Kandidaten für Tassilo-Preis:Großer Auftritt für junge Theaterspieler

"Es darf auch manchmal ein wenig provokant sein." Regisseur Bernhard Vieregg traut sich, Neues auszuprobieren - und hat so die Verbindung zwischen den jungen Schauspielern des Theaters am Stadtwald gestärkt. Diese Nähe ist nicht nur auf der Bühne zu spüren.

Anna Schultes

Theater von Jugendlichen für Jugendliche - eigentlich klingt Bernhard Viereggs Anliegen einfach. Häufig ist die Umsetzung dann doch ein wenig komplizierter. Der Regisseur muss Stücke auswählen, die junge Menschen gerne spielen und ansehen. Er braucht ein Ensemble, das kontinuierlich miteinander arbeitet. Und er muss mutig genug sein, Neues auszuprobieren; manchmal gegen Widerstände.

Kandidaten für Tassilo-Preis: Regisseur Bernhard Vieregg (rechts) möchte das Jugendtheater mit Ensemblemitglied Korbinian Konwitschny und seinen Schauspielkollegen in Dachau etablieren.

Regisseur Bernhard Vieregg (rechts) möchte das Jugendtheater mit Ensemblemitglied Korbinian Konwitschny und seinen Schauspielkollegen in Dachau etablieren.

(Foto: Niels P.Jørgensen)

Seit zweieinhalb Jahren leitet Bernhard Vieregg die Kinder- und Jugendbühne des Theaters am Stadtwald. Mittlerweile hat er 15 Stammspieler, die sich für Theater begeistern. Die jungen Ensemblemitglieder und ihr Regisseur sind eng zusammengewachsen - insbesondere die neueste Inszenierung hat dazu viel beigetragen.

Tobias Schneider, Leiter des städtischen Kulturamts, hält viel von der Jugendarbeit der Bühne: "Das Theater am Stadtwald schafft es, Nachwuchs für das Erwachsenentheater zu finden." Das gelinge nur selten. Außerdem lobt Schneider die Stückauswahl von Regisseur Vieregg: "Er schafft es, eine Balance zwischen innovativem, modernem Jugendtheater und farbenfrohen Inszenierungen zu finden." Vieregg wähle eine gute Mischung aus populären Stücken wie dem "Dschungelbuch" und anspruchsvollen Inszenierungen wie der "Trilogie der harten Spiele". Deshalb hat Kulturamtsleiter Schneider die Jugendbühne des Theaters am Stadtwald für den Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung nominiert.

Der Zusammenhalt der Schauspieler ist auf der Bühne zu spüren. Wäre da nicht diese Nähe untereinander, könnten sie Stücke wie das letzte vermutlich gar nicht spielen; zumindest nicht so überzeugend. In der Inszenierung "Liebe wär' schön", dem zweiten Teil der Spiele-Trilogie von Sungard Rothschädl, stehen Begegnungen im Mittelpunkt.

In Episoden treffen junge Menschen aufeinander, legen ihre Gefühlswelt offen und kommen sich wahnsinnig nah. Die Theatergruppe führte das Stück vor kurzem auf der Bühne des ASV Dachau, ihrer Heimatbühne, auf. Von den 20 jungen Schauspielern erforderte das viel Mut, den sie nicht zuletzt aus dem Gemeinschaftsgefühl in der Gruppe schöpfen konnten.

Außerhalb des Theaters war die Verbindung zwischen den Schauspielern noch nie so eng wie bei dieser Inszenierung", sagt Vieregg. Die Offenheit, die das auf Nähe ausgelegte Stück von den Jugendlichen erforderte, hat sich auch auf ihre Lebenswelt außerhalb des Theatersaals übertragen. Während der Probezeit hätten sich zunächst sechs, sieben Leute privat verabredet, erzählt Ensemblemitglied Korbinian Konwitschny. "Am Ende waren fast alle dabei."

Vielleicht liegt es mit am neuen Zusammengehörigkeitsgefühl, dass Konwitschnys letzte Rolle seine bislang liebste ist. Im Stück "Liebe wär' schön" hat er den drogensüchtigen Tim gespielt. Für den 21-Jährigen war das eine große Herausforderung. Am Anfang sei es schwierig gewesen, sich in seine Rolle hineinzuversetzen. "Ich habe versucht, so zu denken wie Tim", sagt er. Dann sei es einfacher geworden. Mit vier Jahren stand Konwitschny das erste Mal auf der Bühne des ASV, beim Märchentheater der Kinder im Jahr 1995. Begeistert für das Schauspiel hat ihn sein Vater Ernst Konwitschny, der bis heute in der Gruppe der Erwachsenen mitwirkt.

Bei Regisseur Bernhard Vieregg war es ähnlich: Mit fünf Jahren spielte er seine erste Rolle in der Kindertheatergruppe. "Jugendtheater hatte in Dachau bisher keine große Chance", sagt der Jugendleiter. Die Zahl der Jugendtheatergruppen im Landkreis ist überschaubar. Bei der Karlsfelder Muckerl-Bühne hat die Arbeit mit dem Nachwuchs einen hohen Stellenwert.

Auch die Theatergruppe Altomünster hat eine Jugendgruppe. In Petershausen gibt es seit vergangenem Herbst die neue gegründete "P-Town-Drama-Group". Doch die jungen Menschen nachhaltig an die Gruppen zu binden, ist eine schwierige Aufgabe. Vieregg liegt viel daran, das Jugendtheater neben dem Volks- und Kindertheater des ASV zu etablieren.

Bernhard Vieregg arbeitet gerne mit Jugendlichen. Als Gesundheitswissenschaftler weiß er, dass Schauspiel das Selbstwertgefühl junger Menschen fördert - darüber hat er seine Bachelorarbeit an der Hochschule Magdeburg-Stendal geschrieben. Das ist für ihn der Ansporn. "Es darf auch manchmal ein wenig provokant sein", sagt er.

Nicht ganz einfach sei es gewesen, den ersten Teil der Rothschädl-Trilogie im vergangenen Jahr bei der Vorstandschaft des ASV durchzusetzen. Beim zweiten Teil hat sich Bernhard Vieregg selbst gefragt, ob er die geeigneten Spieler dafür hat, die sich auf das Experiment Nähe einlassen. Er hat sich dafür entschieden - und es hat funktioniert.

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