Integration in Dachau:Erkundungen in der neuen Heimat

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Jeder Kurs endet mit einer Bastelstunde: Dabei können die Frauen, wie hier im Bürgertreff Ost, Erfahrungen austauschen und sich besser kennenlernen. (Foto: Toni Heigl)

Zehn geflüchtete Mütter aus dem Kosovo, Serbien oder dem Irak erwerben in einem neuen Kurs nötiges Wissen über den Alltag in Bayern. Die Frauen sollen auf diesem Weg auch aus der Isolation geholt werden

Von Petra Schafflik, Dachau

Sie stammen aus dem Kosovo, aus Serbien oder Moldawien, leben seit wenigen Monaten oder schon einige Jahre in Dachau, sind berufstätig oder kümmern sich um ihre Kinder. So unterschiedlich ihre Wege sind, jetzt eint zehn Frauen der gemeinsame Wunsch, mehr zu erfahren über ihre neue Heimat und gleichzeitig ihre Deutschkenntnisse zu festigen und zu erweitern.

Jeden Donnerstag kommen sie deshalb in den Bürgertreff Ost zu einem Kurs, der sich explizit an Frauen mit Migrationshintergrund und Asylbewerberinnen wendet. Gerade erklärt Referentin Szilvia Jördens die Bedeutung der Feiertage im Advent und der Weihnachtszeit. Die Frauen, alle Mütter, lauschen konzentriert, schließlich spielen die Geschichten und Bräuche rund um Sankt Martin, Nikolaus, Weihnachten oder die Heiligen Drei Könige in Kindergärten und Schulen eine Rolle, prägen die Tradition oder als gesetzlicher Feiertag auch den gesellschaftlichen Alltag. "Ich möchte, dass alle verstehen, was beispielsweise im Krippenspiel im Kindergarten passiert", erklärt Jördens.

Wie wichtig es ist, Eltern und auch gerade Mütter mit ausländischen Wurzeln stärker zu erreichen für Informationsangebote rund um das Thema Schule und Bildung, das wurde auch im Asyl- und Integrationsbeirat des Landkreises deutlich. Im Herbst 2018 wurde ein erster Bericht "Integration im Landkreis Dachau - Schlüsselfaktoren Bildung und Arbeit" vorgestellt. Genau diese Lücke füllt die vom bayerischen Innenministerium unterstützte Kursreihe "Leben in Bayern", die jetzt an drei Standorten im Landkreis schon läuft. Das Seminar soll praktische Tipps und alltagstaugliches Wissen bieten vor allem zur Bildung, Erziehung, Gesundheit, Arbeitsmarkt. Auch Exkursionen und Stadtrundgänge sind vorgesehen. Im Landkreis wird die Kursreihe organisiert vom Dachauer Forum in Kooperation mit der Grundschule Ost, dem Bürgertreff Ost, der Volkshochschule und dem Helferkreis Karlsfeld.

Ziel ist es, gerade Frauen aus ihrem häuslichen Umfeld herauszuholen, sie aufmerksam zu machen auf Bildungs- und Beteiligungsmöglichkeiten. Das Angebot ist inzwischen ein Erfolg. Doch ein Selbstläufer war es zu Beginn erst einmal nicht, erinnert sich Kursleiterin Jördens. Ein Flyer erzeugte kaum Resonanz. Persönliche, direkte Ansprache, das war schließlich der Schlüssel zum Erfolg. Jördens ging in Unterkünfte, an der Grundschule Ost sprachen Pädagogen direkt Mütter auf das Seminar an. "Wir haben auch bei der Anmeldung geholfen", sagt Schulleiterin Andrea Noha. Das Angebot lobt die Rektorin ausdrücklich, "weil es niederschwellig ist und Ängste abbaut". Die Schule unterstützt auch ein kürzlich initiiertes Elterncafé im Bürgertreff, das ebenfalls Familien mit Migrationshintergrund ansprechen soll.

Zum wöchentlichen Treffen im Kurs "Leben in Bayern" können die Mütter ihre Kleinkinder, die noch keine Kita oder Schule besuchen, mitbringen. Während sich die Frauen austauschen, Neues erfahren und lernen, betreut Kulturdolmetscherin Fadimana Serin in einer Spielecke die Kleinsten. "Das schafft Vertrauen und vermittelt das Gefühl, gut aufgehoben zu sein", betont Jördens, die den Teilnehmerinnen mit ihren unterschiedlichen Lebensläufen über ihre Mutterrolle ein Gefühl von Gemeinschaft vermitteln möchte. Ein Kursbuch für das Seminar gibt es, doch Jördens interpretiert die Themen lebensnah, geht auf Fragen ein, legt persönliche Schwerpunkte, will Selbstsicherheit geben. "Sie sollen wissen, worauf es ankommt, etwa wenn es um Schulbildung und Berufswahl der Kinder geht."

Weil auch lockere Gespräche wichtig sind, schließt Leiterin Szilvia Jördens jede Stunde mit einem Bastelangebot; dabei können die Frauen Erfahrungen austauschen und persönliche Kontakte vertiefen.

Ein umfangreiches Angebot, das offenbar ankommt. So hat die 23-jährige Ayla schon einen Sprachunterricht absolviert. "Aber hier kann ich üben", erklärt sie. Eine dreifache Mutter aus dem Irak, die schon lange hier lebt, möchte einfach andere Mütter kennenlernen. Alle Themen - von Mülltrennung über Verkehrsregeln, die Rolle der Frau in der Gesellschaft bis zu den Feiertagen und ihrer Bedeutung - seien interessant, findet die Frau.

Auch Violeta hat bereits im Kosovo eine Sprachschule besucht. Aber hier im Kurs, betont die dreifache Mutter, "lerne ich noch viel über Bayern."

© SZ vom 16.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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