Süddeutsche Zeitung

Integration:Vokabeln zur Verständigung

Wie ehrenamtliche Helfer und Profis Flüchtlingen die deutsche Sprache beibringen und versuchen, sie in die Gesellschaft zu integrieren. Fragen und Antworten

Interview von Anna-Sophia Lang, Dachau

- Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Das betonen Politiker aller Ebenen, Wohlfahrtsverbände und Flüchtlingshelfer gleichermaßen gebetsmühlenartig. Tatsächlich aber wird der Großteil der Deutschkurse für Asylbewerber von Ehrenamtlichen geleistet. Staatliche Angebote sind rar, doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und die Bundesagentur für Arbeit beginnen langsam mit der Öffnung der Kurse für mehr Flüchtlinge. Die Lage ist unübersichtlich, vieles ist im Umbruch. Deshalb hat die SZ zusammengefasst, wo und wie Asylbewerber im Landkreis Deutsch lernen können und wer eigentlich die Kosten trägt.

Welche Arten von Deutschkursen gibt es im Landkreis?

Die Asylhelferkreise in den jeweiligen Landkreisgemeinden geben ehrenamtlich Deutschkurse. An der Volkshochschule (VHS) Dachau gibt es Integrationskurse, in denen die Teilnehmer nicht nur Deutsch lernen, sondern auch Landes- und Sozialkunde haben. Der mehrstufige Kurs wird mit einem Einbürgerungstest und einem Sprachtest abgeschlossen. Die VHS Dachau ist bislang der einzige Träger im Landkreis, der Integrationskurse anbietet. An der Berufsschule Dachau lernen Asylbewerber im berufsschulpflichtigen Alter in speziellen Integrationsklassen Deutsch.

Wer hat Zugang zu diesen Kursen?

Kostenlose Integrationskurse bekommt nur, wer bereits als Flüchtling anerkannt ist. Dann ist der Kurs sogar verpflichtend. Wessen Asylverfahren also noch läuft, der kann nur Deutsch lernen, wenn Ehrenamtliche Kurse umsonst anbieten. Einige Asylbewerber aus dem Landkreis fahren nach München, dort gibt es zum Beispiel kostenlosen Unterreicht beim Verein "Deutsch für Flüchtlinge". Immer mehr Asylbewerber lernen mit Smartphone-Apps. Außerdem gibt es im Landkreis Flüchtlinge, die zwar noch nicht offiziell Asyl erhalten haben, aber bereits arbeiten und einen Integrationskurs aus eigener Tasche bezahlen. Dieser kostet 250 Euro für 100 Unterrichtsstunden. Seit November haben allerdings Asylbewerber aus Syrien, Irak, Iran und Eritrea in ganz Deutschland die Möglichkeit, an Integrationskursen teilzunehmen, bevor ihre Asylverfahren abgeschlossen sind. Es sind die vier Nationalitäten mit der höchsten Bewilligungsquote bei Asylanträgen. Im Landkreis nehmen allerdings nur wenige der Flüchtlinge aus diesen Ländern an den Integrationskursen teil, denn für dieselben Nationalitäten gibt es seit Mitte November auch Deutsch-Einsteigerkurse. Sie sind auf Teilnehmer ohne Vorkenntnisse ausgerichtet und daher besonders geeignet für die Asylbewerber. Die Nachfrage, sagt Anita Engelbrecht von der VHS Dachau, sei sehr hoch gewesen. 100 000 Kursplätze gibt es deutschlandweit, auf den Landkreis entfallen 150. Vier Kurse mit 83 Teilnehmern bietet die VHS Dachau an, das Berufliche Fortbildungszentrum (BFZ) der Bundesagentur für Arbeit Dachau bietet zusätzliche 20. Auch die VHS Bergkirchen will einen Deutsch-Einsteigerkurs einrichten. Fast alle Syrer, Iraker, Iraner und Eritreer aus dem Landkreis, schätzt Engelbrecht, haben dann einen Platz in einem Deutschkurs. Damit sie finanziell gefördert werden, müssen die restlichen Kurse noch im Dezember anfangen.

Von wem werden die Kurse finanziert?

