Süddeutsche Zeitung

Kampf gegen Müllflut:Am Ende bleiben Schlacke, Strom und Wärme

Die Abfälle aus den Landkreisen Dachau und Fürstenfeldbruck werden in die Müllverbrennungsanlage in Geiselbullach gebracht. Diese ist mehr als ausgelastet, da die Bevölkerung so rasant wächst

Von Erich C. Setzwein, Olching

Am Ende ist das Feuer, das alles Vernichtende. Nichts mehr übrig von dem, was da bei gut 1000 Grad gebrannt hat. Das wäre die Lösung aller Probleme, doch die ist auch in Geiselbullach noch nicht erfunden worden. Dort steht die Müllverbrennungsanlage des Gemeinsamen Kommunalunternehmens für Abfallwirtschaft der Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau (GfA). 75 Menschen arbeiten dort, vier junge Menschen werden ausgebildet. Ihr gemeinsames Ziel: den Dreck anderer Leute so zu behandeln, dass möglichst wenig übrig bleibt. Ganz verschwindet der Müll eben nicht.

Wer Werner Krieg über das Gelände des GfA folgt, die Treppen zur 17 Meter hohen Kanzel des Kranführers emporsteigt, mit ihm den Leitstand besucht und vor dem Schlackeberg steht, der wird das Grundstück zwischen Bundesstraße 471 und Amper nachdenklicher verlassen, als er gekommen ist. Werner Krieg ist Ingenieur, zuständig für Stoffströme und die vom GfA betriebenen Deponien und hat auch sonst noch viele andere Tätigkeitsfelder. So hat er schon sehr vielen Menschen, Erwachsenen wie Kindern, erklärt, wie das so ist mit dem Müll. Die Führungen, die er für Schulen, Volkshochschulen, Verbände und Organisationen veranstaltet, sind ausführlich und verlangen Konzentration und Konstitution. Dieses Mal ist eine Gruppe des Kreisverbands der Frauen-Union in den Josef-Kistler-Weg gekommen. Müllfahrzeuge fahren an den Besuchern vorbei, Kipper und Laster mit Containern, auch ein Tankfahrzeug passiert die Schranke. Alle dürfen erst passieren, wenn sie kontrolliert und gewogen worden sind, und so machen sich die vor allem älteren Mitglieder der Gruppe einen Spaß wie kleine Kinder, als sie gemeinsam auf die Lkw-Waage treten und ihr Gesamtgewicht auf einem großen Display anschauen.

Im vergangenen Jahr sind an dieser Pforte insgesamt 118 000 Tonnen Abfall hereingeschleust worden. Hausmüll und Abfall aus Gewerbebetrieben, Sperrmüll von den Wertstoffhöfen und einmal im Vierteljahr eine Ladung Altmedikamente aus Kroatien. Dort, erläutert Werner Krieg in seinem Einführungsvortrag, gebe es keine Müllverbrennungsanlagen, die Medikamente vernichten. Betriebe aus dem Münchner Westen liefern Müll nach Geiselbullach, weil es schneller geht und einfacher für sie ist, auch aus Baden-Württemberg kommt Gewerbeabfall an, aber Hausmüll aus anderen Bundesländern werde in der Anlage in Geiselbullach nicht verbrannt.

24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche brennt das Feuer in den beiden "Verbrennungslinien": "Die Anlage ist mehr als ausgelastet", sagt Krieg, denn die Müllmengen haben in den vergangenen 15 Jahren zugenommen. Als Grund dafür nennt er die gestiegenen Bevölkerungszahlen. Etwa 150 Kilogramm Restmüll produziert jeder Bewohner der beiden Landkreise Dachau und Fürstenfeldbruck. Dazu kommen noch ganze Schlafzimmer, die im Sperrmüll landen, und der Nassmüll aus der Biotonne.

