Interview:Sascha Seelemann: "Dachau gibt mir die größte Freiheit"

Sascha Seelemann bringt nächstes Jahr alle acht Wochen einen neuen Song auf den Markt. Vorher aber gestaltet der Musiker noch das SZ-Benefizkonzert. Ein Gespräch über seine Lieder, Heimat und Gefühle

Interview von Anna-Elisa Jakob

Bisher kenne man ihn wahrscheinlich vor allem als Entertainer aus dem Radio, vermutet Sascha Seelemann. Doch ganz bei sich fühlt sich der 31-jährige Dachauer eigentlich nur auf der Bühne, wenn er Musik macht und spürt, dass die Leute ihm zuhören. Für die Süddeutsche Zeitung gestaltet er nun zum zweiten Mal das jährliche Benefizkonzert des Adventskalenders für gute Werke, diesmal am 19. Dezember. Dessen Erlös kommt hilfsbedürftigen Menschen im Landkreis zugute. Ein Gespräch darüber, wie persönlich ein Song sein kann, wo Musik am meisten hilft - und warum er selbst nie aus seiner Heimatstadt wegziehen möchte.

SZ: Sowohl für das Benefizkonzert der Süddeutschen Zeitung als auch für das Projekt Sternstunden des Bayerischen Rundfunks widmen Sie ihre Musik einem guten Zweck. Sehen Sie darin die eine Aufgabe von Musik?

Sascha Seelemann: Ich finde, dass Musik immer einen Zweck erfüllen sollte. Sie sollte Gefühle auslösen, gerade jetzt in der Weihnachtszeit. Ich kann mir etwas Gutes tun, weil ich einen neuen Song schreibe - und gleichzeitig allen Zuhörern.

SZ: Fast immer geht es in diesen Songs um Familie und Beziehungen. Ist das ihrer Meinung nach der Ort, an dem Menschen am verletzlichsten sind? An dem Musik am meisten helfen kann?

Ich versuche, meine Texte immer so zu schreiben, dass sie jeder versteht und sie gleichzeitig total persönlich sind. In dem Lied, das wir im vergangenen Jahr für "Sternstunden" geschrieben haben, ging es um Kinder, denen es ganz schlecht geht, die aber trotzdem Superhelden sind. Ich weiß nicht, ob das in Wirklichkeit so ist wie in dem Song, aber ich habe versucht, mich in die Kids hineinzuversetzen, die den ganzen Tag im Krankenhaus liegen und trotzdem das Lachen nicht verlieren.

Ihre Lieder sind häufig sehr persönlich. Haben Sie nie Hemmungen, so viel über ihr Privatleben preiszugeben?

Nö. Ich bin dann am besten, wenn ich über die Dinge schreibe, die ich selbst erlebt habe - ich schreibe Songs über Dinge, die wehtun. Bei "Grizzlies" geht es um meine Beziehung, bei dem Lied über meinen Papa geht es darum, dass er mir zeigt, dass er mich liebt, indem er Sachen für mich repariert. Die Single zu diesem Song erscheint nächstes Jahr.

Benefizkonzert

Beim SZ-Benefizkonzert im vergangenen Jahr gingen die Besucher mit einem Lachen nach Hause - dieses Jahr soll es ein wenig besinnlicher werden.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Dann war der Auftritt im vergangenen Jahr also ein Vorgeschmack auf das, was man von Ihnen musikalisch in Zukunft erwarten kann?

Ja, ich dachte mir, dass das ein Song ist, den ich unbedingt dann rausbringen will, wenn ein Label am Start ist. Deswegen freu ich mich wahnsinnig auf dieses Jahr, wenn das Ding endlich rauskommt.

Wann wird das sein?

Es wird nächstes Jahr wahrscheinlich alle acht Wochen einen neuen Song von mir geben. Auf Spotify, das ist ja inzwischen die neue Strategie.

Nun haben Sie gesagt, es ist Ihnen egal, dass Sie in diesen Songs so viel Privates mit der Öffentlichkeit teilen. Macht es Ihnen gar nichts aus, wenn die Leute um Sie herum so viel über Sie wissen, vor allem in einer Kleinstadt wie Dachau?

