Jens Fischer Rodrian im Café Gramsci:Poesie, die unter die Haut geht

Jens Fischer Rodrian im Café Gramsci: Ein Mann, der Text und Musik bestens unter einen Hut kriegt: Jens Fischer Rodrian bei seinem Konzert im Café Gramsci.

Ein Mann, der Text und Musik bestens unter einen Hut kriegt: Jens Fischer Rodrian bei seinem Konzert im Café Gramsci.

(Foto: Toni Heigl)

Jens Fischer Rodrian gibt im Café Gramsci ein ungewöhnliches Konzert, das auch durch seine literarische Qualität überzeugt

Von Andreas Förster, Dachau

Bis jetzt hatten Udo Lindenberg, Marius Müller-Westernhagen und Jan Delay den Status der drei coolsten Musiker Deutschlands mit Hut unter sich ausgemacht. Seit seinem Konzert im Gramsci gehört auch Jens Fischer Rodrian mit in diese Reihe. Bekanntheitsdefizit hin oder her. Was den Auftritt und ihn als Künstler des Worts und der Musik so cool macht, ist nicht nur der lässig in den Nacken geschobene Michael-Stipe-Hut, der schwarz lackierte Fingernagel, die bunt bedruckten Gitarren oder das schwarze Outfit mit Weste. Es ist die Summe aus Hipster-Outfit, beeindruckender Musikalität und einer Poesie, die unter die Haut geht. Die das Herz trifft und sich im Kopf einnistet.

Jens Fischer Rodrian trägt seine eindringlichen Texte, die er bisweilen mit elektronischen Ambient-Sounds, überwiegend aber mit einer munteren, auch mal funkigen Gitarre unterlegt, wie bei ein leidenschaftlicher Poetry Slammer vor. Vom wettbewerbsgetriebenen Poetry Slam distanziert er sich aber im Gespräch nach dem Konzert: "Ich mag den Slam-Poetry-Aspekt; dass es am Ende immer einen Sieger geben muss, stört mich aber etwas."

Fischer Rodrian kann genauso das klassische Songwriter-Repertoire, auch ein wenig den Reinhard Mey mit sanfter Stimme, eine Hand über dem Kopf, mit geschlossenen Augen, hingegeben wie ein Chansonnier. Um dann, urplötzlich, die Zuhörer, die gerade vor sich hinträumen, mit einem wilden Ritt auf den Drums wachzurütteln. In Fischer Rodrian steckt sowohl das brüllende Raubtier als auch der schnurrende Kater, je nach Botschaft und Gefühl, beides sind die treibenden Kräfte hinter seiner Kunst. So sind es auf der einen Seite Beziehungen, Liebe, Erotik, Freundschaft und Abschied, und auf der anderen Seite die Wut über den Weltenbrand und den ganzen Wahn und Sinn im Hier und Jetzt, die den Slam-Poeten inspirieren.

Was Fischer Rodrian im Gramsci abzieht, ist eine große Show auf kleiner Bühne. Auch im Leierkasten oder in der Kulturkneipe Haimhausen würde sie funktionieren, aber wohl nicht in einer großen Halle. Das würde zum einen die Intimität zerstören, die sich zwischen Publikum und Künstler aufbaut, wenn es mit ihm auf Augenhöhe sitzt. Wahrscheinlich aber fände sich auch kein zahlenmäßig großes Publikum, das sich auf das intellektuelle Kopfkino des Spoken-Word-Musik-Poeten einlassen würde. Am ehesten noch im alternativen Berlin, wo sich der gebürtige Hamburger, der seine Jugend in Murnau und München verbrachte, mit seiner Familie verortet. Hier im Süden, wo die Release-Tour für sein Album "Wahn & Sinn" begann und ihn Verwandte und Freunde von früher besuchten, passt er perfekt ins Café Gramsci. Vor mehr als 30 Jahren, zu seiner Murnauer Zeit, hat er mit der Högl-Band Coversongs gespielt. Als Schüler in Garmisch wurde er, klein, schmächtig, des Bairischen nicht mächtig, oft gehänselt.

Dennoch verbindet ihn ein starkes Band mit München: Konstantin Wecker. Fischer Rodrian ist Gitarrist und Drummer in Weckers Band. So war er es auch, dem Fischer Rodrian vor sieben Jahre seine ersten lyrischen Texte schickte, ausgelöst durch den Tod eines engen Freundes, für den er spontan eine Grabrede verfassen sollte. Wecker war begeistert und verlangte mehr. Der Rest ist Geschichte. Oder besser: Geschichten, denn die interessieren das Multitalent am meisten. Sie prägen den Buchautor (auf "sich kurzfassen - ach" basiert das Live-Programm "Wahn & Sinn"), den Produzenten von Hörspielen oder Musikern wie Max Prosa und Tim Neuhaus und den preisgekrönten Filmkomponisten. Die Musik aus dem Kurzfilm "Wert der Arbeit" stellte er im Gramsci vor. Der Text stammte ausnahmsweise nicht von ihm, sondern von Richard Reitinger, dem Drehbuchautor von "Der Himmel über Berlin". Berlin, das sei noch gesagt, ist auch die Heimat der Blue Man Group. Die begleitet Fischer Rodrian seit den 1990er Jahren, inzwischen als musikalischer Leiter. "Jens war schon immer ein Verrückter", sagt sein Freund aus Murnau, der extra zum Konzert angereist war. Verrückt genug, um sich für Music Magnets zu begeistern: Das ist ein fünf mal fünf Zentimeter kleiner magnetischer Sticker, auf dem ein Download-Code hinterlegt ist. "Spart Plastik, hat eine Top-Klangqualität und kostet nicht mal halb so viel wie eine CD", schwärmt Fischer Rodrian. Sein Album gibt es wahlweise auf Vinyl, CD oder als Music Magnet.

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