Süddeutsche Zeitung

Reise zum Mars:Völlig losgelöst

Er liebt Star Wars und Science-Fiction: Der Dachauer Robert Schröder ist in der engeren Auswahl für eine Reise zum Mars - ohne Rückflugticket.

Von Julian Erbersdobler

Minus 55 Grad. Überall nur Sand und Steine. Robert Schröder schaut eine Zeit lang aus dem Fenster, reibt sich die kleinen Augen, staunt. Und wenn er sich dann endlich aus der Kapsel traut und die ersten Schritte macht, sollen es diese sein: "Ich werde irgendwo hochklettern und mich um 360 Grad umschauen."

Er träumt von einem einzigartigen Panorama. Von Gefühlen, die noch niemand anderer erlebt hat. Der Augenblick werde sehr emotional werden, "weil man sich auf diesen einen Moment so lange vorbereitet hat". Noch ist es nur ein Szenario. Ein Tagtraum, der Ende des Jahres aber immer realistischer werden soll.

In der Top-Ten-Liste

Das meint auch der Guardian, als er ihn vor wenigen Tagen in eine Top-Ten-Liste aufnimmt: Robert Schröder, Student, Single, 27, ist einer der zehn aussichtsreichsten Kandidaten für ein One-Way-Ticket zum Mars. Verrückte Welt. Von den 100 verbliebenen Bewerbern ist er der einzige Deutsche, der auch hier wohnt, in Darmstadt. "In der letzten Woche war deswegen ganz schön was los", sagt Schröder.

Erschöpft, aber glücklich. Radiosender, Zeitungen, Internetportale. Und jetzt sogar der Auftritt bei TV Total. Medienarbeit habe er vor der letzten Auswahlrunde auch schon gemacht, aber nicht in diesem extremen Umfang, sagt er.

"Die wollen mich hier auf der Erde behalten"

Einmal hat ihn Antenne Bayern zu einem Radio-Special eingeladen. Bengel sucht Engel. Schröder lacht. Der gebürtige Dachauer hat keinen Engel gefunden, aber "vielleicht kommt ja noch eine Nachricht". Eher nicht. Die Verkupplungsversuche würden ihn nicht umstimmen. Wenn es schon seine Eltern nicht schaffen. Ihr Kontakt sei gut, die Situation dagegen "belastend". Schröder: "Die wollen mich natürlich hier auf der Erde behalten."

Es fällt ihm nicht leicht, darüber zu sprechen. Viel lieber redet er über das Projekt: Mars One. Und darüber wie alles angefangen hat. Mit einem einminütigen Youtube-Video als Bewerbung. Aber eigentlich schon viel früher: mit seinem Interesse an Science-Fiction, Star Wars und Skywalker.

Mehr als 200 000 Bewerbungen

Dann bewirbt er sich also 2013 bei Mars One, einer privaten niederländischen Stiftung, die von 2025 an den Mars besiedeln will, ohne Rückflugoption. Es gehen mehr als 200 000 Bewerbungen ein, die Anmeldegebühr: ein paar Dollar. Keiner nimmt ihn ernst. Er kommt weiter. Runde für Runde, bis unter die letzten hundert Kandidaten. 24 , also sechs Vierer-Teams, werden - vermutlich von Herbst an - für die nächste Runde ausgesucht. Und Schröders Chancen stehen nicht schlecht.

Der 27-Jährige studiert in Darmstadt Elektrotechnik und arbeitet freiwillig beim Technischen Hilfswerk. Dass er eigentlich ein gebürtiger Bayer ist, hört man ihm nicht an. Geboren ist Schröder in Dachau, aufgewachsen in Unterschleißheim. Nach zwei Umzügen und seinem Fachabitur zieht er alleine nach Jülich in Nordrhein-Westfalen, um sich als Physiklaborant ausbilden zu lassen. Danach geht es nach Darmstadt. Dort bricht er erst ein Studium ab und findet dann aber sein Glück an der Hochschule: Die Elektrotechnik ist es.

