Süddeutsche Zeitung

Kabarett:Blütezeit des politischen Irrsinns

Bei seinem satirischen Jahresrückblick im Dachauer Thoma-Haus kann Kabarettist Django Asül diesmal aus dem Vollen schöpfen

Von Renate Zauscher, Dachau

Nicht jeder, der auf das Jahr 2018 zurückschaut, würde die vergangenen zwölf Monate als ein gutes Jahr bezeichnen. Für einen Kabarettisten allerdings stellt sich die Sache anders dar: 2018 hatte eine solche Fülle von schier unglaublichen, verrückten, in jedem Falle kommentarwürdigen Ereignissen zu bieten, dass sich daraus mühelos beste, bissigste Kabaretttexte destillieren ließen.

Als "bunt und skurril" bezeichnete deshalb auch Django Asül das Jahr 2018, als er am Sonntagabend Rückschau im Thoma-Haus hielt und dabei noch einmal genussvoll-ironisch all das Revue passieren ließ, was 2018 zu einem doch sehr besonderen Jahr gemacht hat.

Doch, es habe durchaus Positives gegeben in diesem Jahr, sagt Django Asül: die Nachricht etwa, dass der Autobauer VW jetzt 8000 derzeit noch nicht zulassungsfähige Fahrzeuge auf dem Gelände des geplanten Berliner Flughafens zwischenparken könne - wahrscheinlich "nicht nur für zwei Jahre sondern solange wie gewünscht."

Und was die Finanzen der stets klammen Stadt Berlin angeht, so könne die sich ein Beispiel an der AfD nehmen: Die schone durch Geldbeschaffung im Ausland auf erfreuliche Weise den Geldbeutel des deutschen Steuerzahlers. Mit viel Lob von Seiten der organisierten Kriminalität wird laut Django Asül auch der Berliner Vorschlag aufgenommen, Polizeianwärter in "prekären EU-Staaten" anzuheuern: Man könne die Leute zusätzlich in leichten Nebenjobs wie etwa dem Einsammeln von Schutzgeldern beschäftigen. Mit besonderem Vergnügen schaut Django Asül dem Volk - und hier vor allem den Volksvertretern - aufs Maul. Wortwörtlich zitiert er die ein oder andere Passage aus öffentlichen Redebeiträgen, solche des neuen CSU-Koalitionspartners im Freistaat etwa oder Seehofers Satz von der "Flüchtlingsfrage" als "Mutter aller Probleme". Ein Satz, der eigentlich anders formuliert werden müsste: Zumindest die Opposition sei der Ansicht, dass "die Mutter aller Probleme" doch wohl Seehofer selber sei.

Die Bayern-Wahl und die Entscheidung der CSU in der Koalitionsfrage gegen die Grünen und für den "niederbayerischen Wolpertinger Aiwanger" ist Django Asül einen längeren Exkurs wert, ebenso wie das von der CSU ausgerufene "Jahr der Merkel-Dämmerung" oder der "Rücktritt des Jahres" von Mesut Özil. Ob Kreuzerlass ("Die Kirchen können das Symbol ja auf Franchise-Basis nutzen") oder bayerische Raumfahrt ("die Reaktion der Regierung auf steigende Grundstückspreise"): Die CSU hatte 2018 eine Fülle solcher und ähnlicher Steilvorlagen für Kabarettisten zu bieten. Aber auch die SPD kommt bei Django Asül nicht gut weg: "Kein bayerischer Erwachsener, der seine sieben Sinne beisammen hat, würde sie wählen" - allein schon deshalb nicht, weil Natascha Kohnen nicht bairisch spreche und somit nicht wählbar sei.

Ob in der Politik oder beim Fußball, beim Blick über die Grenzen nach Frankreich oder in die USA, ins Fernsehen auf Shows wie die von "Silvies Dessous" ("je weniger Sinn eine Show macht, desto weniger haben die Teilnehmer an") oder in die sozialen Medien: Überall begegnen Django Asül Freaks der einen oder anderen Art. Für den Mann auf der Bühne sind sie, ihr Reden und Handeln mehr als nur banale Realität: Er nutzt sie als Inspiration für ein Programm, in dem reale Fakten ironisch weitergedacht werden und in lustvolle Fantasien münden. Nur wer sehr gut informiert ist, wird erkennen, wo die Fakten enden und das Reale in genialisch böse, surreale Szenen und Dialoge übergeht. Und weil der Mann auf der Bühne auch noch sehr schnell redet und sich nur hin und wieder mit einem Schluck Weißbier eine Atempause gönnt, dürfte manche Pointe nicht wirklich beim Publikum angekommen sein. Gelacht wurde trotzdem viel: Django Asül ist schließlich nicht irgendwer sondern einer der Bekannten, Großen, die ihren Mitmenschen immer wieder sehr deutlich sagen, was sie von ihnen - oder auch ihrer Politik - halten. Klar, dass man so jemanden nicht ohne Gelächter und Applaus nach Hause gehen lässt.

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Quelle:
SZ vom 18.12.2018
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