Hoftheater Bergkirchen:Ein Tohuwabohu der Emotionen

Hoftheater Bergkirchen: Am Bergkirchener Hoftheater wird bei der Premiere von "Mamselle Nitouche" gesungen, getanzt und gespielt.

Am Bergkirchener Hoftheater wird bei der Premiere von "Mamselle Nitouche" gesungen, getanzt und gespielt.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Hinreißende Momente in einer lebensfrohen Komödie: Am Hoftheater Bergkirchen feiert "Mamselle Nitouche" Premiere.

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Kaum zu glauben, dass Mamselle Nitouche hierzulande nie so wirklich Fuß fassen konnte. Die französische Operette des Komponisten Florimond Hervé schaffte es kaum auf die deutschsprachigen Bühnen. Schade. Denn die verzwickte - und doch durchschaubare Handlung - bietet Stoff für zwei Stunden ungetrübter Unterhaltung. Eine Grundvoraussetzung gibt es jedoch: Alle Mitwirkenden auf und hinter der Bühne singen, tanzen und spielen so fabelhaft wie bei der Premiere am Ostersonntag im Hoftheater Bergkirchen.

Regisseur Herbert Müller hat für seine Inszenierung die spritzige Übersetzung des österreichischen Autors Hans Weigel gewählt, sie um einige hinreißende Momente ergänzt und das 1883 uraufgeführte Werk zu einer lebensfrohen Komödie gemacht. Ulrike Beckers hat mit ihrem anspielungsreichen Bühnenbild und prachtvollen Kostümen ohne erhobenen Zeigefinger der seinerzeit herrschenden Bigotterie ein unverkennbares Gesicht gegeben. Schließlich war Paris im ausgehenden 19. Jahrhundert das Objekt zielgerichteter Männerträume. Gab es doch "leichte Mädchen" in Hülle und Fülle, auf die der finanziell besser gestellte männliche Teil der Gesellschaft quasi ein naturgegebenes Anrecht hatte, wie er irrtümlich glaubte. Wie die Frauen rund um den Montmartre sich gegen dieses Besitzdenken wehrten, um Selbstachtung und Würde kämpften, hat Henri de Toulouse-Lautrec, der unerbittliche Chronist jener Zeit, in Gemälden und auf Plakaten festgehalten, mit denen Ausstatterin Beckers eine eindrückliche Collage geschaffen hat. Etwas von diesem rebellischen Geist, gepaart mit einer guten Portion Witz durchzieht wie ein roter Faden das Stück.

Auf dem Lehrplan steht Selbstbewusstsein

Da ist einmal die gestrenge Mademoiselle Thérèse (Sarah Giebel). Sie ist die Vorsteherin eines noblen Mädchenpensionats, in dem neben allem, was höhere Töchter angeblich wissen sollten, auch Stärkung des Selbstbewusstseins auf dem Lehrplan steht. Hier leben und lernen die Elevinnen Denise, Julie und Juliette, (Helena Huber, Jessica Dauser, Annalena Lipp). Für sie ist das Leben ein Tanz - bis Denise verheiratet werden soll. Und da ist nicht zuletzt die zickige Diva Corinne am Théatre des Variétés (Janet Bens), die mit ihren Launen die Männer in den Wahnsinn treibt. Ihnen stehen drei Herren - ganz wie es die Situation erfordert - gegenüber oder zur Seite. Diese schnöseligen Typen merken kaum, welche bewusste oder unbewusste manipulative Kraft die Frauen antreibt. Musiklehrer Célestin (Patrick Brenner) etwa führt ein aufreibendes Doppelleben. Tagsüber studiert er Motetten am Mädchenpensionat, nachts schreibt er unter dem Pseudonym Floridor Operetten und studiert die heiß begehrte Sängerin Corinne. Die wiederum hält sich (Frau weiß ja nie, was kommt) den pseudo-honorigen Major Hector Achille de Château Gibus (Ansgar Wilk) als Reserve-Lover. Der Major betätigt sich zudem als Kuppler. Er will den Leutnant und Vicomte Fernand de Champlatreux mit der reizenden Denise verheiraten. Wogegen diese sich heftigst wehrt. Das Tohuwabohu der Emotionen und Personen komplettieren Herbert Müller als namenloser Allrounder und Kommentator sowie Annette Thomas als gestrenge Erzieherin Anne.

Zu dumm, dass der Major seine Schwester, Mademoiselle Thérèse, in die Heiratspläne einweihen muss. Die hat - trotz ihres gouvernantenhaften Gehabes im hochgeschlossenen Taftkleid - nämlich ein Herz und ein Geheimnis zu hüten. Das führt dazu, dass sich irgendwann alle im Theater wiedertreffen. Denise mutiert zu Mamselle Nitouche. Warum? Weil sie das Leben genießen und nicht als unglückliche Braut enden will. Helena Huber macht daraus mit Hilfe von Clemens Brentanos "Brautgesang", ein wunderbar schwülstiges Dramolett und lässt das dort beschriebene "Schleierlein" hingebungsvoll überzeichnet "feucht und tränenschwer" wehen. Annalena Lipp, die auch die anspruchsvolle, gelungene Choreografie verantwortet, und Jessica Dauser lassen die Pensionatsdamen mit ihren züchtigen Schulkleidern im Orkus verschwinden und überzeugen als Soubretten Coco und Froufrou mit Tanzkunst vom Feinsten. Annette Thomas ersetzt den im Theater unerlässlichen Chor locker, Petra Morper ist das in vielen Hoftheater-Aufführungen bewährte "Ein-Frau-Orchester" am Flügel. Der stürmische Leutnant und Vicomte verliebt sich unsterblich in Mamselle Nitouche, nicht ahnend dass sie die vorgesehene Braut ist. Da wird Tobias Zeits vom Draufgänger zum Romantiker und Helena Huber vom aufmüpfigen Teenie zur verliebten Frau. Ansgar Wilk, der seinen geschienten Arm geschickt à la Napoleon in der Uniform verbirgt, muss sich als schnurrbärtiger Major den durchaus schlagkräftigen Argumenten von Starsängerin Corinne beugen. Janet Bens geht in ihrer Rolle auf. Sie kostet jedes Wort, jede Geste und jeden Ton aus. Patrick Brenner laviert sich als Célestin/Floridor geschickt durchs Leben. Ist er doch ein begnadeter Filou und Charmebolzen. Schließlich lösen sich singend, lachend, und tanzend alle Irrungen und Wirrungen auf - fürs begeisterte Publikum allerdings viel zu schnell. Wer zum guten Schluss mit wem wohin entschwebt, sollte man sich unbedingt ansehen. Denn diese Inszenierung strahlt in ihr Publikum hinein. Ist doch "Mamselle Nitouche" im Hoftheater Können, Witz und Spielfreude pur.

Nächste Vorstellung: Samstag, 22. April, um 20.00 Uhr (Restkarten)

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