"Jetz red i":Große Bühne für Karlsfelds Sorgen

Von den hohen Kosten der finanzschwachen Kommune für die Kinderbetreuung bis zu Fluglärm und Verkehrsbelastung: Bei der Aufzeichnung der Fernsehsendung "Jetzt red i" wurde ein breites Spektrum an Problemen angesprochen.

Gregor Schiegl

"Jetz red i": Der Karlsfelder Allgemeinarzt Wolfgang Eder bricht in der Bürgersendung "Jetzt red i" eine Lanze für eine bessere fachärztliche Versorgung im Ort. Ob er damit bei Gesundheitsminister Marcel Huber auf offene Ohren stößt, wird die Sendung zeigen, die am Mittwoch, 16. Januar, ausgestrahlt wird.

Der Karlsfelder Allgemeinarzt Wolfgang Eder bricht in der Bürgersendung "Jetzt red i" eine Lanze für eine bessere fachärztliche Versorgung im Ort. Ob er damit bei Gesundheitsminister Marcel Huber auf offene Ohren stößt, wird die Sendung zeigen, die am Mittwoch, 16. Januar, ausgestrahlt wird.

(Foto: joergensen.com)

- Moderator Tilman Schöberl verspricht, man werde die Aufzeichnung der Bürgersendung "Jetzt red i" in "sozial verträglicher Zeit", über die Bühne bringen. "Wir sind ja hier nicht bei ,Wetten dass . . .'." Es wird dann doch ein recht langer Abend. Zweieinhalb Stunden richten Bürger und Kommunalpolitiker ihre Forderungen und Wünsche an bayerische Landespolitiker. Für die Cutter beim BR heißt das viel Arbeit: Die Sendung, die am Mittwoch, 16. Januar, um 20.15 Uhr im Bayerischen Fernsehen gezeigt wird, ist nur 45 Minuten lang - Politiker-Statements inklusive.

Die Blaskapelle Karlsfeld spielt tapfer auf, um in dem doch eher nüchternen Festsaal des Karlsfelder Bürgerhauses so etwas wie Wirtshausstimmung zu verbreiten. Aber als sich die Zuschauer an die drei großen, ständig um sie herumschleichenden Kameras gewöhnt haben, kommt die Debatte doch in Gang.

Bäckerinnungsmeister Peter Denk aus Dachau fordert vom Wirtschaftsminister das Rad zurückzudrehen, damit die Gemeinden Einzelhandelsflächen nicht weiter von 800 auf 1200 Quadratmeter genehmigen dürften. Die Backshops ruinierten die Handwerksbetriebe und, nebenbei bemerkt, auch noch das Ortsbild: "Wo man hinkommt, sieht man nicht mehr den Kirchturm, sondern nur noch Discounter." Denk trägt - sehr zur Freude des Fernsehmanns Schöberl - einen Trachtenjanker mit Brezenknöpfen, Sonderanfertigung.

Es ist nicht die einzige Berufsgruppe, die klagt: Andreas Rößler, Kindererzieher in spe, ärgert sich, dass er fünf Jahre lang eine teure Ausbildung zahlen muss, Arbeitslose aber in einem Jahr kostenlos umgeschult werden und dann den gleichen Status haben wie er. "Man spuckt uns eigentlich ins Gesicht." Dabei werden gerade im Raum München händeringend Erzieher für die neu entstehenden Krippen gesucht.

CSU-Fraktionssprecher Stefan Handl beklagt die hohen Kosten der Kinderbetreuung. 4,7 Millionen Euro habe Karlsfeld alleine in den Bau der Einrichtungen gesteckt, der Unterhalt verursache jährlich ein Defizit von 400 000 Euro. "Da lässt uns der Gesetzgeber völlig allein." Dabei ist die Gemeinde finanziell klamm. Sie hat kein Geld, das bereits vor Jahren beschlossene Betreute Wohnen zu bauen. Landrat Hansjörg Christmann wirft den Karlsfelder Bürgern indirekt vor, selber Schuld an der Finanzmisere zu haben: Vor zwei Jahren hatte eine Mehrheit der Wähler die Ausweisung eines Gewerbegebiets im Grünzug zu Dachau in einem Ratsbegehren zu Fall gebracht. "Der Bürgerentscheid hat Karlsfeld meilenweit zurückgeworfen." Nachdem die gesetzliche Bindungsfrist des Bürgerentscheids erloschen ist, fürchten die Naturschützer, dass das Gewerbegebiet an der Schleißheimer Straße doch wieder auf die Agenda kommen könnte und die noch verbliebene Verbindung zwischen westlichem und östlichem Moos "scheibchenweise" zugebaut werden könnte. Sie fordern einen rechtswirksamen Schutz des Gebiets.

Großes Aufregerthema: der Fluglärm - auch wenn eine Messung des Flughafens ergeben habe, dass es gar keinen Fluglärm in Karlsfeld gebe, wie Günter Kasparek sarkastisch anmerkt. Bei schönem Wetter donnert fast minütlich ein Flieger nach dem anderen über die Köpfe der Karlsfelder, und das jetzt auch noch tiefer als früher. Vor zwei Jahren seien sie noch auf 1600 bis 1900 Meter Höhe geflogen, weiß Siegfried Weber aus den Flugspurenaufzeichnungen der Deutschen Flugsicherung, jetzt seien es nur noch 750 bis 900. Warum das so ist, habe ihm bis heute niemand erklären können. Zuviel Verkehr gibt es auch auf dem Boden: 40 000 Fahrzeuge rollen täglich über die Münchner Straße - außer zu den Stoßzeiten. Da stehen sie. Verkehrsreferent Bernd Wanka: "Das ist Bayerns größter Parkplatz." Er fordert den Ausbau von Bus und Bahn.

Versorgungslücken gibt es auch bei den Fachärzten, weil die meisten sich nach Dachau oder München orientierten. Die 19 000-Einwohner-Gemeinde dazwischen ist weitgehend unversorgt. "Das ist ein Unding", sagt Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU). "Ich brauche die Ärzte dort, wo auch die Patienten sind."

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