Jazz in der Schranne:Furioses Fortissimo

Jazz in der Schranne: Improvisiert: Sabir Mateen am Saxofon und seine Band (Klaus Kugel, Jonas Westergaard und Christopher Dell v.li.) waren beim Publikum erste Wahl.

Improvisiert: Sabir Mateen am Saxofon und seine Band (Klaus Kugel, Jonas Westergaard und Christopher Dell v.li.) waren beim Publikum erste Wahl.

(Foto: Toni Heigl)

Sabir Mateen und sein EU 4tet begeistern die Dachauer Jazzfans in der Kulturschranne. Die Musikerentwickeln ein großes Crescendo, sie inszenieren aber auch die leisen Töne meisterhaft

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Fast jedes Mal, wenn die Programmplaner des Jazzvereins den Saxofonisten Jemeel Moondoc buchen, kommt er am Ende doch nicht. Und es ist bewährt, dass dann der Saxofonist Sabir Mateen mit Band einspringt. So war es 2015, so ist es auch diesmal. "Unseren Hausmusiker", nennt ihn Programmkoordinator Axel Blanz in seiner Begrüßung schmunzelnd - und meint scharfsinnig, man könne ihn künftig ja auch mal direkt buchen. Sehr richtig, wird der Saxofonist am Ende des Abends sagen: "Bring us back - as an original!"

Doch egal, ob nun von Beginn an als Programmpunkt eingeplant oder als - fußballerisch gesprochen - Edeljoker, Mateen und seine Männer des "Sabir Mateen EU 4tet" (Christopher Dell am Vibraphon, Jonas Westergaard am Kontrabass und Klaus Kugel am Schlagzeug) spielen ein ganz wunderbares Konzert.

Es ist freier Jazz der schönsten Ausprägung, der an diesem Abend erklingt: Jede der beiden Konzerthälften besteht aus einer großen, zusammenhängend weitgespannten Darbietung. Der Beginn der ersten ist fast überraschend leise, langsam, spärlich, aber schon hier eindringlich. Und die Eindringlichkeit nimmt bald noch gehörig zu, denn was die vier Musiker in gemeinsamer Interaktion aus diesem Ursprung entwickeln, ist ein großes Crescendo, eine stete Verdichtung. Mit mächtigem Einsatz der Becken schafft Klaus Kugel eine sehr leuchtstarke Klangkulisse. Vom Vibrafon, dem Harmonieinstrument dieses Ensembles, kommen rhythmisch ostinate, dabei freilich hell singende Akkorde. Und schließlich wird, mit kreischend überblasenem Saxofon und harten Impulsen des Basses, ein herrlich eruptives Klanginferno erreicht - und das nicht nur als kurzer Höhepunkt, sondern auch mit Lust ausgebreitet wird. Toll.

Zwar geht das Vibrafon dabei zwischenzeitlich im Gesamtklang unter, doch umso wirkungsvoller ist das direkt anschließende Solo, bei dem Dell in hochvirtuos dahinrasenden Skalen mit vier Schlägeln über die Klangstäbe saust. Mateen tanzt dazu glücklich vor sich hin und Dell wirft das Haupt wie ein Rockstar beim schönsten Gitarrensolo. Ja, die Musiker scheinen ihr Tun zu genießen - auch Kugel und Westergaard, dessen Mimik ganz in musikalische Sphären entrückt ist.

Es ist keineswegs so, dass sich das Konzert nach erstmaligem Erreichen nur in furiosem Fortissimo erginge. Auch das Leise wird wunderbar inszeniert: als wirklich zauberhafter Klangfarbenimpressionismus, bei dem Kugel alles an Gongs und Glöckchen klingeln lässt, was er sich um sein Schlagzeug herum drapiert hat. Auch die singenden Schwebetöne, Zweiklänge und Akkorde des Vibrafons eignen sich natürlich vorzüglich, um lichte Farben einander umschmeicheln zu lassen. Es ist dieser Moment, in dem Westergaard zu einem Bass-Solo ansetzt: Es ist ganz leise. Und obwohl er dabei die Saiten verblüffend hart, akzentuiert zupft, ergibt sich daraus eine versonnene, warme Melodie. Den Streicherbogen, den er gerade zuvor verwendete, braucht er in diesem Augenblick nicht - mit dem streicht dafür Kugel zur Untermalung über die Becken und kleinen Zimbeln und bringt sie zum Singen.

Dieses kollektive Klanggestalten birgt nun keine sonderlichen Überraschungsmomente, aber es ist einfach gut. So gut, dass es als musikalisches Grundkonzept nicht nur durch das erste Set, sondern nach der Pause ohne Abstriche auch durch die zweite Konzerthälfte trägt. Der Puls ist nun allerdings rascher, so entsteht ein markanter Groove. Das ist eine gelungene Steigerung, die nach einer Zugabe verlangt. Nach einer fulminanten Zugabe. Und so stellt sich Sabir Mateen schließlich ans Mikro, nimmt das Tenorsaxofon von den Lippen und singt mit vollem Bassbariton den coolsten Sabir-Mateen-Blues der Welt. Deshalb wie schon 2015: Bitte wiederkommen!

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