Kandidat für den Tassilo 2018:Der musikalische Revoluzzer

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"Die Probe ist das Leben", sagt der Dirigent Tobias Hermanutz. Es ist für ihn die Gelegenheit, Begabungen zu wecken. (Foto: Toni Heigl)

Wie der promovierte Dirigent Tobias Hermanutz die Liedertafel Dachau zu Ruhm und Ehre führt.

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Frischer Wind bei der "Liedertafel Dachau". Das ist zwar nichts Neues, denn dieser Wind weht dort schon das dritte Jahr, aber er hat von seiner Frische nichts verloren. Vor drei Jahren hat ein junger Dirigent die musikalische Leitung übernommen und sich am 18. Oktober 2015 dem Dachauer Konzertpublikum, jedenfalls dem Liedertafel-Publikum, mit dem "König David" von Arthur Honegger vorgestellt. Das war eine Sensation; denn mit dieser Aufführung ist erstmals das 20. Jahrhundert in der Musik in die Liedertafel Dachau, ins Repertoire der örtlichen Chorvereinigungen, also Liedertafel, Chorgemeinschaft, Volkschor und Kirchenchöre eingebrochen.

Wer ist dieser musikalische Liedertafel-Revoluzzer? Es ist der 1983 in Riedlingen an der Donau geborene Tobias Paul Hermanutz, der sich nach dem Abitur am Pestalozzi-Gymnasium Biberach zunächst der Schulmusik und fast gleichzeitig der Kirchenmusik widmete. Das Studium der Schulmusik schloss der 34-Jährige an der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen im Wintersemester 2008/09 mit dem ersten Staatsexamen ab und sein erstes Studium der Kirchenmusik im Sommersemester 2009 an der Hochschule für Kirchenmusik in Rottenburg mit dem B-Diplom. Doch damit nicht genug: Parallel zu den musikalischen Studien widmete er sich an der Universität Tübingen der katholischen Theologie, mit Staatsexamen, kurz darauf schloss er ein Studium für Dirigieren an der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen mit Diplom ab. Die, man möchte sagen, "natürliche Folge" war ein weiteres zweijähriges Studium der Kirchenmusik in Trossingen, das er mit dem A-Diplom beendete. Seine erste Anstellung erhielt er als Assistent des Bezirkskantors am Münster in Villingen, anschließend als Studienreferendar am Gymnasium Balingen, wo er das zweite Staatsexamen für Schulmusik ablegte.

Kirchenmusik mit A-Diplom und Schulmusik mit zweitem Staatsexamen - genügt das nicht? Tobias Paul Hermanutz studierte weiter an der Hochschule für Musik in Karlsruhe Musikwissenschaft, wurde dort promoviert und ist also seit 2014 Dr. phil. Tobias Paul Hermanutz. Wem von soviel Studium und Gelehrsamkeit noch nicht schwindlig ist, der möge weiterlesen.

"Die Probe ist das Leben"

2014 gelang der Sprung aus der oberschwäbischen Provinz nach Bayern, sogar nach München, wo er seit dem 1. Januar 2014 als hauptamtlicher Kirchenmusiker im Pfarrverband München-Haidhausen zusammen mit einem Kollegen sechs Kirchen musikalisch zu betreuen hat. Auch seine musikwissenschaftliche Ausbildung trug Früchte: Seit April vorigen Jahres ist Hermanutz Lektor beim Bärenreiter-Verlag in Kassel.

Das Thema seiner Doktorarbeit ist bezeichnend für die musikalische Einstellung von Tobias Paul Hermanutz. Er promovierte über Clytus Gottwald, einen der führenden Dirigenten für die Chormusik des 20. Jahrhunderts in Stuttgart. Hermanutz ist ebenfalls ein Verfechter dieser Chormusik. In München hat er eine Konzertreihe für Neue Musik ins Leben gerufen, worin sehr moderne Komponisten wie Luigi Nono, Olivier Messiaen, Dieter Schnebel und John Cage zu Wort kommen. Werke von Igor Strawinsky, Harald Genzmer und Astor Piazzolla standen auch schon auf dem Programm. Die Dachauer Konzertbesucher wird Hermanutz wohl nicht mit den allerschrägsten Kompositionen konfrontieren, er will weiterhin die musikalische Klassik pflegen, seine Aufführung von Beethovens Oratorium "Christus am Ölberg" war bereits ein treffliches Beispiel. Sein Ziel: "Die Klassik nicht aus dem Auge verlieren, trotzdem neue Akzente setzen." Tobias Hermanutz probt gern, er versteht es, Begabungen zu wecken. Sein Grundsatz: "Die Probe ist das Leben."

© SZ vom 30.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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