Die Kosten für Integrationskurse übernimmt das Bamf, die Deutsch-Einsteigerkurse werden aus der sogenannten Interventionsreserve der Bundesagentur für Arbeit finanziert.

Wie lange dauern sie?

Integrationskurse finden vier bis fünf Mal wöchentlich statt und umfassen pro Tag vier Unterrichtsstunden. Insgesamt bestehen sie aus sechs Stufen zu je 100 Unterrichtsstunden. Darauf folgt ein Orientierungskurs mit erneut 60 Stunden. Auch die Deutsch-Einsteigerkurse finden täglich statt und laufen bis Ostern. Danach sollen die Teilnehmer in neu zu schaffende Integrationskurse übergeleitet werden. Ob nach Ostern die nächsten Einsteigerkurse beginnen können, steht laut Andreas Bräutigam, Leiter der Agentur für Arbeit Dachau, "in den Sternen".

Was ist mit Kindern und Jugendlichen?

Die Asylbewerber im Landkreis sind vor allem erwachsene, junge Männer. Familien mit Kindern sind nur wenige dabei. Kleine Kinder gehen in die Kindergärten und Grundschulen, ältere in die Übergangsklassen der Mittelschulen oder in die sechs Integrationsklassen der Berufsschule Dachau. Besonders Grund- und Mittelschulen machen sich allerdings Sorgen, denn mit ihrem Personal können sie die sprachliche Integration der jungen Flüchtlinge kaum leisten. Eine Besonderheit des Landkreises sind vier Einsteigerkurse für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF), die Mitte November an der VHS Dachau gestartet sind und täglich stattfinden. Sie sind auf Initiative des Landratsamts entstanden und werden vom Landkreis finanziert, der die Kosten wiederum vom Sozialministerium erstattet bekommt. 37 der rund 70 UMF im Landkreis nehmen daran teil. Sie sind zwischen 14 und 17 Jahre alt. Etwa die Hälfte kann nicht lesen und schreiben. Die Kurse sind auf sechs Monate angelegt, werden aber unter Umständen um weitere sechs Monate oder ein ganzes Jahr verlängert. Einige UMF besuchen außerdem die Integrationsklassen der Berufsschule.

Wer macht den Unterricht?

Bei den Helferkreisen kann unterrichten, wer Lust und Zeit dazu hat. Die Karlsfelder Helfer etwa suchen neue Ehrenamtliche, die sich im Deutschunterricht engagieren möchten. Berufliche Vorkenntnisse, zum Beispiel als Lehrer, müssen nicht sein, sind aber hilfreich. Häufig gibt es in den Helferkreisen Ansprechpartner, die schon Erfahrung mit Deutschkursen für Asylbewerber haben und neue Ehrenamtliche unterstützen. Wer Integrationskurse halten will, braucht bestimmte Qualifikationen. Allerdings werden so viele neue Dozenten gebraucht, dass die Anforderungen vom Bamf bereits gesenkt wurden. "Der Markt ist leer", sagt Anita Engelbrecht. Ein Hochschulabschluss, etwa in Deutsch als Fremdsprache, Germanistik, Sozialpädagogik, Psychologie, Erziehungswissenschaften oder Übersetzung ist Pflicht. Außerdem braucht man eine zusätzliche Ausbildung des Bamf, die inzwischen als Kurzschulung bei der VHS absolviert werden kann. Auch für die Deutschkurse sucht die VHS neue Dozenten. Eine gewisse berufliche Qualifikation sollte vorhanden sein. So sind viele der bisherigen Dozenten etwa Lehrer in Elternzeit oder Pension.

Wie geht es weiter?

Anfang 2016 sollen neue Alphabetisierungskurse und Deutsch-Einsteigerkurse anlaufen, sie sollen vom Kultusministerium und vom Ministerium für Arbeit und Soziales gefördert werden. Auch die Bundesagentur für Arbeit will zusätzliche Programme auflegen, in die dann vor allem berufsqualifizierende Elemente eingebaut werden. Vertreter aus Kommunalpolitik, Bildungsträgern und Helferkreisen im Landkreis fordern, dass die Angebote institutionalisiert und für alle Asylbewerber geöffnet werden, also nicht nur für Syrer, Iraker, Iraner und Eritreer zugänglich sind.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2015
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