Kabarett:Das Zeitalter von Leberkas-Saigon

Kabarett: Um ein Haar wäre Kabarettist Stephan Zinner Rockstar geworden

Um ein Haar wäre Kabarettist Stephan Zinner Rockstar geworden

(Foto: Toni Heigl)

Der Kabarettist Stephan Zinner widmet sich dem Wandel Bayerns

Von Maximilian Kießl, Dachau

Der Saal des Ludwig-Thoma-Hauses ist bis auf den letzten Platz besetzt. Alle wollen Stephan Zinners neues Kabarettprogramm "Raritäten" sehen. Erst vor wenigen Tagen war er als Doppelgänger von Markus Söder beim jährlichen Starkbieranstich am Nockherberg zu sehen. Doch Zinner beweist an diesem Abend einmal mehr, dass er viel mehr ist als nur ein begnadeter Imitator. Die Söder-Perücke ist bereits vor Beginn auf der Bühne zu begutachten, sie soll dann jedoch nur einen kleinen Platz im Programm einnehmen.

Der Abend ist keine knallharte politische Abrechnung, vielmehr wird er zu einer Bestandsaufnahme des heutigen Bayerns und den zahlreichen Veränderungen, die auch der fest in der Tradition verankerte Freistaat durchmacht. Zinner veranschaulicht das durch viele amüsante Anekdoten aus dem Alltag, durchsetzt mit politischen Seitenhieben. Als roter Faden dient die Frage, was heutzutage alles rar geworden ist. Bienen, Schnee im Winter, normaler Kaffee in einem Restaurant oder Kinder, die zum Brettspielen fähig sind und gelegentlich das Haus verlassen. Zinner arbeitete aber auch politische Themen ab wie die Wohnungsnot, den Lehrermangel und die "geile"Luft Münchens. Zwischendurch erfährt der Zuschauer Wissenswertes aus Zinners Leben. Wer immer schon wissen wollte, wie er auf die Idee kam, Rockstar zu werden und dies so mittelprächtig klappte oder wie er beinahe in den Genuss kam, an einem Pfeilgiftfrosch zu lecken, der kommt hier voll auf seine Kosten.

Für viele gesellschaftliche Veränderungen hat der Kabarettist hingegen nicht mehr übrig als ein resignierendes Kopfschütteln. Dazu gehören die immer riesiger werdenden Autos, die mittlerweile "halbe Häuser" seien, und Bio-Märkte, in denen es Bier nur flaschenweise zu kaufen gibt oder Schüler, die Maracuja-Mango-Smoothies zur Brotzeit verlangen. Auch mit persönlicher Sprachsteuerung wie Amazons "Alexa" kann der Kabarettist nur wenig anfangen, was er in einem Lied ("I red doch net mit a bledn Dosn") deutlich macht. Sogar Kulinarisches wird geboten. Dafür brät Zinner einen Leberkas auf der Bühne, würzt ihn und fertig ist der eigens kreierte "Leberkas-Saigon", der anschließend unter den Zuschauern verteilt wird. Musikalisch begleitet wird Zinner durch Peter Pichler, der aus dem Hintergrund wahlweise zu Tuba, Schlagzeug oder Ziehharmonika greift.

Politisch am deutlichsten wird Zinner in einem Lied gegen Rechtspopulismus, deren Anhänger er "nach rechts in den (Sonnen-)Untergang reiten" lässt. Damit dürfte auch die CSU gemeint gewesen sein, die vor der letzten Landtagswahl noch versuchte, mit markigen Parolen am rechten Rand Wählerstimmen zu gewinnen. Erst gegen Ende setzte sich Zinner doch noch die Söder-Perücke auf, merkt jedoch an, dass beim nächsten Nockherberg von ihm aus kein Söder mehr dabei sein müsse; er spiele dann eben die Merkel. Dann verabschiedete er die Zuhörer mit einem lauten Heavy-Metal-"Rausschmeißersong".

So steht am Ende die Erkenntnis, dass Stefan Zinner politische wie alltägliche Späße gekonnt zu mischen vermag und dazu noch über beachtlich vielseitige musikalische Fähigkeiten verfügt - neben Rock, Reggae und Heavy Metalklängen gab es sogar eine Rapeinlage des Kabarettisten zu hören. Ob der echte Söder das auch so hinbringen würde?

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