Im Internet präsent:Kommunalpolitik online

Bürgermeister und auch der Landrat wollen da sein, wo die Menschen sind. Also auch in den sozialen Netzwerken. Dort müssen sie sich immer wieder gegen Gerüchte und Fake News wehren

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Im Internet präsent: Die Welt ist auf Facebook. Das soziale Netzwerk hat aber auch eine hässliche Seite. Mit Hasskommentaren und Fake News müssen sich auch Kommunalpolitiker zunehmend befassen.

Die Welt ist auf Facebook. Das soziale Netzwerk hat aber auch eine hässliche Seite. Mit Hasskommentaren und Fake News müssen sich auch Kommunalpolitiker zunehmend befassen.

(Foto: Niels P. Jörgensen)

Das soziale Netzwerk Facebook verbindet Menschen aus allen Ecken der Welt - aber es verbreitet auch Hass, Vorurteile, Beleidigungen und Fake News. Auch in der Facebook-Filterblase des Landkreises Dachau liest man immer wieder mehr als fragwürdige Kommentare, die verunglimpfen, vorverurteilen oder gegen ganze Bevölkerungsgruppen pöbeln. Erst kürzlich hat ein Richter am Dachauer Amtsgericht eine 41-Jährige wegen Volksverhetzung zu einer empfindlichen Geldstrafe verurteilt. Die Frau hatte auf Facebook einen Zeitungsartikel kommentiert und Flüchtlinge pauschal als Diebe und Vergewaltiger diffamiert. Mit dem Aufkommen sozialer Netzwerke hat sich auch die Arbeit von Kommunalpolitikern verändert. So mancher könnte getrost darauf verzichten, geht aber nicht, sonst würde er Gefahr laufen, von den Menschen - und Wählern - abgehängt zu werden.

Im Internet präsent: Der Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU).

Der Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU).

(Foto: Toni Heigl)

Einige Bürgermeister aus dem Landkreis und auch Landrat Stefan Löwl (CSU) pflegen eigene Facebook-Profile. Sie posten Bilder, Videos oder geben wieder, was Kreistagsausschüsse oder Gemeinderäte beschlossen haben. Sie informieren damit täglich Menschen darüber, was sich in den Kommunen abspielt. Aber das ist noch die andere Seite: Teilweise müssen sie vieles richtig stellen, das jemand bewusst oder unbewusst falsch wiedergegeben hat. Richard Reischl, 41, ist Bürgermeister der Gemeinde Hebertshausen. Der CSU-Politiker ist sehr aktiv auf Facebook. Mehrmals täglich loggt er sich mit dem Handy oder am PC ein, um Beiträge zu teilen oder in Debatten Stellung zu beziehen. Oft verlinken ihn andere User unter Zeitungsartikeln oder schreiben ihn persönlich an, wenn sie Fragen haben. "Richard Reischl weißt du, was da los ist? Oder: Richard Reischl, was hältst du davon? Oder: Richard Reischl, was tust du da?" Solche Nachrichten bekommt er zu jeder Tages- und Nachtzeit. Reischls Verhältnis zu Facebook ist gespalten. Das soziale Netzwerk sei "Fluch und Segen" zugleich, sagt er. "Man kann Menschen gut informieren. Aber Themen lassen sich zu einfach vermischen."

Zum Beispiel: Gerade mal acht Minuten steht ein Beitrag über die Schließung einer Schulturnhalle online. Dann ploppt ein Kommentar auf - eigentlich weniger ein Kommentar als eine hasserfüllte Tirade gegen Migranten, eines der bevorzugten Themen vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Hetzdebatte der Politik über Flüchtlinge. Eigentlich ging es darum, dass die Stadt Dachau wegen einer Giftstoffbelastung die Turnhalle schließen musste. Aber auf Facebook wird gemotzt, dass überall Hortplätze fehlten, Städte und Gemeinden aber auf die Schnelle Unterkünfte für Asylsuchende errichten lassen würden - angeblich, denn die Realität sieht anders aus.

Bürgermeister Reischl

Richard Reischl, Bürgermeister in Hebertshausen.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Einer wie Richard Reischl muss da eingreifen. Nicht jeder Platz sei für Kinderbetreuung geeignet, für Asyl aber schon, und dann erklärt er die Unterschiede. Ob's wirklich angekommen ist, das weiß Reischl nicht. Aber was soll er sonst tun? Sachliche Informationen gegen Falschbehauptungen und Gerüchte - das ist auch das Konzept des Landrates Stefan Löwl, allerdings nicht in der Intensität, wie Reischl das macht.

