Kampf für Frauenrechte:Die Hälfte von allem

Die Kampagne zum Internationalen Frauentag macht vor allem auf die ungleichen Gehälter aufmerksam. Im Landkreis sind 81 Prozent aller Teilzeitarbeiter weiblich. Dachauer Politiker treten für mehr Gerechtigkeit ein

Von Laura Winter, Dachau

Leg dich ins Zeug für mehr Fortschritt - so ließe sich in etwa der Aufruf "Press for Progress" zum Internationalen Frauentag an diesem 8. März übersetzen. Die Organisation macht in diesem Jahr vor allem auf den Gehaltsunterschied aufmerksam. Wenn es so weiter gehe, wie bisher, dann seien gleiche Löhne für gleiche Arbeit weltweit noch 200 Jahre entfernt.

Ein Thema, das immerhin längst in der Politik angekommen ist. "Frauen sollten eine Erwerbsunterbrechung, beispielsweise durch Elternzeit, so kurz wie möglich gestalten", sagt Beate Walter-Rosenheimer, Bundestagsabgeordnete der Grünen im Wahlkreis Dachau-Fürstenfeldbruck. Damit das möglich ist, müssen Familien ihre Kinder jedoch bestmöglich betreut wissen. Das Betreuungsgeld in Bayern sei daher aus frauenpolitischer Sicht ein "totaler Irrsinn". Um der sogenannten Teilzeitfalle zu entkommen, müsse man endlich ein Rückkehrrecht in Vollzeit durchsetzen. Auch die SPD steht hinter diesem Vorhaben: Das Recht auf befristete Teilzeit wird bald zum Gesetz, teilt der Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi mit - in der vergangenen Legislaturperiode hatte die SPD sich trotz Regierungsbeteiligung nicht durchsetzen können. "Für die Gleichstellung der Geschlechter ist das ein Riesenschritt", sagt er. So könnten Frauen und Männer nach einer Teilzeitphase wieder auf ihre vorherige Arbeitszeit aufstocken.

Die goettliche Ordnung, Standbild Film Szene 60

Im schweizerischen Film "Die göttliche Ordnung" kämpft die junge Nora (Marie Leuenberger) für das Frauenstimmrecht, das im Nachbarland erst 1971 eingeführt wurde. In Deutschland dürfen Frauen seit 100 Jahren wählen. Anlässlich des Frauentags zeigt das Cinema Dachau den Streifen am 18. März.

(Foto: Daniel Ammann)

In Deutschland verdienen Frauen rund 21 Prozent weniger als Männer. Das liegt auch daran, dass Frauen oft schlecht bezahlten Teilzeit- und Minijobs nachgehen. Im Landkreis Dachau werden 81 Prozent der rund 12 000 Teilzeitstellen von Frauen beansprucht. Durch das geringe Einkommen fallen auch die Rentenbezüge dementsprechend gering aus. Ein Rentner erhält etwa 994 Euro monatlich, eine Rentnerin hingegen bekommt lediglich 576 Euro. Das geht aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsordnung hervor.

Bundestagskandidatin

Grünen-Politikerin Beate Walter-Rosenheimer hat fünf Kinder.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Die Politik will den Rahmen ermöglichen, etwas muss aber auch in den Familien selbst geschehen. In einer Partnerschaft muss die Arbeit gerecht aufgeteilt werden. Das findet auch Gertrud Schmidt-Podolsky (CSU). Die Bürgermeisterin und ehemalige Gleichstellungsbeauftragte sagt: "Familien tragen auch eigene Verantwortung." Langfristig müsse man aber auch über neue Arbeitszeitmodelle nachdenken. Frauen und Männer müssen sich die Erziehungs- und Hausarbeit teilen, bestätigt Walter-Rosenheimer. Dass Hausarbeiten vorwiegend von Frauen erledigt werden, gehe zu Lasten der Frauen und mache einen Vollzeitjob fast unmöglich.

Claudia Tauber NAT Dachau

Unternehmerin Claudia Tauber wünscht Frauen mehr Selbstbewusstsein.

(Foto: OH)

"Vielleicht bräuchten Frauen mehr Selbstbewusstsein", sagt Claudia Tauber. Sie leitet das in Dachau ansässige Unternehmen NAT Neuberger Anlagen-Technik. Etwa 15 Prozent ihrer Belegschaft sind weiblich. "Wir Frauen denken, wir könnten erst etwas, wenn wir es fünfmal bewiesen haben", sagt sie. Ihr Vorteil sei immer gewesen, neugierig und mutig zu sein. Für ihre Mitarbeiter sei der Unterschied in der Führungsrolle nicht groß. "Hier gibt es halt eine Frau im Vorstand." Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist in der Arbeitswelt aber auch aus ihrer Sicht faktisch nicht gegeben.

Kampf für Frauenrechte: CSU-Stadträtin Gertrud Schmidt-Podolsky wünscht sich mehr Elan in der Frauenbewegung.

CSU-Stadträtin Gertrud Schmidt-Podolsky wünscht sich mehr Elan in der Frauenbewegung.

(Foto: Toni Heigl)

So gesehen erscheinen weitere 200 Jahre nicht unrealistisch. Immerhin gibt es den Internationalen Frauentag bereits seit 1911. Die Frauenrechtsbewegung kämpfte da schon mehr als ein Jahrhundert. In diesem Jahr steht der Tag im Zeichen eines weiteren Meilensteins für die Anerkennung der Rolle der Frau: Am 30. November 1918 durften die Frauen in der Weimarer Republik erstmals an Wahlen teilnehmen. Danach ging es nur langsam voran, die Bewegung erlebte viele Rückschläge. Noch in den Siebzigerjahren wurde frauenpolitischen Themen kaum Beachtung geschenkt. "In den Achtzigerjahren hatte die Frauenbewegung wieder Fahrt aufgenommen", erinnert sich Schmidt-Podolsky. "Heute ist von dieser Aufbruchsstimmung allerdings nicht mehr viel zu spüren." Immerhin sind heute zwei von drei Dachauer Bundestagsabgeordneten weiblich. Ein lokales Phänomen: denn im neugewählten Bundestag ist der Frauenanteil deutlich zurückgegangen, von 36,5 auf 30,9 Prozent. Und auch auf Kommunalebene kann man diese Entwicklung beobachten. Der Frauenanteil im Dachauer Kreistag liegt nach Angaben der Grünen bei gerade einmal 25 Prozent. "Das ist eindeutig zu wenig", sagt auch Schrodi. "Es ist unsere Pflicht dafür zu sorgen, dass im Bundestag, im Europaparlament und in den Kommunalparlamenten Frauen zur Hälfte das Sagen haben." Die Grünen fordern deshalb die Einführung des Parité-Gesetzes, dass sicherstellt, dass Frauen und Männer gleichermaßen auf Kandidatenlisten vertreten sind.

"Frauen und Männer sind einfach zwei Hälften eines Ganzen", sagt Tauber. "Und erfolgreich sind wir sowieso nur im Team."

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