. Ein Beispiel, das aufzeigt, wie viel in dieser Sache auch von gut geführten Akten abhängt. Anders ist die Situation bei der Aggensteinstraße, die auch zurückgestellt wird. Dort fehlt der Raum für einen Wendehammer, ohne den diese Sackgasse sich gar nicht mehr korrekt "erstmalig herstellen" lässt. Und die Karlsfelder Straße wurde 2005 von der Bahn auf eigene Kosten erneuert, auch da lässt sich nichts mehr verrechnen. Letztlich bleiben auf der Liste wie zuvor schon Webling, Am Kräutergarten, Prälat-Wolker-und Pacelli-Straße. Neu dazu kommen Landsberger-/Nürnbergerstraße (als Ringstraße), Sieglindenstraße/ Fritz-Müller-Weg (als Einheit) und Anton-Josef-Schuster-Straße.

Doch die Überarbeitung der Liste sorgte für vehementen Widerspruch der CSU. Bei den Bürgern sorge dieses Hin- und Her für enorme Unsicherheit, beklagte Fraktionssprecher Peter Strauch. Zwar hat der Stadtrat mit einer Anpassung der Erschließungsbeitragssatzung dafür gesorgt, dass Anwohner nur 70 Prozent statt zuvor 90 Prozent der Straßenherstellung bezahlen müssen. Dennoch geht es bei den sieben Straßen um ein Budget von fünf Millionen Euro, von dem 3,5 Millionen Euro die betroffenen Bürger übernehmen müssen. Eine enorme Belastung, so Strauch. Niemand sei glücklich mit dem Kommunalen Abgabengesetz, "im Gegenteil, das ist ein Wahnsinn", sagte der Oberbürgermeister. Die Novelle des KAG nannte Hartmann "fahrlässig", die Folgen für Kommunen und Bürger "schlimm". Für die Verwaltung sorge die Umsetzung für viel Arbeit, "bei den Bürgern für enorme Frustration." Allerdings hätten Anfragen bei Rechtsaufsicht, Innen- und Finanzministerium keinen Ausweg aufgezeigt. Wenn die Stadt nicht handle, "dann ist das Untreue." Also müssten die Stadträte entscheiden.

Doch wie verlässlich ist nun die neue Liste? Die Reihung sei anhand "harter Kriterien" festgelegt worden, unter anderem wurden an relevanten Stellen Bohrkerne gezogen, um den Untergrund zu beurteilen, informierte Andreas Meyer, Leiter des Tiefbauamts. Allerdings hänge eben auch viel davon ab, ob alte Abrechnungsakten auftauchen oder aber verschlampt wurden, monierte Günter Heinritz (SPD). Doch wie gerecht kann so eine Regelung sein, wenn einige Bürger noch zahlen, andere Anlieger alter Straßen nicht mehr? Die Willkür des Kommunalen Abgabengesetzes wolle sie nicht an den Bürger weiterreichen, betonte Gertrud Schmidt-Podolsky (CSU). Ungerecht bleibe es immer, allein schon gegenüber den vielen Bürgern, die ihre Straße wie üblich beim Bau gleich bezahlt haben, erinnerte Verkehrsreferent Volker C. Koch (SPD). Schließlich einigten sich die Räte, die jetzt erarbeitete Liste der Rechtsaufsicht vorzulegen. Wichtig ist den Stadträten auch eine Aussage zu den strafrechtlichen Konsequenzen, wenn die Stadt nicht handelt.

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