Inklusion:Modelldorf Schönbrunn

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Die exklusive Einrichtung für Behinderte soll sich in ein Vorzeigeprojekt der Inklusion verwandeln. Das "Sondergebiet" wird zu einem normalen Ort, in dem auch Menschen ohne Handicap leben.

Von Wolfgang Eitler

Der Röhrmooser Bürgermeister Hans Lingl (Freie Wähler) spricht von einem Durchbruch. Markus Tolksdorf, Geschäftsführer des Franziskuswerks für geistig behinderte Menschen in Schönbrunn, von einem Meilenstein. Die Regierung von Oberbayern hat Lingl und Tolksdorf offiziell mitgeteilt, dass der Ort als Teil der Gemeinde Röhrmoos "Zuschüsse des Landes für städtebauliche Planungen und Forschungen" erwarten darf. Der Betrag von etwa 40 000 Euro spielt dabei die geringste Rolle. Entscheidend ist die rechtlich verbindliche Zusage, die mit diesem Zuschuss verbunden ist. Schönbrunn gilt nicht mehr als "Sondergebiet" für behinderte Menschen, die in Heimen unterzubringen sind. Es soll sich zu einem ganz normalen Dorf entwickeln. Erst jetzt kann das Franziskuswerk die Idee der Inklusion auch tatsächlich umsetzen. Also eines gemeinsamen Lebens von behinderten und nichtbehinderten Menschen, wie es die UN-Konvention vorsieht.

Die Regierung schraubt die Erwartungen an das Franziskuswerk und an Röhrmoos enorm in die Höhe. Denn in dem Bescheid heißt es, dass der Freistaat sich ein Programm mit "Modellcharakter für andere Einrichtungen dieser Art" erwartet. Explizit listet Baudirektorin Hannelore Höllerer in einer Ergänzung zur offiziellen Stellungnahme Attel, Herzogsägmühle und Steinhöring auf. Sie erwartet, dass sich Schönbrunn zu einem "Modelldorf der Inklusion" entwickelt. Schönbrunn soll also zum bayerischen Testfall dafür werden, wie sich exklusive Einrichtungen für Behinderte mit dörflichem Charakter so wandeln sollen, dass Menschen ohne Behinderung, vor allem Familien, gerne dorthin ziehen.

Die UN-Konvention,die auf eine umfassende Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben zielt, setzt Einrichtungen wie das Franziskuswerk massiv unter Druck. Maßgebliche Behindertenverbände fordern bereits die Auflösung solcher dörflich geschlossenen Standorte. Tolksdorf und mit ihm Bürgermeister Lingl sollen versuchen, den umgekehrten Weg als realisierbar und wünschenswert darzulegen. Dann verlassen Behinderte nicht mehr Schönbrunn, weil der Ort so attraktiv wird, dass Menschen ohne Behinderung gerne dorthin ziehen.

Dabei soll der neu gewählte Gemeinderat mit Lingls Nachfolger Dieter Kugler (CSU) mit dem Franziskuswerk in mehreren Schritten ein gemeinsames Konzept entwickeln. Noch wird Schönbrunn durch große Heimbauten geprägt. Solche Häuser dürfen nach den Vorgaben der UN-Behindertenkonvention nicht mehr genehmigt werden. In einem ersten Schritt müssen Mandatsträger, Landkreis Dachau und Bürger die Entwicklungschancen des Standorts erörtern. In einem zweiten wird die Bausubstanz erfasst. Und in einem dritten Schritt soll in einem städtebaulichen Ideenwettbewerb geklärt werden, wie die großen Heimbauten durch moderne, kleinere Baukörper ersetzt werden können. In denen soll dann ein inklusives Wohnen von Behinderten und Nichtbehinderten möglich sein. Baudirektorin Höllerer rechnet mit einem "Pilotprojekt für den Konversionsprozess einer Groß- und Komplexeinrichtung".

"Die Zeit dafür ist reif", sagt Noch-Bürgermeister Hans Lingl, der sein Amt offiziell am 1. Mai an Dieter Kugler übergibt. Damit meint er die Situation im ganzen Landkreis. Das Thema Inklusion ist in das Leitbild des Landkreises unter dem Titel "Dorf und Metropole" aufgenommen worden. Die Gemeinde Röhrmoos hat sich ein maßvolles Wachstum vorgenommen, in dem ein Zuzug nach Schönbrunn sinnvoll erscheint.

Das Franziskuswerk hat unter der Führung von Markus Tolksdorf bereits damit begonnen, die gesamte Infrastruktur zu verbessern. Das alte Gasthaus wurde neu gestaltet. Außerdem entsteht ein Begegnungs- und Kulturzentrum. Franziskuswerk und Gemeinderat Röhrmoos müssen seiner Ansicht nach nun Antworten auf die maßgebliche Frage finden: "Wie kann man Schönbrunn so attraktiv machen, dass die Menschen hierherziehen?" Die Nähe zur S-Bahn spricht seiner Ansicht nach dafür. Dazu die Infrastruktur einer Einrichtung, die vom Kindergarten bis zur Betreuung von Senioren reicht. Er arbeitet mit seinem Team bereits an einem Konzept, wie die Mobilität auch zum S-Bahnhof verbessert werden kann.

© SZ vom 24.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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