Improvisationstheater:Die Kunst des Improvisierens

Die Spieldosen

Dem Münchner Improvisationstheater gelingt es, mit seinem Programm "Alte Schule - neuer Stoff" mal wieder das Publikum aktiv in die Darbietung einzubinden. Das Ergebnis sind unterschiedlichste Szenarien, vorgetragen voller Leidenschaft und Esprit.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

In der Alten Schule Lauterbach führt das Publikum Regie. Die Münchner Schauspielgruppe "Spieldosen" macht aus diesen Weisungen ein Stück voller Gefühl, Witz, und kreativen Wendungen und schafft ein interaktives Erlebnis für Jung und Alt

Von Renate Zauscher

Normalerweise hat das Publikum im Theater nichts mitzureden. Je nach Gefallen eines Stücks oder einer Inszenierung kann es zwar mit mehr oder auch weniger Beifall reagieren, es kann auch mal mit Buh-Rufen seinen Gefühlen Ausdruck verleihen oder im schlimmsten Fall nach der Pause einfach gehen - ansonsten aber ist das Reden denen vorbehalten, die oben auf der Bühne stehen.

Ganz anders sieht das beim Improvisationstheater aus. Hier ist die aktive Teilnahme der Zuschauer nicht nur gefragt, sondern ein absolute Notwendigkeit: Die Schauspieler warten schließlich auf die Stichworte, mit denen das Publikum die Entwicklung der Handlung bestimmt.

Optimal ist solch ein interaktives Theaterspiel natürlich im kleinen, familiären Rahmen, wo Hemmungen der Zuschauer gar nicht erst aufkommen und sich sogar der ein oder andere unter ihnen auch mal selber auf die Bühne wagt. Die Alte Schule Lauterbach bietet genau dies: einen kleinen Saal, der vielleicht fünfzig, sechzig Leute fasst und für Spielsituationen wie den Auftritt der "Spieldosen" am vergangenen Samstag perfekt ist.

Das Programm des Münchner Improvisationstheaters war ganz auf den Ort des Geschehens zugeschnitten. "Alte Schule - Neuer Stoff" hatte die Schauspiel-Truppe ihr Programm an diesem Abend genannt. "Neuer Stoff" deshalb, weil die sieben Laien-Schauspieler auch im Vorjahr schon einmal in Lauterbach waren und diesmal wieder neue Ideen mitbrachten. Jeweils einer im Team übernimmt bei ihren Auftritten die Moderation; diesmal fiel diese Rolle Vishad Noris zu.

Im Nu gelang es ihm, das Publikum zum Mitmachen zu bewegen: Er fragte nach Lieblingsgerichten, Lieblingsfarben und Lieblingshobbies - und schon war man mitten in der ersten Szene, in der Jens Bühring sich in überzeugend realistischer Körperhaltung auf ein imaginäres Motorrad schwingt.

Um zwischenmenschliche Kommunikation ging es im direkt nachfolgenden Stück : Laut Publikumsregie sollten Gefühle wie Hass und Liebe, Neid und Trotz, Freude und Traurigkeit dargestellt werden. Aus diesen Zutaten entstand spontan eine köstliche Miniatur ehelichen Miteinanders, das beim gemeinsamen Spaghetti-Kochen harmlos beginnt, sich über Wutausbrüche und eine Eifersuchtsszene temperamentvoll steigert - um am Ende schließlich doch noch mit dem schönen Satz zu enden: "Was wäre die Liebe ohne Hass und Wut?"

Die Kunst der Schauspieler besteht darin, blitzschnell zu reagieren, kreative Wendungen ins Geschehen einzubauen und aus den Zurufen des Publikums geistesgegenwärtig Pointen zu entwickeln. Die "Spieldosen" beherrschen das Metier.

Ob Jens Bühring oder Dorothee Bertsch, Riccardo Schubert oder Anke Teyerl, Eva Lier, Sarah Hillebrand oder Vishad Noris: Sie können aus einem hingeworfenen Wort, einer Idee des Publikums spontan unterschiedlichste Situationen voller Witz und Esprit entstehen lassen. So etwa beim Spiel dreier Teams, von denen das erste eine Szene entwickelt, das nächste Paar diese pantomimisch nachspielt - und ein drittes den ihm zunächst unbekannten Inhalt erraten und selber spielerisch umsetzen muss. "Schwimmbad" lautete in diesem Fall das Stichwort des Publikums - ein Ort, der sich bestens eignet für einen köstlichen Diskurs zwischen Bademeister und Schwimmerin. Auch wenn das Erraten des Szeneninhalts problemlos klappte: Jedes Paar gab dem Dialog mit je eigenen Einfällen zusätzlichen Witz.

Auch die Musik spielt bei den "Spieldosen" eine wichtige Rolle: Da ist vor allem Ingo Kellner, der am Klavier schwungvoll improvisiert und auch mal spontan gereimte Gesangseinlagen musikalisch begleitet.

Die Schauspieler aus München, die rund ein Dutzend Mal im Jahr öffentlich auftreten und sich sonst wöchentlich beim Üben treffen, hatten in Lauterbach mindestens ebenso viel Spaß wie ihr Publikum.

Selbst ein halbes Dutzend Kinder im Krippen- oder Kindergartenalter spielte mit, rief eigene Vorschläge auf die Bühne oder beobachtete das Geschehen mit großen Augen und sichtlichem Interesse. Sehr entspanntes Lauterbacher Lebensgefühl eben! "Das hier, das ist etwas ganz Herzlich-Eigenes", sagte der Schauspieler Jens Bühring, "und deshalb kommen wir auch so gern hierher."

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