Jazz e.V.:Musikalisch fesselnde Erzählungen

Mit dem Konzert des Elliot-Sharp-Trios endet die Frühjahrsreihe des Jazz e.V., die auf einen großartigen Internationalen Jazzherbst hoffen lässt.

Andreas Pernpeintner

Jazz e.V.: Der Gitarrist und Saxofonist Elliot Sharp aus New York in der Dachauer Kulturschranne: Er gastierte dort mit seinem Trio und beendete die Frühjahrs-Konzert-Reihe des Dachauer Jazz e.V.

Der Gitarrist und Saxofonist Elliot Sharp aus New York in der Dachauer Kulturschranne: Er gastierte dort mit seinem Trio und beendete die Frühjahrs-Konzert-Reihe des Dachauer Jazz e.V.

(Foto: Toni Heigl)

Von den ersten Tönen an ist klar, dass dieses Konzert des Elliott-Sharp-Trio mit dem Titel "Aggregat" beim Dachauer Jazz e.V. in der Kulturschranne auf ein intensives Klangerlebnis abzielt. Sharp greift anfangs nicht zur Gitarre, sondern zum Tenorsaxofon. Und was er dabei auf das spärliche, dennoch prägnante Fundament von Bassist Peter Herbert und Schlagzeuger Paul Lytton setzt, ist maximal energiegeladen: kreischende Triller, harte Einwürfe, Melodien, die, obwohl in klar voneinander getrennte Klangereignisse zergliedert, eindringlich durch den Raum schneiden. An sich ist der Gesamtklang während dieser Minuten geradezu zerstückelt. Doch Sharps Spiel überspannt ihn mit einem großen, stark gefügten Bogen.

So erhält dieses Konzert zu Beginn eine durchaus melodische Prägung. Das bleibt nicht so, obgleich die obertonreichen, pastellenen Klangkulissen, die Sharp nach dem Wechsel auf die E-Gitarre zunächst entstehen lässt, fast wie die Fortsetzung des melodischen Prinzips erscheinen. Doch sein Ton konkretisiert sich: vom leisen Flirren hin zu hart attackierenden Akkordbrechungen und lang ausgehaltenen mächtigen Tönen im Leadgitarrensound. Das Melodische geht in dieser Verdichtung verloren (es kehrt nur in Peter Herberts wunderbaren, mitunter anrührend intimen Basssoli wieder). Vielmehr werden in diesem opulent entwickelten Crescendo die beiden vorherrschenden Parameter dieser Darbietung definiert: Dynamik und Klangfarbe.

Die Musik hebt an, duckt sich, versickert, rafft sich erneut auf. Selten entsteht ein stark konturierter Übergang; meist entspringen die verschiedenen Ausdrucksmomente fließend aus dem Vorherigen - mal logisch entwickelt, mal zufällig erscheinend. Das Spannendste daran ist: Durch alle Intensitätsstufen hindurch bleibt die Musik vorherrschend geräuschhaft. Melodie, Rhythmus, Harmonik - sie leuchten jeweils nur kurz subtil auf, dringen nicht dauerhaft an die Oberfläche, entziehen sich, werden nie bestimmend und fasslich. Und doch nimmt man die Darbietung keineswegs als etwas Ungefähres wahr, sondern als musikalisch fesselnde Erzählung, in der man nichts vermisst.

Grandios ist, wenn das zwischendurch wie elektronische Musik klingt, obgleich ja mit akustischen Instrumenten vorgetragen, von Sharps Effektgeräten abgesehen. Und hochinteressant ist das Repertoire an Spieltechniken, welches dies Musiker hierbei präsentieren: Sharps Klangschichtungen mittels Loopstation sind dabei noch ein geradezu konservativer Vorgang. Faszinierend aber ist es, wenn Bassist Herbert mit dem Bogen nicht die Basssaiten streicht, sondern damit den Korpus des Instruments in tiefe Eigenschwingung versetzt. Ein erstaunlicher, dezenter und doch tragender, vibrierender Ton.

Was nun die Spieltechniken eines Schlagzeugers betrifft, ist man von den Konzerten des Jazz e.V. ja einiges gewöhnt. Paul Lytton aber bringt tatsächlich etwas Ungekanntes: Ein umgekehrt auf das Trommelfell gelegter Gong, in dem ein kleiner Milchaufschäumer batteriebetrieben seine scheppernden Bahnen zieht, ist neu. Das ist lustig, aber auch behaftet mit dem Ruch des Effektheischens. Die Klangeffekte seiner Kollegen jedenfalls sind zwar nicht solche Hingucker, aber klanglich substanzieller.

Ohne Unterbrechung treibt das Elliott- Sharp-Trio in der ersten und der zweiten Konzerthälfte durch diesen musikalischen Prozess und lässt in der Schranne zwei weit gespannte Kompositionen entstehen. Wäre nach der Pause eventuell eine gewisse Variation der klanglichen Mittel wünschenswert? Ist die zweite Konzerthälfte im musikalischen Prozess vielleicht nicht mehr so zielgerichtet wie die erste? Ein wenig jedenfalls versandet die Darbietung vor der Zeit.

Mit diesem Konzert endet die Frühjahrsreihe des Dachauer Jazz e.V.. Den beiden Programmgestaltern Klaus Bolland, dem Vorsitzenden des Vereins, und Axel Blanz ist es nach dem einem kleinen finanziellen Einbruch mit gerade mal zwei Konzerten für den Internationalen Jazzherbst 2012 wieder gelungen ist, eine spannendes und herausforderndes Programm aufzulegen. Der Frühjahrsauftritt war für den Herbst auf jeden Fall schon mal verheißungsvoll.

Seit Anfang Februar waren folgende Formationen in Dachau zu hören: Das deutsch-amerikanische Trio von Sean Noonan, Harry Saltzmann und Yvo Fischer; die Formation Basment Research von Gebhard Ullmann; das New Yorker Quartett No Reduce mit Schweizer Prägung (Christoph Irniger, Dave Gisler, Raffaele Bossard und Nasheet Waits); und Elliott-Sharp-Trio-Aggregat. Weitere Informationen auf der Homepage: www.jazzev.de.

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