Kabarettpremiere in Altomünster:Ned blöd - aber a bisserl brav

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Das gönnerhafte Lob von Männern geht Claudia Pichler gehörig auf die Nerven. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Claudia Pichlers bairisches Musikkabarett könnte mehr Schärfe vertragen

Von Renate Zauscher, Altomünster

"I wunder mi selbst, dass i heut da bin." Mit diesem Satz begrüßt Claudia Pichler ihr Publikum in der nahezu ausverkauften Weilachmühle in Thalhausen am Samstagabend. Und sie schiebt gleich noch die Erklärung nach, warum sie sich wundert: Weil sie doch nur so schwer hochkomme aus der "Kuhle" ihres gemütlichen Sofas. Dass Claudia Pichler trotz der Verführung ihres Sofas zum Nichtstun in den kommenden Monaten an mehr als einem Dutzend Spielorten ihr erstes kabarettistische Soloprogramm vorstellt, das hänge mit ihrem "Trotz" zusammen, sagt die junge Frau im eleganten Netzstrumpf-Outfit: "Alles was ich im Leben mach, mach ich aus Trotz". Schon das Studium der Germanistik habe sie aus Trotz begonnen, weil ihre Deutschlehrerin am Gymnasium sie für ihren Leistungskurs für ungeeignet erklärt hatte - und dies wegen ihrer "Zweisprachigkeit". Zuhause nämlich und jetzt auch auf der Bühne spricht Pichler ein authentisches, münchnerisch gefärbtes Bairisch, das ihr im täglichen Umgang viel lieber ist als ein unterkühltes Hochdeutsch.

Dieses Bairisch mit seiner Ausdruckskraft und Farbigkeit will Claudia Pichler auch ihrem Publikum nahebringen, und so würzt sie die Erzählungen über die bodenständige Oma, der es "wurscht war", ob sie "Guten Morgen" oder "Heil Hitler" gesagt hat, oder über ihre Schwester, die "Tierheimpraktikerin", mit wunderbaren Beispielen bairischer Sprachschöpfungen. Statt jemanden nur einfach als "geizig" zu bezeichnen würde der Bayer davon reden, dass dem "der Ruach im Gnack sitzt", und einen nicht mehr ganz schlanken Menschen könne man sehr anschaulich als "rausgfressenen Krapfen" betiteln. Aufgewachsen ist Claudia Pichler in Aubing, der "Schwarte des Münchner Speckgürtels", in einer Familie mit "Migrationshintergrund": Der Vater ist Österreicher. Und obwohl der eher wortkarg gewesen sein soll, kommen von ihm köstliche Sätze wie der lakonische Kommentar zu Maria Himmelfahrt: "Is di eppa auch auffi gfahrn? I hob gmoant des war nur der ander."

"Ned blöd - für a Frau" hat Claudia Pichler ihr Programm genannt - ein Satz, den sie so oder zumindest so ähnlich wohl tatsächlich von Männerseite gehört haben könnte. "Blöd" nämlich ist Pichler durchaus nicht, schließlich hat sie ihr Studium mit einer Arbeit über Gerhard Polt und mit dem Doktortitel abgeschlossen. Intelligenz und auch noch gutes Aussehen: Klar, dass das für männliches Interesse sorgt. Aber Claudia Pichler hat mittlerweile ein feines Ohr entwickelt für männliche Arroganz, die sich oft genug hinter diesem Interesse verbirgt und schon beim harmlosen Small Talk sichtbar wird. Dann etwa, wenn die Männer, denen sie im täglichen Leben so begegnet, ohne Punkt und Komma nur von sich selber reden und, egal bei welchem Thema, immer noch einen Trumpf parat haben. Wenn Claudia Pichler etwa freudig von den "Stoapilzl" erzählt, die sie im letzten Herbst gefunden hat, dann müssen es beim männlichen Gegenüber natürlich Trüffel sei, und wenn es ums Wallfahrten geht, genügt es nicht, in Altötting gewesen zu sein: Der Jakobsweg, hin und zurück und das Ganze auf Knien, ist natürlich viel eindrucksvoller. Auch sonst tun sich Frauen aus Sicht von Claudia Pichler schwer. In den vergangenen Jahren hat nur eine Frau, Luise Kinseher, einen wichtigen Kabarettpreis bekommen und in Söders Kabinett ist der angekündigte "Frauenfaktor" zwar "mathematisch nachweisbar", aber für Pichler keineswegs ausreichend. "Und das macht mich traurig und wütend." Richtig freien Lauf lässt Claudia Pichler ihrer Wut allerdings nicht. Sie versteckt sie hinter feiner Ironie und einem betont weiblichen Erscheinungsbild. Selbst ihre Songs, die sie begleite von Gitarre oder "Quetschn" singt, kaschieren die Wut eher als dass sie sie musikalisch ausdrücken. Manchmal würde man sich noch etwas mehr Schärfe in ihrem Programm wünschen. Auf jeden Fall hat Claudia Pichlers in Thalhausen bewiesen, dass sie ihr Publikum bestens unterhalten kann.

© SZ vom 25.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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