Jubiläum:Dachaus Stadtschreiber

Gedenkfeier Thoma

Kälte friert Töne und Finger ein, aber "De Dachauer" tun ihr Bestes, um Ludwig Thoma an seinem Denkmal ein Ständchen zu bringen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Ehrenjahr zum 150. Geburtstag Ludwig Thomas hat begonnen. Eduard Hörl wünscht sich eine faire Bewertung des Werks

Von Petra Neumaier, Dachau

Winzige Eiskristalle tanzen in der Sonne, wie silberglänzender Flitter, der sich über die kleine, aber angesichts der Kälte doch recht große Schar der Gäste am Denkmal von Ludwig Thoma senkt. Als wolle die zauberhafte Szenerie zum 150. Geburtstag versöhnlich stimmen zwischen denjenigen, die den Schriftsteller wegen seiner herrlichen Geschichten und Gedichte ehren und den Äußerungen nicht weniger Kritiker, die ihn aufgrund seiner antisemitischen Schriften kritisieren. "Einem Jahr unverzeihlicher Beiträge stehen 20 Jahre erfolgreichem, literarischem und anerkanntem Schaffen gegenüber, das hat Gewicht und darf nicht zur Seite gedrängt werden", mahnt der Vorsitzende der Ludwig-Thoma Gemeinde, Eduard Hörl. "Denn auch Dachau kann nicht nur an zwölf Jahren Konzentrationslager gemessen werden."

Kräftig blasen die Musiker "De Dachauer" in ihre Blasinstrumente, als stünde der Geehrte leibhaftig vor ihnen, um sein Ständchen in Empfang zu nehmen. Oder als ahnten sie bereits, dass die eisige Kälte mehr und mehr mit den Ventilen auch die Töne einfrieren würde. Am wenigsten kann die Kälte noch Querflöte und Klarinette anhaben.

Kalt wird es auch den Gästen. Drum beeilen sich die Festredner, wie auch Kulturreferent Claus Weber (FW) mit seinen Rezitationen, ein wenig - weitergefeiert wird ja später noch im Wirtshaus beim Weißwurst-Frühstück. Nichtsdestoweniger erinnert Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) am Denkmal an den Schriftsteller, der von Oktober 1894 bis 1897 im sogenannten Raufferhaus in der Dachauer Altstadt eine Rechtsanwaltskanzlei führte. Weil Thoma sich einst auf einer Wanderung in die Stadt verguckt hatte und - so wird später Eduard Hörl aus den Thomas Erinnerungen zitieren - "die Dachauer Bevölkerung streitfreudiger ist", als die Erdinger, wo der junge Anwalt ursprünglich gedachte, sich niederzulassen.

In den kurzen drei Jahren lernte Thoma die Stadt und ihre Bewohner kennen und schätzen, er verewigte sie in vielen seiner Schriften. Umgekehrt galt die Achtung ebenfalls, wenn auch erst nach seinem Tod 1921. Bereits sieben Jahre später, 1928, wurde die Steinmühlstraße nach Ludwig Thoma benannt, 1932 der Gedenkstein aufgestellt und die Ludwig-Thoma-Gemeinde Dachau gegründet. "Um das Andenken an den Mundartdichter und seine Werke in Form von Leseabenden und Theateraufführungen zu fördern und zu bewahren", erinnert der Oberbürgermeister. Es folgten die Ludwig-Thoma Wiese und das Ludwig-Thoma Haus.

Trotz aller Verehrung versäumte es der Verein nicht, sich auch mit der Schattenseite des Autors zu beschäftigen. Spätestens, seit 1989 durch die Veröffentlichung von Thomas anonym verfassten Hetzkommentaren im Miesbacher Anzeiger das Bild des idealisierten Oberbayers bröckelte. "Geschrieben aus Verbitterung in seinem letzten Lebensjahr: erst der verlorene Erste Weltkrieg, dann der Zerfall des Kaiserreichs, die ungeliebte Weimarer Republik, das Wegsterben enger Freunde, erste Anzeichen der Krebserkrankung und letztendlich die unerfüllte Liebe zu Maidi von Liebermann, einer Jüdin", zählt Eduard Hörl mehr als mögliche Gründe, denn als Entschuldigungen auf.

Reagiert habe der Verein mit einer Reduzierung der Darbietungen des Autors und der Aufnahme von Werken anderer Schriftsteller. Dennoch würden auch weiterhin die Stücke von Ludwig Thoma in Ehren gehalten. Deshalb wünscht sich der Vereinsvorsitzende auch nur eines zum 150. Geburtstag. "Dass jener zu einer sachlichen und fairen Bewertung des Literaten Ludwig Thoma führt." Am 31. März werden die Thoma-Schauspieler ein Stück über das Leben des Autors uraufführen. Natürlich im Thoma-Haus.

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