Kabarett:Zwischen Satire und Populismus

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Simone Solga macht sich Gedanken - über so gut wie alles. (Foto: Toni Heigl)

Simone Solga setzt schnelle, scharfe Pointen, doch nicht immer wird klar, was davon ironisch gemeint ist

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Die Zahl der Frauen, die politisches Kabarett machen, ist noch kleiner als die in politischen Spitzenpositionen. Wer es als Frau dann aber dennoch ins Rampenlicht schafft, der hat der Welt oft deutlich mehr zu sagen als so mancher Mann. Ein gutes Beispiel hierfür ist Simone Solga, die am Sonntag mit ihrem neuen Programm "Das gibt Ärger" in Schwabhausen war: Mit unglaublich schnellem Mundwerk begabt, darüber hinaus mit scharfem Verstand und einer unbezähmbaren Lust an Wort- und Gedankenspielen, begeisterte sie ihr Publikum im ausverkauften Saal des Gasthofs "Zur Post".

Simone Solga ist seit Jahren als Kanzlerin-Souffleuse unterwegs. Diesmal aber ist sie auf der Flucht: Der Gedanke an weitere vier Jahre Merkel lässt sie um Asyl bitten. Sie komme schließlich aus einem "Krisengebiet", erklärt sie ihrem Publikum, aus der "besten geschlossenen Anstalt Deutschlands", dem Kanzleramt. Auch wenn Solga diesmal also aus dem selbst gewählten Dasein als Rat- und Stichwortgeberin von Merkel flüchten will: Die Kanzlerin steht omnipräsent den ganzen Abend über neben und hinter ihr auf der Bühne. Gut sichtbar, mit Raute und mit Mundwinkeln, "die bis zum Kragen hängen", mit "stabiler Fassade, ohne Bewegung, egal wie's drunter brodelt". Merkel "sitzt wie der Stöpsel auf dem Abfluss", konstatiert Solga bitterböse, oder wie "der Hausschwamm" im Gemäuer: "Sie krallt sich am Kanzleramt fest, und keiner kriegt sie aus der Bausubstanz wieder raus".

Die Idee, sich das Kanzleramt als Agitationsraum zu suchen, war genial: Die behauptete Nähe zum Zentrum deutscher Politik eröffnet den Blick auf unterschiedlichste Themen und Personen. Solga nimmt sich alle vor, egal ob Rechte, Linke oder solche in der Mitte, egal ob Grün, Schwarz, Blau oder Rot. Einen "guten Roten" übrigens, "erkennt man beim Abgang": Bonmots wie diese machen Solgas immer noch sächsisch eingefärbte Wortkaskaden zu ihrem Markenzeichen. Das zentrale Thema im ersten Programmteil ist das, was auch den eben erst überstandenen Wahlkampf fatal beflügelt hat: die sogenannte Flüchtlingsfrage. Solga bringt alle damit zusammenhängenden Aspekte ins Spiel, redet von Bleiberecht und Familiennachzug, und natürlich auch von der ominösen "Obergrenze". Das ist zweifellos ironisch gemeint, mutet passagenweise aber dennoch so an, als wolle Solga auf der antiislamischen Welle mitschwimmen. Dann etwa, wenn sie einem "Hassprediger" so richtig ihre Meinung sagt und vom Publikum dafür intensiven Beifall bekommt. Grenzüberschreitungen sind Solgas Ding - aber manchmal ist auf den ersten Blick nicht ganz erkennbar, wo eigentlich ihre eigenen Grenzen liegen.

Im zweiten Teil des Abends kommt Simone Solga dann von Flucht und Asyl zu Allgemeinerem: zum Verhältnis von Mann und Frau etwa, zum Alt- und Älterwerden, zum deutschen Leben zwischen Lidl und "Tatort" und der Besessenheit, mit dem sich der neue Deutsche mit Fragen des "richtigen" Essens beschäftigt. Laktose und Gluten: In der DDR von Solga jedenfalls hat es so etwas noch nicht gegeben. Wie also wird es weitergehen mit dieser Welt, in der die Menschheit sich mit atemberaubendem Tempo vermehrt? Bekämpfung der Fluchtursachen durch Deutschland - ein Land, das nicht mal einen richtigen Flughafen hinbekommt? Deutsche Entwicklungshilfe? Nicht mehr als das, was die Homöopathie in der Medizin ist. Solga hat keine Wunderrezeptur für die Rettung der Welt, aber sie redet an gegen die Übel, die diese Welt bedrängen und bedrohen. Und sie tut das mit einer Vehemenz und mit so vielen Pointen, dass das Publikum, überfordert, oft erst nach einer kurzen Schrecksekunde mit Beifall und Gelächter reagiert.

Solga kann aber auch anders. In ihren mal rockig, mal gefühlvoll vorgetragenen Liedern zeigt sie sich von einer überraschend weichen, auch optimistischen Seite: als Frau, die ihre Freiheit braucht, aber auch Seelenfreunde und den Partner, den sie in ihren Songs anspricht. "Halt mich aus", bittet sie ihn, "auch wenn die Liebe wärmt und nicht mehr brennt". Zuletzt stürmischer Applaus für Simone Solga, die sehr viel mehr kann als nur zu unterhalten: die bewegen will und ihre Zuhörer tatsächlich auch bewegt.

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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