Markt Indersdorf:"Tante Emma steht für Solidarität"

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Präsentieren den Tante-Emma-Laden in Indersdorf: (v. l.) Roland Hamberger, Bürgermeister Franz Obesser, Hubertus Schulz, Landrat Stefan Löwl und Nicole Hamberger. (Foto: Niels P. Jørgensen)

In Indersdorf und Hebertshausen können sich Geflüchtete aus der Ukraine in extra errichteten Läden mit Spenden versorgen. Doch die Shops sollen nicht nur Umschlagplätze für Waren sein, sondern auch Orte des Trostes.

Von Sophia Roth, Markt Indersdorf/Hebertshausen

Im Tante-Emma-Laden in der Bauhofhalle in Ampermoching herrscht großer Andrang. Es ist der Dienstagnachmittag vor Ostern. Frauen und Kinder durchstöbern Kisten und Kartons voller Spielsachen, Geschirr, Kleidung und Schuhe. Sie laufen durch die aus Biertischgarnituren, Regalen und Kleiderstangen gestellten Gänge, dazwischen stehen Fahrräder, Kinderwägen, auch eine Spielküche.

Die große Spendenbereitschaft für die Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fliehen mussten, hält an. Das kann man sehen hier in Hebertshausen, aber auch in Markt Indersdorf. In den beiden Kommunen haben Helfer Tante-Emma-Läden für Geflüchtete eröffnet, die im Dachauer Land untergekommen sind.

"Tante Emma 2.o" in Indersdorf soll auch ein Treffpunkt sein

Acht Helferinnen und Helfer sind zu den Öffnungszeiten in der Ampermochinger Bauhofhalle, über einen Doodle-Kalender kann man sich dafür melden. Sie unterstützen, wenn die Ukrainer Hilfe im Laden benötigen - meist aber suchen sich diese selbst die Sachen aus. Die Kisten sind mit ukrainischen Bezeichnungen beschriftet. Eine Umkleidekabine mit Spiegel gibt es auch. Der Tante-Emma-Laden in Hebertshausen hat seit etwa fünf Wochen geöffnet, viele Gesichter kenne man inzwischen schon, aber jetzt kämen viele Neue und es sei deutlich mehr los als am Anfang, berichtet Helferin Christina Kölbl. "Tante Emma 2.0", wie der Laden in Markt Indersdorf heißt, hat am Karfreitag eröffnet.

In Hebertshausen sind die Kisten mit ukrainischen Bezeichnungen beschriftet. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Idee dazu entstand nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021. Dort wurden Tante-Emma-Läden zu Umschlagplätzen für Spenden an die Menschen in Not. Gleichzeitig konnten sich die Hilfesuchenden dort direkt versorgen. Der Ainhofener Elektrotechnikermeister Roland Hamberger ist seit vielen Monaten beim Wiederaufbau der Gemeinden entlang der Ahr im Einsatz und hat geholfen, den dortigen Tante-Emma-Laden einzurichten. "Tante Emma steht für Solidarität, Zusammengehörigkeit und Menschlichkeit", sagt er.

Aus dem Spendenverteilzentrum wurde schnell ein Ort der Begegnung, des gegenseitigen Trostes. Hamberger und die anderen freiwilligen Helfer aus Markt Indersdorf und Umgebung gründeten eine Hilfsinitiative für den Katastrophenschutz - seit Dezember 2021 sind sie nun ein Verein, der deutschlandweit Unterstützung leistet: Indersdorf-hilft.

Vor wenigen Tagen haben die Helfer den Schlüssel für die ehemalige Parfümerie in der Ludwig-Thoma-Straße 28 in Markt Indersdorf erhalten - die Räumlichkeiten werden ihnen von der Firma Gailer Haustechnik zeitweise zur Verfügung gestellt. Der Name des Ladens: "Tante Emma 2.0". Spenden von Privatpersonen und Herstellern aus der Region sowie Lebensmittel, Hygieneprodukte, Tierfutter, aber auch Spielzeug und Schuhe stehen in den Regalen. Im Hinterzimmer parken Fahrräder, die Hubertus Schulz vom Asyl-Helferkreis Indersdorf herrichten wird - Fahrradkurse möchte er auch anbieten: "Das ist wichtig für die Mobilität und Unabhängigkeit der Flüchtlinge", sagt er. Kleidung und Haushaltswaren gibt es jedoch nicht, das biete der Rotkreuzladen in Markt Indersdorf an - man wolle keine Konkurrenz aufbauen, sondern sich gegenseitig ergänzen, sagt Nicole Hamberger. Auch im Tante Emma 2.0 soll es die Möglichkeit geben, sich zu treffen, sich zu unterhalten und sich zu vernetzen - ukrainische Kinder sollen hier auch zusammen spielen dürfen. Auch bei Behördengängen und bei der Arbeitssuche möchten die Helfer unterstützen.

"Man muss die Hilfsbereitschaft richtig leiten, um auch richtig zu helfen."

Den Spendenbedarf kommuniziert der Verein "Indersdorf hilft" in den sozialen Medien über Facebook, die Öffnungszeiten des Ladens werden dort und im Schaufenster bekannt gegeben. Ähnlich läuft es auch in Hebertshausen ab: In drei Whatsapp-Gruppen mit je 250 Empfängern wird der konkrete Bedarf direkt an die Bürger weitergegeben, die Spenden können im Tante-Emma-Laden in der Halle des Bauhofs im Ortsteil Ampermoching dienstags und donnerstags von 16 bis 18 Uhr abgegeben werden. Bürgermeister Richard Reischl (CSU), gelernter Elektrotechnikermeister, hat im vergangenen Jahr ebenfalls im Ahrtal geholfen, stellte im dortigen Tante-Emma-Laden die Licht- und Stromversorgung wieder her. Im Gegensatz zum Laden in Markt Indersdorf werden im Laden in Ampermoching nur Kleidung und Haushaltsartikel angenommen. "Ich freue mich über die große und ungebremste Hilfsbereitschaft, aber man muss diese richtig leiten, um auch richtig zu helfen", sagt Reischl.

Das Helferteam im Tante-Emma-Laden in Hebertshausen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Aus der Erfahrung im Ahrtal habe er gelernt, dass nicht alles gelagert und gekühlt werden könne, so Reischl. Stattdessen hat die Gemeinde Hebertshausen den Geflüchteten aus der Ukraine zunächst Gutscheine für Lebensmittel und Hygieneprodukte ausgestellt, ehe die staatlichen Hilfsmittel sie erreicht haben. Auch habe man sich schnell zusammengesetzt und einen detaillierten Plan ausgearbeitet, wie am gezieltesten geholfen werden könne, erzählt Reischl - von der Homepage bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit, dem Laden und einem Schwarzen Brett für Wohnungsanzeigen und Stellenausschreibungen. Im nächsten Schritt gehe es nun darum, Deutschkurse, Schulklassen und Spielgruppen zu organisieren. "Wir wissen leider nicht, wie lange der Kriegszustand anhalten wird, deshalb arbeiten wir so, dass wir mindestens ein Jahr Hilfe sicherstellen können."

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