Jeweils sieben Tonnen Müll kann je eine Verbrennungslinie - ein dritter Ofen dient der Reserve - in der Stunde verarbeiten. Werden 1000 Kilo Abfall verbrannt, bleiben etwa 240 Kilo an Schlacke übrig. Ein Stoff, der sich nicht mehr verändert, weshalb ihn Krieg als "inert" bezeichnet. Darin seien noch vorhandene Schadstoffe gebunden, Schlacke könne daher sehr gut zum Straßenbau verwendet werden - anstatt Kies.

Doch rund um München und auch gleich in der Nähe des GfA wird aus Kies quasi Gold, da ist Schlacke als Zuschlagstoff weniger gefragt. Und so tritt der Rest des Restmülls eine längere Reise an. Bevor die grauen Brösel in bereits ausgebeuteten Stollen thüringischer Kalibergwerke endgelagert werden, muss noch das Metall heraus. Denn Blech und Eisen, Aluminium und Messing lassen sich recyceln. In der Schlacke sind sie höchstens schmutzig, aber die Lackreste aus einer Farbdose sind ebenso vollständig verbrannt wie Dichtungen an einem Heizungsrohr. Töpfe und Pfannen ohne Kunststoffstiel lassen sich in der Schlacke finden, und am Tag, als die Frauen-Union vorbeischaut, entdeckt Krieg in dem Schlackebunker eine größere Menge Carbonfasern. "Die überleben die Hitze", sagt er und ist gar nicht erfreut über den Fund, der da wohl dem Müll untergemischt worden ist. Krieg spricht davon, dass man die Reste noch mal zerkleinern müsse und erneut verbrennen wolle.

Heiße Ware

Der Zoll bringt beschlagnahmte Zigaretten und gefälschte Kleidung zum Verbrennen, auch eine halbe Tonne Marihuana sind schon im Kessel der Müllverbrennungsanlage gelandet. Wenn das mit anderem Abfall in Rauch aufgeht, entstehen Strom (2018: 47.764 Megawattstunden) und Fernwärme (2018: 64.262 Megawattstunden). Mit dem Strom können 40.000 Menschen versorgt werden. 40 Prozent der Wärme nimmt eine Großbäckerei in Bergkirchen ab, auch eine Firma, die Mehrwegbecher aus Münchner Stadien spült, benötigt Wärme. ecs

Dass die Kessel auch richtig auf Temperatur kommen, um Stoffe wie Carbon zu verbrennen, dafür ist vor allem ein Mann zuständig, der 25 Meter über dem Müllbunker sitzt. Der Mann mit dem polypenartigen Müllgreifer, der vor und unter sich Fenster hat, sortiert den ankommenden und schon geschredderten Müll, legt Partien an und versucht, so gut wie möglich durchzumischen. Denn nicht alles brennt sofort, manches ist nass. Da sind Erfahrung und Geschick gefragt, bevor die Abfälle in Flammen aufgehen. Die Besucher dürfen auch das durch ein Schauglas sehen, bevor sie im Leitstand erfahren, wie mit den giftigen Rauchgasen umgegangen wird und warum Backpulver ein wichtiger Bestandteil der Reinigung ist. Denn Natriumhydrogencarbonat, jeweils in Mengen zwischen 70 bis 500 Kilo, ist nötig, damit das bei der Verbrennung von PVC entstehende Salzsäuregas gebunden und zu Kochsalz wird. Wenn die Werte ansteigen, weil gerade wieder ein Bodenbelag oder Kanalrohre verbrannt worden ist, wird Backpulver eingeblasen. Auch belastetes Abwasser aus der Deponie Jedenhofen wird verdampft und damit unschädlich gemacht.

Am Ende bleibt Schlacke übrig, zudem Strom aus der Turbine für die Stadtwerke Fürstenfeldbruck und Fernwärme mit 84 Grad für das Wohngebiet Schwaigfeld in Olching und das Gewerbegebiet Gada in Bergkirchen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4685847
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.11.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.