Initiative für Abfallvermeidung:"Wir produzieren viel zu viel Verpackungsmüll"

Pappbecher für Heißgetränke

Jeder Einwohner im Landkreis Dachau produziert jährlich enorme 268 Kilogramm Verpackungsmüll.

(Foto: dpa)

220,5 Kilogramm Verpackungsabfall pro Kopf und Jahr in Deutschland, im Landkreis sind es noch mehr. Eine Initiative hält dagegen.

Von Maximilian Kiessl

An Appellen zur Müllvermeidung hat es in den vergangenen Jahren nicht gefehlt - ihr Erfolg jedoch ist eher mäßig. Die aktuellen Zahlen des Müllaufkommens im Landkreis Dachau mit mehr als 150 000 Bewohnern legen jedenfalls diesen Schluss nahe. Jeder Einwohner produziert demnach jährlich enorme 268 Kilogramm Verpackungsmüll.

Das liegt noch weit über den 220,5 Kilogramm pro Kopf und Jahr, die vom Umweltbundesamt für das Jahr 2016 in Deutschland errechnet worden sind. Im Vergleich dazu lag der Verbrauch in der EU 2015 bei 167,3 Kilogramm pro Kopf. Das will die Umweltschutzorganisation "Zero Waste" gründlich ändern. Auch im Landkreis Dachau gäbe es Sarah Schneider und Benedikt Raitmeir zufolge Möglichkeiten zuhauf, um Müll zu vermeiden. Die zwei sind Mitglieder des Dachauer Ablegers der Initiative "Zero Waste". Sie empfehlen außerdem Läden in der Stadt, in denen die Konsumenten müllsparend einkaufen können.

Das Problem: Plastik wird kaum recycelt

18,16 Millionen Tonnen Verpackungsabfall fielen in Deutschland 2016 an. Seitdem steigt die Zahl weiter an, ein Ende ist nicht in Sicht. In der öffentlichen Debatte ist derzeit vor allem Plastik ein Thema - ausgelöst durch schockierende Bilder verschmutzter Strände und riesiger Müllstrudel im Meer. Pro Kopf ging der Plastik-Verpackungsmüll bei Privatpersonen sogar etwas zurück auf 24,9 Kilogramm pro Kopf und Jahr - 2015 waren es noch 25 Kilogramm. Das Problem dabei: Plastik wird kaum recycelt, nur acht Prozent werden wiederverwertet, der Rest wird verbrannt, landet auf Deponien oder gleich in den Meeren. Angesichts einer Zersetzungszeit von Plastik, die bei etwa 450 Jahren liegt, sind die Folgen für Mensch, Tier und Natur katastrophal.

Sarah Schneider, die im September vergangenen Jahres die Dachauer Gruppe der Initiative "Zero Waste" mitgegründet hat, erklärte auf der Mitgliederversammlung des Bundes Naturschutz in Dachau: "Wir sind keine Modeerscheinung." Die Initiative wolle langfristig etwas bewirken. "Kein Müll ist besser als Müll." Ein einfacher wie klarer Satz, der treffend die Philosophie der Bewegung "Zero Waste" zusammenfasst. Was möglich ist, wenn man versucht mit allen Mitteln Müll zu vermeiden, zeigt sich am Beispiel von Bea Johnson. Die Französin gilt als die Erfinderin der "Zero Waste"-Philosophie. Der gesamte jährliche Abfall ihrer Familie passt in ein einziges Einmachglas.

"Wir produzieren viel zu viel Verpackungsmüll"

Nun muss man es mit der Müllvermeidung natürlich nicht so extrem handhaben, betonen Sarah Schneider und Benedikt Raitmeir, es gehe eher darum, bewusster zu konsumieren und Müll zu vermeiden, wo es möglich ist. Die 34-jährige Schneider und ihre kleine Familie praktizieren die Abfallvermeidung schon recht erfolgreich: Zum Metzger nimmt Sarah Schneider ihr eigenes Gefäß mit, statt Plastik- verwendet die Familie Bambuszahnbürsten, das Gemüse wird in der Ökokiste geliefert. Ihre dreiköpfige Familie kommt so auf nur noch 100 Gramm Plastik- und 200 Gramm Restmüll pro Woche.

Das würde Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes, freuen. "Wir produzieren viel zu viel Verpackungsmüll - ein trauriger Spitzenplatz in Europa. Das ist schlecht für die Umwelt und für den Rohstoffverbrauch. Zunächst müssen wir das Recycling und den Rezyklateinsatz weiter stärken, um Ressourcen zu schonen. Und vor allem müssen wir Müll vermeiden, auch schon in der Produktionsphase durch den Verzicht auf unnötige und unnötig materialintensive Verpackungen. Außerdem sollten Mehrwegsysteme gestärkt werden, die klare ökologische Vorteile gegenüber Einwegverpackungen haben", erklärt die Expertin. Die Bundesregierung hofft nun auf die Wirkung des neuen Verpackungsgesetzes, das Januar 2019 in Kraft getreten ist. Demnach muss noch mehr recycelt werden. Hersteller müssen Lizenzgebühren für ihre Verpackungen und deren Entsorgung zahlen, und zwar umso mehr, je schwerer sich eine Verpackung recyceln lässt.

20 Menschen haben sich der Intiative "Zero Waste" angeschlossen

Bei den Naturschützern im Schützensaal des Gasthofs "Drei Rosen" in Dachau rannten die beiden Mitglieder von "Zero Waste" natürlich offene Türen ein. Schließlich hatte die Ortsgruppe des Bundes Naturschutz die junge Organisation anfangs "unter ihre Fittiche genommen" und nach Kräften gefördert, wie Sarah Schneider betonte. Aber auch den Naturschützern konnten die beiden praktische Tipps zur Müllvermeidung geben: "Refuse, reduce, recycle." Hinter jedem der Schlagworte steckt ein Schritt auf dem Weg zur effizienten Müllvermeidung. "Refuse" bedeutet beispielsweise auf überflüssige Dinge zu verzichten. Dazu gehören Plastiktüten beim Einkaufen genauso wie Kugelschreiber als Werbegeschenke, die nach zweimaliger Benutzung auf Nimmerwiedersehen in der Schublade und schließlich der Abfalltonne verschwinden.

Im zweiten Schritt - "Reduce" - verringert der Konsument die Anzahl der Dinge, die er braucht - wirklich braucht, nicht diejenigen, die ihm von der Werbung eingeflüstert werden. Das geht zum Beispiel, indem man Lebensmittel wie Butter und Joghurt selbst herstellt. Aber man kann auch Gegenstände ausleihen oder tauschen und unverpackte Produkte kaufen. Einen klassischen "Unverpackt-Supermarkt" gibt es in Dachau und Umgebung jedoch nicht. Aber Hof- und Naturkostläden bieten oft regionale und verpackungsfreie Lebensmittel an. Auch wenn man Getränke, Milch, Sahne oder Joghurt in Pfandgläsern kauft oder von Duschgel und Flüssigseife auf feste Seife umsteigt, verringert sich der Haushaltsmüllberg spürbar. Schneider ist überzeugt: "Zero Waste" sei alltagstauglich.

Die Initiative, der sich inzwischen knapp 20 Dachauer angeschlossen haben, hält vierteljährlich Stammtische ab, den nächsten am 21. Mai im Kochwirt, und sie plant weitere Veranstaltungen, am 10. Mai im Ludwig-Thoma-Haus. Dann soll ein breiteres Publikum mit einem Ideenmarkt zur Müllvermeidung über "Zero Waste" informiert werden.

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