Der Landrat betreibt seine Facebook-Seite selbst. Dafür greift er in der Regel zum Handy, wenn er zwischen zwei Terminen im Auto sitzt. Meistens postet er Bilder von Terminen im Landkreis, die er besucht hat wie zuletzt, als er mit Bürgermeistern die neue S-Bahn am Dachauer Bahnhof einweihte. Oder er weist auf kommende Veranstaltungen hin. Löwl will informieren, was im Landkreis passiert. Er glaubt, als Kommunalpolitiker müsse man dahin gehen, "wo die Leute sind". Und die seien eben unter anderem auch in sozialen Netzwerken aktiv.

Doch da ein Landrat auch noch andere Dinge zu tun hat, als den ganzen Tag die Facebook-Timeline hinunter zu scrollen, verzichtet er darauf, auf seiner Seite aktuelle politische Themen zu behandeln. Schließlich müsste man dafür aktiv dranbleiben und mitdiskutieren, sagt er. "Das schaffe ich nicht." Dafür fehle die Zeit. Hinzu komme, dass bei Diskussionen auf Facebook oft Argumente verkürzt werden oder falsch verstanden werden. Das sei auch das Problem, wenn man gegen die Fülle an falschen Behauptungen auf Facebook vorgehen wollte, sagt er. "Man kann die Komplexität unserer Welt schlecht auf Facebook-Format runterbrechen." Das würde einen riesigen Aufwand bedeuten. "Der Kampf gegen Fake News ist daher schwierig." Er selber versuche, vereinzelt bei Gerüchten aufzuklären, etwa wenn Facebook-Nutzer darüber spekulieren, ob im Karlsfelder See jemand ertrunken sei, nur weil sie in der Nähe einen Hubschrauber am Himmel gesehen habe, sagt Löwl. "Ich teile dann aktiv Informationen von offiziellen Stellen wie der Feuerwehr oder Wasserwacht."

Nur hilft es eben nicht immer. Ob Erschließungskosten für Anlieger einer Straße, ob der geplante Bau eines Hauses für Obdachlose in Dachau - ein paar Minuten später steht ein Post auf Facebook: "Tja die meisten sind selbst schuld, sich nicht helfen lassen, zu faul zum arbeiten, Schule abgebrochen, Alk, Drogen ...". Im Schutz der Anonymität verbreiten manche Zeitgenossen ungehemmt ihren menschenverachtenden Unsinn. Das bedrückt auch Kommunalpolitiker.

Für Reischl gehört es daher dazu, dass er als Bürgermeister auf Facebook präsent ist. "Ich habe nicht nur die Aufgabe, meine Gemeinde zu vertreten, sondern bin auch zuständig für Gepflogenheiten wie Moral und Anstand." Insofern rede er Menschen ins Gewissen, wenn sie beleidigen, beschimpfen oder hetzen.

So ähnlich macht das auch Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Doch für den Sozialdemokraten, der seine Facebook-Seite wie der Landrat selbst pflegt, ist der Kampf gegen Fake News in sozialen Netzwerken - zumindest auf überregionaler Ebene - einer gegen Windmühlen. "Es war noch nie so einfach, Fake News zu verbreiten. Man kommt gar nicht hinterher, alles richtig zu stellen", sagt er. Er selbst schalte sich ein, wenn er Dinge sehe, die jemand falsch dargestellt habe. Doch was Hartmann auch festgestellt hat: Es gebe oft auch Facebook-Nutzer, die selbst aktiv werden und Behauptungen korrigieren, sagt er. Vorbildhaft ist da die Gruppe "Dachauer Ratsch", die auf Facebook konsequent gegen Unwahrheiten vorgeht und schon auch mal jemanden aus ihrer 6000 User umfassenden Facebookgruppe ausschließt, wenn er glaubt etwa ungehindert Rassismus verbreiten zu können.

Gleichwohl haben Beiträge von Kommunalpolitikern mehr Gewicht, wenn es darum geht, falsche Behauptungen als solche zu enttarnen oder eine Diskussion zu entschärfen, die aus dem Ruder gelaufen ist. Richard Reischl hätte, wie er sagt, jedenfalls "Gewissensbisse", wenn er nicht auf Facebook wäre. Und er nutzt das Medium auch geschickt: Vor zwei Tagen postete er einen Brandbrief gegen die unmenschliche Asylpolitik seiner Parteiführung. Das Echo war gewaltig.

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