Süddeutsche Zeitung

Im Dachauer Land:Hoffen auf den großen Wurf

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Ein Gutachten belegt: Umfahrungen entlasten nur den Ortskern von Gemeinden, aber eine großflächige Verkehrsverlagerung bringen sie nicht. Landrat Löwl sagt: "Wir brauchen mehr Fläche für die Mobilität

Von Robert Stocker, Dachau

Die Einwohnerzahl des Landkreises Dachau wächst und wächst, der Verkehr auf den Straßen nimmt ständig zu. Doch wohin mit den Blechlawinen, die die Gemeinden im Hinterland, vor allem aber Dachau und Karlsfeld belasten? Die Kommunen haben dazu Vorschläge gemacht, die in einem Gutachten untersucht worden sind. Die Ergebnisse liegen seit 20. Juli vor, die Gemeinderäte sollen jetzt darüber beraten. Das Fazit der Untersuchungen: Umfahrungen entlasten lediglich den Ortskern von Gemeinden, eine großflächige Verkehrsverlagerung bringen sie nicht. Sie haben auch keine Auswirkungen auf den Verkehr, der durch Dachau und Karlsfeld fließt.

Das Gutachten geht von einem Verkehrsaufkommen aus, mit dem im Jahr 2030 im Landkreis gerechnet wird. Bis dahin werden auf jeden Fall die Südumfahrung von Indersdorf, der vierspurige Ausbau der B 471 von Olching bis Fürstenfeldbruck und der vierspurige Ausbau der A 92 realisiert. "Wenn wir außer den neuen Straßen, die im Bundesverkehrswegeplan ohnehin schon vorgesehen sind, keine weiteren Straßen bauen, werden wir den Verkehr nicht mehr stemmen können", ist Landrat Stefan Löwl (CSU) überzeugt. Doch viele Maßnahmen, die Gemeinden vorschlagen, bringen nur eine punktuelle Entlastung. Zum Beispiel eine neue Auffahrtrampe zur B 471 bei Neuhimmelreich. Sie würde zu einer Entlastung von Gröbenried und Mitterndorf führen, brächte aber eine hohe Belastung für Günding. Eine östliche Ortsumfahrung von Ampermoching entlastet zwar den Ortskern vom Durchgangsverkehr, würde aber den Verkehrsstrom über Badersfeld leiten. Gleiches gilt für eine Umfahrung von Großinzemoos: Sie würde 70 Prozent des Verkehrs aus Röhrmoos abziehen, hätte aber keine überregionale Bedeutung. Eine neue Trasse von Röhrmoos über Prittlbach nach Hebertshausen würde den umliegenden Orten eine große Entlastung bringen; sie wird aber laut Landrat Löwl nicht umgesetzt. In der Diskussion ist auch eine Umfahrung, die von der Indersdorfer Gabel (Kreuzung der Staatsstraßen 2047 und 2050) an Arnbach vorbei bis nach Erdweg führt. Die Ortskerne von Rumeltshausen und Arnbach würden dadurch entlastet, eine überörtliche Bedeutung hätte die neue Trasse laut Gutachten nicht. Auch eine Umfahrung von Schwabhausen hätte auf das unmittelbare Umfeld kaum Auswirkungen. "Man sollte sich deshalb lieber einen großen Wurf überlegen", sagt Löwl. Die Verlegung der Kreisstraße DAH 3 im Süden von Indersdorf verringert den Verkehr in der Gemeinde um 35 Prozent, in Röhrmoos nimmt der Verkehr aber um fünf Prozent zu. Eine Westumfahrung von Dachau über den Korridor Puchschlagen und Kreuzholzhausen würde den Verkehr in Dachau um drei bis vier Prozent reduzieren. Eine Westumfahrung, die über Bergkirchen führt, brächte für Dachau lediglich eine Entlastung von einem Prozent. Wird die Westumfahrung mit einer neuen Auffahrt auf die B 471 kombiniert, hätte Dachau bis zu 46 Prozent weniger Verkehr. Interessant sei auch die Frage, wo neue P+R-Parkplätze und Mitfahrerparkplätze sinnvoll sind? Grundsätzlich, so der Landrat, sei festzustellen, dass Umfahrungen von Dachau das Ortszentrum nur wenig entlasten. Und einzelne Umfahrungen von Gemeinden sind nur dann sinnvoll, wenn sie mit der Dachauer Ostumfahrung kombiniert werden. Eine Westumfahrung von Dachau entlastet nur den Ortsteil Etzenhausen, führt aber zu einer massiven Belastung von Günding.

Der Landkreis wartet jetzt darauf, wie die Gemeinden zum Gutachten Stellung nehmen. Schwierig wird es bei solchen Trassen, für die verschiedene Straßenbaulastträger zuständig sind - von den Gemeinden über den Landkreis bis zum Freistaat Bayern. Diese Projekte bedürfen einer intensiven Koordination. "Für Gemeinden, die den überörtlichen Verkehr loshaben wollen, gibt es definitiv gute Chancen", so Landrat Löwl. Gegen den Willen der Gemeinden werde nichts gemacht. Den Zeitraum für den Bau örtlicher Umfahrungen veranschlagt er ungefähr auf zehn Jahre.

Wenn Umfahrungen realisiert würden, hätten die Gemeinden die Chance, ihren Innenbereich neu zu gestalten. "Dann muss man sich auch Gedanken machen, welche neuen Möglichkeiten es für den öffentlichen Nahverkehr oder den Radverkehr gibt." Die Behauptung, wer neue Straßen baue, ernte auch mehr Verkehr, sei falsch. Löwl: "Der Verkehr ist schon da, wir brauchen mehr Fläche für die Mobilität."

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SZ vom 10.09.2019
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