Projekt ohne Rückflugoption

Die nächste Station wäre dann der Mars. Schröder steht zu 100 Prozent hinter dem Projekt, manchmal wächst es ihm auch ein bisschen über den Kopf. Er liebe das Badmintonspielen, müsse aber, besonders in letzter Zeit, öfter darauf verzichten. "Und das Studium macht sich auch nicht von alleine." Trotzdem zweifelt er nicht an sich selbst. Und auch nicht an der Ernsthaftigkeit des Projekts.

Hätte er ein Kind, würde die Marsmission für ihn nicht in Frage kommen. Aus ethischen Gründen. Ist es denn ethisch vertretbar, das Projekt ohne Rückflugoption anzubieten? "Ja, weil jeder selbst entscheiden kann, ob er sich auf diese Bedingung einlässt oder nicht", sagt Schröder. Der Student hält die vermeintliche Krux sogar für unentbehrlich: Mit Rückflugoption könne dort oben schon aus Prinzip keine Siedlung entstehen.

Big Brother is watching you

Hinter aller Kritik an Mars One steckt meistens ein Argument: die Umsetzbarkeit. Doch auch in diesem Zusammenhang gibt sich Schröder überzeugt. "Wenn Mars One die Raketen und das Zubehör selbst bauen würde, hätte ich Zweifel." Mars One sei aber lediglich Auftraggeber, die Produktion ist Sache externer Firmen, erklärt er. Und auch um den straffen Zeitplan mache er sich keine Sorgen. In zehn Jahren soll das erste Team Richtung roter Planet aufbrechen.

Die nächste Auswahlrunde wird Ende des Jahres sein: ein zweiwöchiger Teamwettkampf. Über den genauen Termin entscheide eine internationale TV-Produktionsfirma, nicht Mars One, sagt Schröder. Dann sollen die Kandidaten gefilmt werden. Big Brother is watching you. Ob ihn das stören wird? "Ne. Am Ende entscheiden ja schließlich auch die Zuschauer, wer hochfliegt."

Vor dem Hochfliegen werden die qualifiziertesten Kandidaten ausgebildet, und zwar zehn Jahre lang. Ein Fulltime-Job also, den der 27-Jährige unbedingt haben möchte. "Da wird man als Generalist ausgebildet." Man müsse oben alles sein: Mediziner, Elektrotechniker, Chemiker und auch Psychologe, wenn es im Team Stress gibt. Alles bekommen werde man auf dem Mars dagegen nicht, sagt er. Das saftige Steak zum Beispiel. "Oben ist man erst einmal Veganer." Aber auch darauf soll man in der Ausbildung vorbereitet werden.

Ein anderes Wort für Aufzugfahren

Oben. Das könnte bei ihm auch einfach ein anderes Wort für Aufzugfahren sein. Das geht doch auch, irgendwie.

Mars One hat Robert Schröders Leben schon jetzt verändert. Positiv. Er schätzt vor allem die vielen neuen Kontakte und Freundschaften. Immer wieder sagt er, dass es bei dem Projekt in erster Linie um Teamwork gehe. Der Student lässt sich deshalb auch nicht einfach als "Verrückter" abstempeln. Wörter wie Himmelfahrtskommando hört er genauso ungern. "Die schicken uns da nicht einfach in den sicheren Tod." Vor dem Start werde es ausreichend unbemannte Missionen geben, "die mit den gleichen Raketen landen und Lebenserhaltungsmodule und Material hochbringen."

Eine Essensliste - für den Fall der Fälle

Sein Traum vom Mars lebt weiter. Und er lässt ihn sich nicht mehr ausreden. Auch nicht von der Liebe seines Lebens? "Im Moment kann ich mir das nicht vorstellen", sagt er und lacht. Eine Liste mit Dingen, die er auf der Erde noch erleben muss, gibt es auch nicht, zumindest nicht auf dem Papier. Ein paar Sachen würden ihm da aber schon einfallen. Die Welt erkunden. Schöne Wracks abtauchen. Und eine Essensliste soll es auch geben, die er im Fall der Fälle abarbeiten könnte.

Klingt eigentlich bodenständig. Und trotzdem würde ihn nicht nur Yoda aus Star Wars fragen wollen: "Wenn so mächtig ihr seid, warum dann schon gehen?"

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Quelle:
SZ vom 21.03.2015
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