Erinnerungskultur:Botschafter eines besseren Dachaus

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Anja Schuller-Müller vom Kreisjugendring hat seit diesem Jahr die Projektleitung inne. (Foto: Toni Heigl)

Vom 29. Juli bis 11. August findet die Internationale Jugendbegegnung zum 41. Mal statt. Ihr Ziel: Nach zwei Wochen sollen die 80 Teilnehmer aus 15 Nationen in ihre Heimatländer zurückkehren und eine andere Perspektive auf die Stadt vermitteln.

Von Helmut Zeller, Dachau

"Die Welt zu Gast in Dachau" - das Motto der Internationalen Jugendbegegnung (IJB) von 1991, es war die neunte, gilt heute noch. Zur 41. Jugendbegegnung in diesem Jahr kommen etwa 80 Jugendliche und junge Erwachsene aus 15 Nationen, darunter aus Katar, Indien und Australien; die 16 bis 26 Jahre alten Teilnehmer kommen auch aus Europa, der Türkei, Frankreich, Polen, Spanien, Italien, Deutschland und vielen Ländern mehr . "Erinnern - Begegnen - Verstehen- Zukunft gestalten" - so lautet die Leitlinie des Trägerkreises, der sich aus dem Kreisjugendring Dachau, dem Förderverein für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit und der Katholischen Jugend zusammensetzt.

Von Dachau aus überzog Hitlerdeutschland ganz Europa mit dem KZ-Terror. Heute tragen die Teilnehmer der Jugendbegegnung von Dachau aus die Botschaft von einem friedlichen Miteinander, der Völkerverständigung und Wahrung der Menschenrechte über Ländergrenzen hinweg. Wer diese Zukunft will, muss "Erinnern" und "Verstehen", warum geschehen ist, was geschah - und es bedarf der Begegnungen von Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven, in denen Neugierde, Toleranz und Offenheit gegenüber Neuem wachsen können. Dafür steht die Internationale Jugendbegegnung.

Die neue Projektleiterin heißt Anja Schuller-Müller

Die Projektleitung liegt in diesem Jahr in den Händen von Anja Schuller-Müller vom Kreisjugendring. Aufgrund ihres Studiums der Altertumswissenschaften und ihrer langjährigen Erfahrung als Referentin der KZ-Gedenkstätte Dachau will sie einen besonderen Fokus auf die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart legen. "Es ist mir wichtig, speziell bei jungen Menschen ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Demokratien keine Selbstläufer sind und aktiv gestaltet werden müssen, um bestehen zu bleiben", betont Schuller-Müller. Der Grundgedanke der Jugendbegegnung ist ihr, wie sie sagt, extrem wichtig, weil es nicht nur beim Wissen aus Büchern über die Geschichte des Konzentrationslagers und des Nationalsozialismus bleiben darf. Zentral sei der Austausch unter den Teilnehmern, das direkte Miteinander. Ihr zur Seite steht ein 20-köpfiges Team aus - ebenfalls internationalen - freiwilligen Helfern.

Es geht um Erinnerungskultur und Gegenwartstransfer

Ein besonderer Fokus liegt diesmal auf der Einrichtung der frühen Konzentrationslager 1933, die sich zum 90. Mal jährt. In der ersten der beiden Wochen vom 29. Juli bis 11. August im Max Mannheimer Haus sind Workshops wie "Early Concentration Camps", "Propaganda in the Third Reich" oder "Documenting Holocaust" geplant. Umrahmt werden diese von Besuchen der KZ-Gedenkstätte, aber auch von weiteren historisch bedeutenden Orten wie dem ehemaligen "SS-Schießplatz Hebertshausen" oder dem Gelände des früheren "Kräutergartens", der SS-Plantage. Außerdem lernen die Teilnehmer in einer Tagesexkursion das ehemalige Außenlager Kaufering kennen. In der zweiten Woche stehen Erinnerungskultur und Gegenwartstransfers im Mittelpunkt. Beispielsweise haben die Teilnehmenden die Möglichkeit sich für die Workshops "Culture of remembrance", "Antisemitism in Europe and its history" oder "Why it matters" anzumelden.

Einen Höhepunkt bilden wie jedes Jahr die Gespräche mit Zeitzeugen. Andrea Heller, Geschäftsführerin des Fördervereins Internationale Jugendbegegnung, hat bisher Zusagen von den Shoah-Überlebenden Ernst Grube, Präsident der Lagergemeinschaft Dachau, von Boris Zabarko, Historiker und Präsident der Allukrainischen Assoziation der Jüdischen KZ- und Ghettoüberlebenden, sowie von Natan Grossmann, in Lodz geboren, und Anastasia Gulei aus Kiew, die beide Auschwitz überlebt haben. Weitere Zeitzeugen sind angefragt.

Wie ihre Vorgängerinnen beklagt Schuller-Müller das geringe Interesse Jugendlicher aus Dachau und dem Landkreis an der Internationalen Jugendbegegnung. Sie will jetzt noch an Schulen in Dachau und im Landkreis Werbung machen, Anmeldeschluss ist der 20. Juli. Alle Teilnehmer aus dem Dachauer Landkreis seien herzlich willkommen und hätten die Möglichkeit, das Programm vergünstigt ohne Unterbringung zu buchen oder verkürzt teilzunehmen.

Zur Erfolgsgeschichte der IJB gehören auch Biergartenbesuche

Bei aller ernsthaften Auseinandersetzung mit den Fragen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bietet das Programm genug Freizeit - für Ausflüge oder Biergartenbesuche zum Beispiel. Das alles gehört zur Erfolgsgeschichte der Internationalen Jugendbegegnung - genauso wie dort entstandene Liebesbeziehungen: Wie die Erzdiözese München und Freising über die Jugendbegegnung im vergangenen Jahr berichtet hat, haben sich auch die Eltern einer 19-jährigen Teilnehmerin vor vielen Jahren auf der IJB kennengelernt: "Es ist so cool zu wissen, dass sie hier die Liebe ihres Lebens getroffen haben und ich jetzt hier bin."

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