Zwei Worte bleiben im Gedächtnis, zwei Worte. Um die rankt sich ein langes Gespräch über Vergangenheit und Zukunft der Stadt Dachau, über Ziele und Wünsche einer Schauspielerin und Regisseurin und über ein schwieriges Projekt. Die Worte sind "Gemeinschaft" und "Authentizität", die Schauspielerin und Regisseurin ist Karen Breece, das Projekt ist die Aufführung des Stücks "Die Blutnacht auf dem Schreckenstein oder Ritter Adolars Brautfahrt und ihr grausiges Ende".
Mit diesem Werk hat es eine ganz eigene Bewandtnis. Es stammt von Rudolf Kalmer und entstand im Konzentrationslager Dachau. Uraufgeführt wurde es 1943 - im Konzentrationslager selbst und von Häftlingen, unter denen auch der berühmte Schauspieler Erwin Geschonnek war. Dass das Ritterspektakel eine gut getarnte Hitler-Satire war, verstanden die Gefangenen sehr wohl, die Nazi-Schergen aber nicht. "Ein Widerstandsstück", nennt Breece es. Nach Jahren des Zögerns hat sie sich daran gemacht, es aufzuführen. Was sie damit erreichen will? "Ich will eine Plattform für einen offenen Dialog schaffen, die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen, an wen auch immer", sagt sie. Das sei für sie Gemeinschaft stiftend. Ihr Instrumentarium: "Kunst und Kultur. Das bin ich. Das ist für mich authentisch."
Das sind sie also, die beiden Wurzeln, aus denen heraus sich die Regisseurin entfaltet. Authentisch sein, das heißt für sie, sich mit der Stadt auseinanderzusetzen, in der sie lebt, zu fragen, wie Alte und Junge mit der Vergangenheit umgehen und was das für sie heißt. Und dabei - genährt von Erfahrungen aus der eigenen Vergangenheit - offen zu bleiben, auch den Mut zu haben, Antworten zu akzeptieren, die nicht ins eigene Weltbild passen. Dafür hat sie viele Interviews mit Dachauern geführt, hat mit ihren Darstellern vor Beginn der Proben diskutiert und sich bewusst dagegen entschieden, Überlebende der NS-Konzentrationslager als Mitwirkende einzusetzen.
Warum? "Das wäre einfach gewesen, weil man mit einem Zeitzeugen nur gewinnen kann", sagt sie. Doch die Aufführungen im Juli auf dem Gelände der ehemaligen MD-Papierfabrik sollen sich nicht auf Erinnerungsarbeit im üblichen Sinne konzentrieren. Sie sollen "eine Brücke schlagen", sie sollen zeigen: "Wir alle sind ein Teil Dachaus." Und sie sollen eine Art Initialzündung sein, "dass wir ein Stück weit zusammenrutschen". So spielt etwa Shafik Musheni, ein 18-jähriger Flüchtling aus Afghanistan mit. Er lebt in der Asylbewerberunterkunft in der Kufsteiner Straße. "Er ist einer, der die Brücke zur Gegenwart schlägt", sagt Breece, "denn auch er ist ein Opfer von Krieg und Verfolgung."
Bleibt die Frage, warum sie sich nach zwei erfolgreichen Freilichttheateraufführungen mit "Romeo und Julia" und "Der zerbrochene Krug" nun an ein Stück gewagt hat, dass die Dachauer Befindlichkeiten ziemlich aufwühlen könnte. An die Antwort tastet sich Karen Breece heran: "Man verbindet sich mit einem Ort, man lässt sich inspirieren", sagt sie. Und es fasziniere sie, "Theater an ungewöhnlichen Orten und mit speziellen Themen". Für sie sei das "konsequentes, notwendiges Theater". Dass sie das mit einer engagierten Laientruppe umsetzt, ist für sie authentisch: "Da heben sich die Grenzen auf. Es ist für uns auch eine persönliche, menschliche Auseinandersetzung".