Im Café Gramsci:Musikalische Heimat

Prittlstock

Der Neuseeländer Mathew James White spielt nur mit seiner Gitarre ausgerüstet in der Dachauer Altstadt-Kneipe Cafe Gramsci.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Der neuseeländische Sänger Mathew James White fühlt sich auch in Dachau tief verwurzelt

Von Clara Nack, Dachau

"Ich finde, die Sonne hat diesen Sommer einen guten Job gemacht", lächelt Mathew James White förmlich ins Mikro auf der kleinen Bühne des Café Gramsci. Es gebe aber nicht viele Songs über die Wohltaten der Sonne, gesungen werde häufiger über den Schmerz der Liebe. In Dachau wird er deshalb jetzt über die Sonne singen, sagte White, denn so ein paar Sonnenstrahlen "nehmen auch das Gewicht von den Schultern". Wenige Sekunden später stimmt er an, singt seinen gleichnamigen Song "Took the weight off". Viele Zuhörer in der kleinen Altstadt-Kneipe kennen White schon und singen mit.

Mathew James White, Sänger und Songwriter aus Neuseeland, ist inzwischen zum fünften Mal in Dachau. Wenn man ihn fragt, wie er diese enge Beziehung zum Publikum und der Stadt aufgebaut hat, erzählt er von seinem ersten Singer-Songwriter-Workshop in Bergkirchen. Dieser wäre vor drei Jahren wegen zu weniger Teilnehmer beinahe abgesagt worden. Also fragte man in der Flüchtlingsunterkunft nebenan, ob nicht jemand Lust hätte, mit dem Neuseeländer Lieder zu schreiben.

Beim ersten Workshop mussten also gleich mal sprachliche Barrieren überwunden werden, doch White und die Teilnehmer des Workshops hüpften einfach über die kulturellen Hürden, indem sie eine musikalische Danksagung auf Deutschland als neue Heimat schrieben. Am vergangenen Freitagabend steht White, wie immer nur mit seiner Gitarre ausgerüstet, auf der Bühne und singt dieses Lied. Vom Mikrofon wendet er sich auch mal ab, singt direkt in die zuhörenden Gesichter. Zu diesen ungezwungenen, sonnigen Tönen, die Mathew James White auch einfach am Strand improvisieren könnte, inspiriert ihn eigentlich alles. "Vor allem aber meine Familie. Nach der Geburt meines Sohnes habe ich viele Songs über das Leben geschrieben, aber auch über Verluste", erzählt White, während er sich vielleicht direkt wieder inspirieren lässt.

Seit 2006 wohnt der James Blunt für kuschelige Bar-Bühnen in Deutschland, davor lebte er in London. Berlin ist der Ort, an dem man leben muss, wenn sich das Verhältnis zwischen Investition und Einkommen des Musikerlebens die Waage halten soll. Also lebt White mit seiner Familie in Neukölln, tritt aber in ganz Deutschland auf. "Das Publikum in Dachau ist der Hammer", sagt er schon in der Pause, in der er grundsätzlich nur am Händeschütteln ist. Viele wollen wissen, ob er wieder zurück nach Australien oder Neuseeland möchte, manche fragen sogar, wann der Flieger geht. White jedoch fühlt sich in Deutschland tief verwurzelt. Es gebe hier viel mehr Auftrittsmöglichkeiten, eine gute Infrastruktur, um an diese musikalischen Orte zu gelangen. Außerdem sei es hier sehr sicher, erklärt er. Den Refrain "good to be back home" ("es ist schön, wieder Zuhause zu sein"), singt er sicher nicht ohne Grund im Café Gramsci. Nach und nach animiert er zum Mitsingen, der Ton trägt sich in der kleinen Kneipe von selbst, White lächelt einfach viel. Da möchte man ihm die CD gleich in dem Berliner Mathew-James-White-Jutebeutel abkaufen, den er auch anbietet.

Die fünf Solo-CDs des Neuseeländers gehen für den Preis weg, den seine Zuschauer zahlen möchten. Der Mann mit Gitarre ist in zwei Wochen wieder in Dachau. Für einen Workshop wurde White schon eingeladen. Vielleicht spielt der entspannte Neuseeländer danach noch ein spontanes Konzert. Und da die Kulturschranne demnächst, so kurz vor den Landtagswahlen, von politischen Diskussionsrunden besetzt sein wird, böte sich doch ein kleines Café an. Dort fühlt sich Mathew James White ohnehin am wohlsten.

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