Auszeichnung:Polnisches Außenministerium ehrt Anna Andlauer

Auszeichnung: Anna Andlauer bei der Eröffnung des "Wegs des Erinnerns" in Markt Indersdorf.

Anna Andlauer bei der Eröffnung des "Wegs des Erinnerns" in Markt Indersdorf.

(Foto: Toni Heigl)

Die Historikerin erhält die Medaille "Bene Merito" für ihr unermüdliches Engagement zum Gedenken an die jüngsten NS-Opfer.

Von Thomas Radlmaier, Markt Indersdorf

In diesen Tagen blickt Anna Andlauer mit Entsetzen und Trauer auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Ausgerechnet die Ukraine, meint die Indersdorfer Historikerin. "Ein Land, das im Zweiten Weltkrieg so entsetzlich durch die deutschen Truppen zerstört und ausgeblutet wurde."

Zwischen 1939 und 1945 deportierten die Deutschen bis zu zehn Millionen Menschen aus Ländern, die von der deutschen Armee besetzt waren - vor allem aus Polen, aber auch der Ukraine - ins "Deutsche Reich" und zwangen sie zur Arbeit. Während die Nationalsozialisten in den ersten Kriegsjahren schwangere Zwangsarbeiterinnen noch in deren Heimatland zurückschickten, waren sie später auf deren Arbeitskraft angewiesen. Gebaren die Frauen ein Kind, mussten sie dieses in Kinderbaracken geben, von Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, zynisch "Ausländerkinderpflegestätten" genannt. Tatsächlich waren diese oft nicht mehr als Bruchbuden, menschenunwürdige Orte, wo die Babys verhungerten. Eine dieser Kinderbaracken stand in Markt Indersdorf. Im letzten Kriegsjahr starben hier mindestens 35 Kinder, die meisten wurden nur wenige Tage oder Wochen alt. Allein 15 kamen aus der Ukraine.

"Hier in Indersdorf haben wir die Kleinkinder osteuropäischer Zwangsarbeiterinnen nicht vergessen"

Noch am Donnerstagabend schickte Andlauer auch im Namen des Indersdorfer Heimatvereinsvorsitzenden Toni Wagatha eine Mail an das ukrainische Generalkonsulat in München, um der Ukraine "vollste Solidarität" zuzusichern. "Hier in Indersdorf haben wir die Kleinkinder osteuropäischer Zwangsarbeiterinnen nicht vergessen", schreibt Andlauer. "Diese jüngsten Opfer des Nationalsozialismus mahnen uns: Nie wieder Krieg!"

Die Historikerin Anna Andlauer erforschte jahrelang die Geschichte der Kinderbaracke und holte deren vergessene Opfer zurück ins öffentliche Bewusstsein. Auf ihre Initiative hin eröffnete die Marktgemeinde Indersdorf im vergangenen Jahr den "Weg des Erinnerns". Der Feldweg führt vom Kindergarten Sankt Vinzenz, wo einst die Kinderbaracke stand, zum heutigen Bezirksfriedhof an der Maroldstraße, wo die toten Säuglinge begraben wurden. Fünf Infotafeln erinnern an das Schicksal der Kleinkinder, die in der Baracke starben, sowie an das der Waisenkinder, die nach dem Krieg im Kinderzentrum im Kloster Indersdorf unterkamen.

"Hochverdiente Auszeichnung"

Für ihr unermüdliches Engagement zum Gedenken an die jüngsten Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hat Anna Andlauer nun die Medaille "Bene Merito" erhalten, die höchste Ehrenmedaille des polnischen Außenministeriums. In einer Zeremonie im polnischen Generalkonsulat in München würdigte Generalkonsul Jan M. Malkiewicz Anna Andlauers "Beitrag zur Völkerverständigung und die Verdienste für die deutsch-polnischen Beziehungen".

Landrat Stefan Löwl (CSU) gratuliert Anna Andlauer zu dieser, wie er meint, "hochverdienten" Auszeichnung: "Das beeindruckende und von einer starken Überzeugung getragene Engagement von Anna Andlauer für die Erinnerungskultur und Völkerverständigung bringt nicht nur die schrecklichen, unmenschlichen Taten ins Bewusstsein, sondern verbindet auch Menschen und schafft Raum für Dialog, der heutzutage wichtiger ist denn je", so Löwl.

Anlässlich der Preisverleihung im polnischen Generalkonsulat tauschten sich Vertreter von Initiativen aus, die sich in Bayern mit den "Kinderbaracken" beschäftigen. "Dieses Treffen trägt bereits die ersten Früchte", heißt es in einer Mitteilung. In Labertal soll ein Weg des Erinnerns" nach dem Vorbild Indersdorfs geschaffen werden.

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