"Hinter jedem kleinen Ladengeschäft steckt eine Menge Arbeit, Energie und vor allem viel Herzblut", erklärt Johannes S. Becher zu Beginn des Workshops seinen Gästen. Becher muss es wissen, schließlich führt er seit 25 Jahren mit seiner Frau Arja das Fachgeschäft für Naturkost & Naturkosmetik Vielfalter in der Bahnhofstraße 11. Zum 25-jährigen Bestehen haben die Ladeninhaber vor kurzem eine Auswahl langjähriger Kunden zu einem speziellen Workshop in die Räume der Volkshochschule eingeladen. Als Referentin konnten sie die Kreativitätsexpertin Mareike Plüschke gewinnen, die gemeinsam mit den Gästen aus Petershausen und Umgebung ein individuelles Konzept zur Kundenbindung erarbeitet haben. Das Ziel dieses Workshops ist es, die Wertschätzung des Vielfalter-Bioladens wie auch anderer kleiner Ladengeschäfte zu steigern und der wachsenden Konkurrenz durch Supermärkte, Discountern und Einkaufszentren entgegenzuwirken.
Als das Ehepaar Becher im März 1992 seine ersten Verkaufsräume in der Jetzendorfer Straße öffnete, gab es bereits einen kleinen, interessierten Kundenkreis. Ein Geschäft in der heutigen Größe wäre aber in Petershausen nicht vorstellbar gewesen, erinnert sich Becher. Mittlerweile ist der Begriff "Bio" in breiten Bevölkerungskreisen angekommen und wird bei Jung und Alt geschätzt. Denn die ökologische Landwirtschaft bringt Lebensmittel ohne synthetische Gift- und Düngemittel hervor, die man mit gutem Gefühl verzehren kann. Die Vielfalter-Stammkunden honorieren das Engagement der Bechers durch ihre Treue, obwohl Bioprodukte auch mittlerweile in größeren Geschäften und Discountern angeboten werden.
Der Kunde ist König: Arja Tilvis-Becher und Johann S. Becher führen seit 25 Jahren einen Naturkostladen in Petershausen..
(Foto: Toni Heigl)Bei Kaffee, Tee, selbstgebackenen Kuchen oder einer leckeren Käseplatte galt es für die fünf Workshop-Gruppen zunächst einige Quizfragen zu lösen. So wurde gefragt, welche Menge an Milch benötigt wird, um 100 Gramm Naturkäse herzustellen und wie viel biologisch bebaute Fläche hierfür benötigt wird (circa zwei Quadratmeter für rund einen Liter Milch). Geschätzt sollte werden, wie lange das tägliche Aufbauen der Obst- und Gemüsetheke beim Vielfalter dauert und wie viele Personen dabei beschäftigt sind (zwei Personen in rund zweieinhalb Stunden). Interessant war auch die Frage, wie viele Teesorten im Laden angeboten werden (140 Varianten). Als zweite Aufgabe sollten die Stammkunden auf Infotafeln aufschreiben, warum sie bei Bechers einkaufen, was sie besonders schätzen und ihre Lieblings-Produkte aufzählen. Ergebnis: Zum einen wird der gute Rat und die Kompetenz geschätzt, zum anderen haben die Kunden Vertrauen. Die Teilnehmer lobten den Vielfalter als "tollen sozialen Treffpunkt" und die Ladeninhaber für deren unermüdliches Engagement im Sinne von gesunden Lebensmitteln. Lieblings-Produkte sind für viele die Probier-Käse-Stückchen, Dinkel-Mandel-Milch und zuckerfreie Schokolade.
Um sich gegen Discounter und Onlinestores zu behaupten, müssten kleine Ladengeschäfte individuelle Konzepte mit an den Kunden angepassten Ideen bieten, erklärte Mareike Plüschke. Nun ergab sich für die Teilnehmer die Gelegenheit, an zwei großen Infowänden persönliche Wünsche und Anregungen darzustellen. Vorgeschlagen wurde ein Lieferservice für ältere Menschen, Kaffeeverkostung, ein Weinseminar, Bio-Lunch-Pakete, Produkte ohne Verpackung, die Einführung von Kundenboxen und witzige Papiertüten. Andrea Stang plädierte für ein Kundenfrühstück und Ausflüge zu Bio-Betrieben. Eine andere Petershausenerin wünscht sich Vorträge über außergewöhnliche Lebensmittel, kräuterkundliche Wanderungen in der Umgebung und Ernährungstipps für Senioren und Jugendliche. Ein Stammkunde sprach sich dafür aus, abgelaufene Produkte an Bedürftige zu verschenken, mehr Bindung zu den Bio-Erzeugern herzustellen und einen Filmabend über ökologische Themen zu machen. Eine langjährige Kundin aus dem Nachbarlandkreis Freising wünscht sich noch mehr Aufklärung über Bioprodukte, eine Kaffee-Ecke oder Tische vor dem Laden und die Gründung einer Koch- und Ernährungsgemeinschaft. Eine junge Frau aus Petershausen würde sich über einen Bio-Party-Service freuen, eine Rohkostparty und einen Vortrag über vegane Lebensführung. Eine letzte Aufgabe bestand in der liebevollen Dekoration einer Pflanzschale zum Firmenjubiläum mit selbst gestalteten Glückwunschkarten der Teilnehmer.
Die Vielfalter-Stammkunden honorieren das Engagement der Bechers durch ihre Treue, obwohl Bioprodukte auch mittlerweile in größeren Geschäften und Discountern angeboten werden.
(Foto: Toni Heigl)Die gesammelten Ideen aus dem Workshop werden von den Bechers ausgearbeitet und, wenn es irgendwie machbar ist, zeitnah umgesetzt. "Unser Anliegen wird es auch weiterhin sein, die kleinbäuerliche Öko-Landwirtschaft als die einzig zukunftsfähige zu unterstützen", erklärt Johannes S. Becher. Nicht allein deswegen bleibt zu hoffen, dass der Vielfalter-Bioladen weiterhin als lebendiger Treffpunkt im Ortskern von Petershausen erhalten bleibt und weitergeführt wird.