Süddeutsche Zeitung

Demo in Indersdorf:In einer Mannschaft mit Rechtsextremen

Den Indersdorfer Demonstranten muss klar sein, dass sie mit ihrem Protest Corona-Leugnern und Rechtsextremen helfen, die Gesellschaft weiter zu spalten.

Kommentar von Thomas Radlmaier

Es macht wütend, dass in Indersdorf Menschen mitten in einer pandemischen Notlage gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen. Was muss noch passieren? Corona-Kranke kämpfen auf der Intensivstation des Dachauer Krankenhauses ums Überleben. Die meisten sind ungeimpft. Fast täglich kommen neue Fälle hinzu. Die Bundeswehr musste jüngst zwei Dachauer Covid-Patienten in andere Bundesländer ausfliegen. 162 infizierte Landkreiseinwohner sind inzwischen gestorben. Gleichzeitig protestieren in Indersdorf hunderte Demoteilnehmer gegen eine mögliche Impfpflicht. Obwohl es erwiesen ist, dass Impfen Leben rettet. Die Demonstranten halten außerdem weder Mindestabstand ein noch tragen sie Masken, trotz zuletzt explodierender Inzidenzen. Sie verhöhnen damit nicht nur die Mehrheit, die alle Maßnahmen befolgt, sondern auch die vielen Todesopfer und deren Angehörige.

Die Demonstranten schreiben sich "Friede, Freiheit, Demokratie" auf die Fahnen. Demokratie. Ausgerechnet sie, die es nicht für nötig halten, ihre Demo anzumelden. Die es nicht für nötig halten, demokratische Spielregeln zu achten, wie der Indersdorfer Bürgermeister richtig sagt. Das ist entweder dreist oder dumm. Es stimmt wohl, dass die Aktion in Indersdorf hauptsächlich von besorgten Bürgern ausging, die ihren Unmut zum Ausdruck bringen wollen. Diese sind keine Corona-Leugner und schon gar nicht rechtsextrem. Doch ihnen muss klar sein, dass sie mit ihrem Protest eben jenen Corona-Leugnern und Rechtsextremen helfen, die Gesellschaft weiter zu spalten.

Die Polizei darf nicht zuschauen

Diese warten doch nur auf eine solche Gelegenheit, damit sie ihr demokratiezersetzendes Virus unter dem Deckmantel der Bürgerlichkeit verbreiten können. Sie versuchen bereits, die Bewegung in Indersdorf zu kapern. Davon zeugen die Schmierereien am Marktplatz und unzählige Kommentare auf Facebook. Den besorgten Bürgern, die an der Demo in Indersdorf teilnahmen und am kommenden Sonntag teilnehmen wollen, muss bewusst sein, dass sie mit Demokratiefeinden in einer Mannschaft spielen.

Es besteht die Gefahr, dass die Protestaktion am Sonntag mehr Zulauf von der rechten Szene bekommt. Und die Polizei? Die gibt den Teilnehmern der mit Ansage unangemeldeten Demo einen Freifahrtsschein. Das ist ungefähr so, als würden Einsatzkräfte der Feuerwehr vor einem brennenden Haus stehen und sagen: Da lässt sich nichts machen. Die Polizei muss diese Versammlung auflösen, wenn sie in den kommenden Tagen nicht mehr offiziell angemeldet wird. Sie muss die Leute dann - mit Augenmaß - dazu auffordern, nach Hause zu gehen. Alles andere würde Rechtsextreme und Corona-Leugner nur noch mehr ermutigen.

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Quelle:
SZ vom 10.12.2021
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