Noor-un-Nisa Inayat Khan war eine britisch-indische Agentin, die im von den Nationalsozialisten besetzten Frankreich im Widerstand aktiv war. Für ihre Entschlossenheit musste Khan mit ihrem Leben bezahlen: Am 13. September 1944 wurde sie mit drei weiteren Gefangenen im Konzentrationslager Dachau von der SS ermordet. Khan war nur eine von zahlreichen Frauen, die sich dem nationalsozialistischen Terror-Regime entgegenstellten und unter Gefahr für ihr eigenes Leben Widerstand leisteten. Bis zum heutigen Tage sind es allerdings vor allem die Namen von Männern wie Claus Graf Schenk von Stauffenberg oder Ludwig Beck, die man mit dem Widerstand gegen das NS-Regime assoziiert. All die mutigen Frauen, die sich dem Nationalsozialismus widersetzten, sind viel weniger bekannt.
Nun aber wurde, kurz vor dem 80. Jahrestag des gescheiterten Attentates auf Adolf Hitler am 20. Juli, die Ausstellung „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ mit einem Gottesdienst in der evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau eröffnet. Die Journalistin Rieke C. Harmsen hat sie kuratiert. Zur Eröffnung erschien neben Nachfahren und anderen Verwandten der früheren Widerstandskämpferinnen auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch.


Charlotte Knobloch zeigte sich in ihrem Grußwort sichtlich bewegt von dem Gottesdienst in der Evangelischen Versöhnungskirche. „Ich bin froh und überwältigt“, sagte sie gegenüber den Anwesenden. „Machen Sie bitte weiter in der Form.“ Die 91-Jährige würdigte die vielen tapferen Frauen, „die sich gegen das NS-Regime gestellt haben“. Zugleich unterstrich sie, dass Widerstand in der damaligen Zeit bedeutete, eine bewusste Entscheidung zu treffen: „Sie mussten nicht tun, was sie am Ende taten. Es gab kein Geld, keine Versprechungen. Es gab nur die Wahl zwischen richtig und falsch“, sagte Knobloch. Und weiter: „Die Entscheidung, das Richtige zu tun, ist leicht zu loben, aber schwer zu treffen.“
Knobloch selbst wurde 1942 als damals neunjähriges Mädchen von der katholischen Pfarrhaushälterin Kreszentia Hummel auf ihrem Bauernhof in Arberg aufgenommen. Auch durch den Mut von Hummel entging Knobloch der Deportation nach Theresienstadt und überlebte den Holocaust.
Noch heute bewundert Knobloch den Mut, den es bedurfte, sich dem NS-Regime zu widersetzen und anderen Menschen zu helfen. „Wer gegen das NS-Regime vorging, in welcher Form auch immer, setzte oft alles aufs Spiel“, so Knobloch weiter. „Aber so viel der Einzelne auch verlor, er behielt das Wichtigste: die eigene Menschlichkeit.“
Irmela Mensah-Schramm: „Ich kann jetzt etwas tun, um zu verhindern, dass es sich wiederholt“
Auch Irmela Mensah-Schramm gehört zu den 18 Frauen, die im Rahmen der Ausstellung vorgestellt werden. Dass sie selbst erst 1945 geboren wurde, entbindet die 79-jährige, die seit Jahrzehnten rechtsextreme Aufkleber von Wänden und Laternenpfählen entfernt, nicht von der Verantwortung, auch heute gegen Rassismus und Rechtsextremismus Widerstand zu leisten – im Gegenteil: „Ich kann jetzt etwas tun, um zu verhindern, dass es sich wiederholt“, sagte Schramm der Dachauer SZ.
Mit einem Aufkleber an einer Berliner Bushaltestelle, der Freiheit für Rudolf Heß, den damaligen Stellvertreter Adolf Hitlers, forderte, hatte ihr Engagement 1986 begonnen. Mensah-Schramm kratzte den Aufkleber mit ihrem Schlüssel von der Haltestelle, seitdem ging sie nicht mehr ohne Schaber und Nagellackentferner aus der Wohnung. Rassistische oder ausländerfeindliche Parolen, die ihr auffielen, übermalte sie mit roten Herzen. „Die Erkenntnis ist: Mit Nichtstun kann man doch nichts erreichen.“
Doch ihr Engagement führte oftmals auch zu Anfeindungen und Strafverfahren wegen Sachbeschädigungen – aufhalten ließ sich Mensah-Schramm davon indes nie. Sich nun in der Ausstellung selbst vorzufinden, war für sie etwas ganz Besonderes. „Dass meine Arbeit in dieser Form gewürdigt wird, hat mich sehr berührt“, sagte Schramm.
„Das war doch ganz normal“
Teil der Ausstellung ist auch das Porträt von Maria Seidenberger. Aufgewachsen mit ihren Eltern und ihrem Bruder Georg in einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus in Hebertshausen, ging sie mit 17 Jahren als Fotolaborantin in München in die Lehre. Im Mai 1944 traf sie auf den tschechischen Journalisten Karel Kašák, einen ehemaligen Häftling des KZ in Dachau, der 1943 unter der Bedingung aus der Haft entlassen wurde, weiterhin als ziviler Angestellter im Lager zu arbeiten. Kašák machte Fotos von dem Grauen des Lageralltages und seinen Mithäftlingen und benötigte eine verlässliche Person, die die Fotos für ihn entwickelte und verbreitete.
Maria Seidenberger erklärte sich schließlich trotz der Gefahr, von den Nazis entdeckt zu werden, dazu bereit, die Fotos von Kašák zu entwickeln, abzuziehen und zu vergrößern. Von Mai bis November 1944 versendete sie bis zu 40 Briefe mitsamt dazugehöriger Fotos an die Familien der Häftlinge. Die Inhalte der dankbaren Antwortbriefe gibt Kašák dann an die Inhaftierten weiter. Die Botschaften aus der Heimat spendeten Hoffnung und Trost in einem von Schrecken geprägten Lageralltag.
Auch den Todesmarsch, auf den die SS die erschöpften und vom täglichen Leid gezeichneten Häftlinge in den letzten Kriegstagen schickte, dokumentierte Seidenberger heimlich mit ihrer Kamera. Mit ihrer Mutter verteilte sie Kartoffeln an die ausgehungerten Menschen. Für ihr Wirken hat Seidenberger 2005 von der Stadt Dachau den Preis für Zivilcourage bekommen. Lange hatte sie gezögert, ihn anzunehmen. Zu selbstverständlich erschien ihr der eigene Mut. „Das war doch ganz normal, dafür möchte ich keine Auszeichnung“, sagte Seidenberger später.