Hoftheater Bergkirchen:Kleine Operette mit großer Musik

Hoftheater Bergkirchen: Unsterblich in sein eigenes Werk verliebt: Nicht nur Bildhauer Pygmalion (Tobias Zeitz) himmelt die Statue Galathée (Gesa Jörg) an.

Unsterblich in sein eigenes Werk verliebt: Nicht nur Bildhauer Pygmalion (Tobias Zeitz) himmelt die Statue Galathée (Gesa Jörg) an.

(Foto: Toni Heigl)

"Die schöne Galathée" reiht sich in die erfolgreichen Inszenierungen des Hoftheaters Bergkirchen ein.

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Geige, Harfe und Klavier setzen zu einem Trio an - und die Zuschauer im Hoftheater Bergkirchen sind in einer anderen Welt. In einer? Nein, mindestens in zweien, vielleicht sogar dreien. Hat ein Zauberer seinen großen Auftritt? Keineswegs. Des Rätsels Lösung liegt in der Musik - und in einer sehr gescheiten Bearbeitung von "Die schöne Galathée", einer kleinen Operette mit großer Musik von Franz von Suppé. Am Donnerstag war Premiere. Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieses Stück reiht sich nahtlos ein in die erfolgreichen Operetteninszenierungen des Hoftheaters, auch oder gerade weil sie vom Aufwand her nicht mit Emmerich Kálmáns Csárdásfürstin oder mit Ralph Benatzkys "Im weißen Rössl" zu vergleichen ist. Diese Adaption eines "komisch-mythologischen" Werks zeigt, dass Operette auch ohne Chor und großes Orchester ihren ganzen Charme spielen lassen kann.

Die Reise in drei Welten beginnt mit dem Auftritt des Dichters Ovid als distinguierter Gentleman nebst Gehstock mit Silberknauf (Jürgen Füser). Die Älteren werden sich an den Lateinunterricht erinnern, wenn die "Ars Amatoria" auf dem Stundenplan standen. Und sie werden an ihre gnadenlos zensierten Schulfassungen zurückdenken. Ovid, mit vollem Namen Publius Ovidius Naso, ist einer der Urväter der Geschichte vom Bildhauer Pygmalion und der zum Leben erwachten Statue Galathea, die Suppé nacherzählt. Ovid hat sie in den "Metamorphosen" niedergeschrieben. Weshalb Regisseur Herbert Müller dem altrömischen Erfolgsdichter auch die Rolle des abgeklärten, ironisch-bissigen Kommentators verordnet hat, selbstverständlich mit Originalzitaten. Nächster Stopp: die Musik Franz von Suppés. Was Geigerin Susanne Morper, Harfenistin Sarah Cocco sowie die Pianistin und musikalische Leiterin Petra Morper in höfisch angehauchtem Outfit spielen, kann einen schon in die Sphären gehobener Fernsehunterhaltung beamen: ins Münchner Universum von "Kir Royal". Fans wissen es: Dessen Titelmusik ist der Walzer aus der Operettenouvertüre. Und einige Kir-Royal-Charaktere haben durchaus Ähnlichkeit mit ihren musikalischen Vorbildern. So etwa der Kleberfabrikant Heinrich Haffenloher ("Ich scheiß dich so wat von zu mit meinem Jeld") mit dem reichen Kunsthändler Mydas (umwerfend: Maximilian Kramer). Und dann wäre da noch die Welt des Films - auch eine des schönen Scheins. Ulrike Beckers, zuständig für Kostüme und Bühnenbild, hat sich von Roy Lichtenstein inspirieren lassen und den Salon des Bildhauers Pygmalion (komisch-tragisch: Tobias Zeitz) mit großformatigen Fotos einer Fast-Doppelgängerin von Marilyn Monroe dekoriert. Es ist natürlich Galathée (Gesa Jörg), die da von den Wänden herunter schaut und als bewegungslose Statue hinter einem Vorhang im streng schwarz-weiß eingerichteten Zimmer der Ereignisse harrt, die da unweigerlich kommen. Der ewig angesäuselte Pygmalion ist unsterblich in sein eigenes Werk verliebt. Auf diese Statue ist auch der zwielichtige Kunstmensch Mydas scharf. Weil er das Objekt seiner Begierde nicht legal erstehen kann, besticht er Pygmalions Diener Ganymed (eine echte Entdeckung mit schöner Stimme und begeisterndem Spiel: Veronika Benning). Der Plan geht nicht auf. Galathée erwacht zum Leben, rekelt sich im weißen Marilyn-Kleid, lässt ganz à la "Manche mögen's heiß" ein bisschen lasziv den Wind mit Kleid und Körper spielen - und hat Hunger. Nicht auf Gyros mit Tzatziki - schließlich spielt die Geschichte auf einer griechischen Insel - sondern auf Schweinsbraten mit Knödel. Pygmalion hat eine keusche Jungfrau erwartet, die ihm willig zu allen möglichen Diensten ist. Und bekommt eine selbstbewusste Frau, die sich an Ovids Rezept hält: "Noch klüger ist die (Frau), die erst ein Geschenk nimmt und dann die Freuden der Liebe versagt. Und dann einen Becher mit Schierling und Wolfswurz reicht". Ganz so weit geht Galathée nicht. Aber sie nutzt den Bildhauer und den "Kunstknacker" geschickt aus. Auf Ganymed wirft sie allerdings mehr als einen heißen Blick. Der weiß nicht, wie ihm geschieht, auch das Frauenbild der zwei anderen Männer gerät gehörig ins Wanken.

Das alles hat Suppé eingepackt in wunderschöne Melodien wie die Schlummerarie des Ganymed, Mydas Bekenntnis: "Ja, ich lieb die Künstlerinnen", Pygmalions "Venus, zu dir flehe ich hier", und ein Terzett mit einer wahren Glanznummer von Tobias Zeitz, der urkomisch zwischen sterbendem Schwan und Kosakentanz changiert. Gesa Jörg ist eine eher strenge Galathée, die ihr Ding durchzieht. Selbst beim Trinklied "Hell im Glas, da schäumt das duftige Nass" bleibt sie die in erster Linie auf sich bedachte Frau. Das ändert sich nur, wenn sie Ganymed anbaggert: "Ach mich zieht's zu dir". Und wie.

Regisseur Müller hat eine faszinierende Mischung aus Operettenseligkeit und aktuellen Bezügen wie Kunstraub und Griechenland-Krise geschaffen. Herz, Humor und Hirn sind seine Mittel. Und so gilt für Galathée, was ihr Schöpfer Pygmalion sagt: "Ein Traum ist manchmal schöner als das Leben" - zumindest einen Operettenabend lang.

Weitere Vorstellungen in der Spielzeit 2015/2016

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