Ne, das Gerede über mich als Person überträgt sich nicht durch meine Songs. Das habe ich ja zum Glück im Griff. Aber wenn man in Dachau eine Freundin hat, hier irgendwie Ärger ist und sich das in der Öffentlichkeit abspielt, ist das der größte Fehler, den man machen kann. Das ist vielleicht auch schon jedem mal passiert, der in einer Kleinstadt lebt - weil jeder über jeden redet. Und so auch Freundschaften zu Bruch gehen. Tatsächlich werde ich genau darüber nun auch einen Song schreiben. Aber ich glaube nicht, dass das durch meine Musik passiert. Die Leute, die mich gut kennen, kennen die Songs ja alle. Da habe ich überhaupt keine Angst. Der Seelemann ist bisher ja auch eher oberflächlich aus dem Radio bekannt, und nicht als Musiker.

Im vergangenen Jahr haben Sie viel Zeit in Berlin verbracht. Wo fühlen Sie sich freier - in der vertrauten Heimatstadt oder der anonymen Großstadt?

Ich habe Berlin tatsächlich nur als Musikort wahrgenommen, das war für mich nie ein Ort der Glückseligkeit, zum Feiern, ich hatte keinen Freundeskreis in Berlin. Wenn ich dort ein paar Jahre wohnen würde, könnte ich vielleicht sagen, dass diese Großstadt mich viel mehr anzieht als eine Kleinstadt wie Dachau. Aber da ich ein total verwurzelter Heimscheißer bin, würde ich sagen, dass mir Dachau die größte Freiheit gibt. Weil hier meine Familie ist. Wahrscheinlich werde ich hier auch immer bleiben, egal was kommt. Gerade in dieser ganzen Medienwelt, mit Radio und Musik, ist das ein guter Puffer.

Ist der Radiomoderator Seelemann eigentlich eine andere Person als der Musiker Seelemann?

Nein, das würde ich nicht sagen. Ich habe mir selbst immer vorgenommen - sowohl als Radiomoderator als auch als Musiker - authentisch zu sein. Einen Unterschied erkennen die Menschen sowieso nicht. Die Leute aus Dachau, die Radio hören, finden es oft einfach nur cool, dass sie die Stimme kennen. Der Inhalt und wie man etwas transportiert, das ist denen wirklich egal. Die meisten Leute können nicht mal wiederholen, was ich im Radio gesagt habe. Die sagen dann nur: "Das ist saucool, dass du da zu hören bist." Das war's.

Benefizkonzert

Sascha Seelemann, 31, schreibt sehr persönliche Texte

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Freut es Sie, wenn Sie Leute erkennen und auf der Straße ansprechen?

Ja, das passiert aber auch nur in Dachau. Früher waren Radiomoderatoren ja die großen Stars, und mittlerweile ist es einfach nur ein Job. Es spielt keine große Rolle mehr. Aber ich glaube, die Leute, die mich nicht kennen, würden trotzdem sagen, dass ich ein arroganter Typ bin, weil ich eben im Radio bin.

Sind Sie denn auf der Bühne derselbe Mensch wie abseits der Bühne?

Nein. Wenn ich auf der Bühne sitze, mit meinen Songs, dann kann ich alles fallen lassen. Dann bin ich richtig frei.

Sie sind auf der Bühne mehr Sie selbst, als Sie es sonst in Ihrem Leben sind?

Ja, auf jeden Fall. Also ich bin immer ein Entertainer, ein Clown und stehe gerne im Mittelpunkt, das gebe ich auch zu. Aber wenn ich, wie bei dem SZ-Benefizkonzert im vergangenen Jahr, am Flügel sitze, und jeder wirklich zuhört, die Leute wirklich still sind - etwas, wo andere Leute vielleicht Angst bekommen - da bin ich echt bei mir.

Welches Programm haben Sie sich für das Benefizkonzert in diesem Jahr überlegt?

Letztes Jahr wollte ich, dass wir nicht zu besinnlich und weihnachtlich werden, sondern dass man mit einem Lachen aus dem Konzert geht. Deswegen haben wir in diesem Jahr wieder die "Grizzlies" mit dabei, das ist ja meine Band, mit der wir nicht nur Balladen spielen, sondern auch Blues und Soul, der ans Herz geht. Da gab es letztes Jahr ja Standing Ovations. Wir haben Ben Davidson, der ein tolles Soloprojekt gestartet hat und bisher noch nicht so viel davon gezeigt hat. Dann gibt es den jungen Popchor aus München Süd unter der Leitung von Ilona Seufert, die letztes Jahr auch den Kinderchor geleitet hat. Dreißig Leute, die einfach a capella singen, das kann total berühren. Ich werde meine Solo-Nummern spielen. Und ich dachte mir, warum erzählt nicht mal jemand eine Weihnachtsgeschichte? Das wird Bens Papa machen.

Es wird also weihnachtlicher als im vergangenen Jahr?

Ja, das kann man so sagen.

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