Süddeutsche Zeitung

Jubiläumsfeier in Petershausen:Ein Ohr für den Bürger

Die Freien Wähler in Petershausen feiern mit Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger ihr 20-jähriges Bestehen

Von Petra Schafflik, Petershausen

Beim 20. Wiegenfest ist das Geburtstagskind meist gerade erst der umtriebigen Jugendzeit entwachsen. Und ein "wilder Haufen" waren sie tatsächlich einmal, die Freien Wähler in Petershausen, die am Samstag ihr 20-jähriges Bestehen mit einem Festakt zelebrierten. Zumindest der damalige Vorsitzende Karl Strauß hatte seine bunte Truppe bei der Gründung des FW-Ortsvereins 1999 so bezeichnet. Inzwischen habe sich die Mitgliederzahl verdoppelt, die Aktiven aber würden älter, "der Unterbau geht ein bisschen ab", sagte Ortsvorsitzender Harald Sprattler im Sportheim zu den Festgästen. Das Nachwuchsproblem ist eine Entwicklung, mit der die Freien Wähler in Petershausen nicht alleine sind. Auch Wirtschaftsminister und FW-Landesvorsitzender Hubert Aiwanger appellierte als Festredner: "Vergesst die jungen Leute nicht, lasst die auch mittun."

Natürlich kam Aiwanger als Wirtschaftsminister dann an den aktuellen politischen Entwicklungen nicht vorbei. Dem Wachstumsrückgang in der Automobilbranche und im Maschinenbau stehe ein sehr stabiler Mittelstand gegenüber. In der Energiepolitik sprach er sich für einen Ausbau der Windkraft aus, "aber die Bürger vor Ort sollen entscheiden". Aiwanger plädierte für eine sachorientierte Debatte anstatt "in den Parlamenten Krieg zu führen." Nicht spalten, so seine Devise, sondern handlungsfähig bleiben. Die Probleme der Bürger gelte es zu lösen, vom Kitaplatz über die Lehrerversorgung bis zur digitalen Infrastruktur. "Denn es ist wichtig, dass wir die Gesellschaft zusammenhalten". Die Freien Wähler in Petershausen rief er auf, vor der Kommunalwahl im März 2020 noch Mitglieder zu werben. Und dabei besonders auch junge Leute für die Mitarbeit zu gewinnen.

Politische Beteiligung - dieses Thema bewegte alle Redner beim Festakt. Mutige politische Bürger mit Visionen wünscht sich auch Dagmar Wagner, vor wenigen Tagen als Landratskandidatin der Freien Wähler nominiert, die sich in Petershausen erstmals bei einem Ortsverband vorstellte. Genau mit dem Ziel, unabhängige Persönlichkeiten aus dem Ort für ein Engagement in der Gemeindepolitik zu gewinnen, sind die Freien Wähler 1999 angetreten. Schon bei der Gründung war die zuvor als Bürgerliche Wählervereinigung aktive Gruppe mit vier Mitgliedern im Gemeinderat vertreten. Seither stellt sie immer eine schlagkräftige Fraktion im Rat. Und bereits 2002 eroberte Elisabeth Kraus als FW-Kandidatin den Bürgermeistersessel im Rathaus. Sie war die erste und bisher einzige Frau an der Spitze einer Gemeindeverwaltung im Landkreis. Als Erfolgsrezept nannte die frühere FW-Vorsitzende und langjährige Gemeinderätin Marie-Luise Lehle thematische Veranstaltungen, an denen Bürger auch abseits rein politischer Diskussionen gerne teilgenommen haben. "Wir dürfen nicht vergessen mit den Leuten zu reden", mahnte Lehle.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Politisches Engagement ist oft schwer mit Job und Familie vereinbar, sagte Bürgermeister Marcel Fath, seit 2014 der zweite Rathauschef in Petershausen aus den Reihen der Freien Wähler. Tatsächlich bedeute das Ehrenamt als Gemeinderat viel Arbeit. Und nicht immer sei es angenehm, "beim Einkaufen dann seine Entscheidung verantworten zu müssen." Dennoch appellierte er: "Meckert nicht rum, sondern packt selber an." Gerade die junge Generation sollte stärker ans Ruder kommen, ist sich Fath mit Aiwanger einig. Nicht ganz so begeistert ist Fath davon, dass ihm bereits vier Kandidaten anderer Gruppierungen bei der Kommunalwahl 2020 den Chefsessel im Rathaus streitig machen wollen. Allerdings hatte er dafür bereits eine launige Idee parat. Die allesamt qualifizierten Bewerber könnten "wie beim Fußball" doch über einen Transfermarkt vermittelt werden an eine der 120 bayerischen Gemeinden, die bisher noch keinen Bürgermeisterkandidaten haben. Seine Vision: Die anderen Bewerber "gehen weg wie warme Semmeln und ich bleib in Petershausen übrig."

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SZ vom 22.10.2019
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