Aufreizend erotisch und mit einem Schuss lasziver Boshaftigkeit räkelt sich Lola genüsslich auf ihrem Barhocker und ist „von Kopf bis Fuß auf Liebe“ eingestellt. Im Hintergrund spielt leise ein Klavier und wird geradezu liebevoll vom Herrn an den Drums begleitet. Nein, wir befinden uns nicht in einer Vorführung von Josef von Sternbergs Film „Der blaue Engel“ oder in einem Proseminar über die Adaption von Heinrich Manns „Professor Unrat“ für den gerade aufkommenden Tonfilm. Dieser Text widmet sich vielmehr der „Traumfabrik Hollywood“, einer hinreißenden Reverenz des Hoftheaters Bergkirchen an unvergessliche Filmhits und Evergreens im filmreifen Bühnenbild von Ulrike Beckers.
Hier wird die „fesche Lola“ von Jessica Dauser so wunderbar gesungen und gespielt, dass Marlene Dietrich womöglich vor Neid erblasst und Professor Immanuel Rath alias Emil Jannings vermutlich auf der Stelle mit der Barsängerin in die Besenkammer verschwunden wäre. Und das ist nur eine der vielen Glanznummern dieser Revue, die das begeisterte Publikum immer wieder als bühnenreifer „Summchor“ begleitet.
Der Regisseur erzählt amüsante Anekdoten
Regisseur Ansgar Wilk hat tief in Biografien und der Filmgeschichte gegraben und erzählt als nonchalanter Conferencier zum Entzücken seiner Zuhörerinnen und Zuhörer amüsante Anekdoten über Filmschaffende fast jeden Genres. Wer sich ein wenig über Wilks edles Showbusiness-likes Outfit inklusive hochfein glänzenden Schuhwerks gewundert hat, wird im Laufe dieser vergnüglichen zwei Stunden aufgeklärt: Herr Wilk kann auch Stepptanz und er kann „The Typewriter – die Schreibmaschine“ – die fantastische Hommage von Leroy Anderson an das längst entschwundene Kulturgut mechanische Schreibmaschine. Nutzt aber, ehrlich gesagt, nur bedingt, auch wenn Wilk mit Tobias Zeitz von „Ein Freund, ein guter Freund“ aus dem von den Nazi-Terroristen verbotenen Film „Die Drei von der Tankstelle“ schwärmt. Denn diese Show gehört den Frauen.
Helena Huber singt Marilyn Monroes „I wanna be loved by you“ aus „Manche mögen’s heiß“ so cool und doch mit einem leichten Augenzwinkern, dass man sich innerlich vor Lachen kringelt. Gudrun Wilk, besser bekannt als die Hüterin von Kasse und Karten im Hoftheater, erweist mit dem fatalistischen „So oder so ist das Leben“ von Theo Mackeben dem Chanson die gebührende Ehre. Auch „Pussy Galore“ aus dem James-Bond-Film „Goldfinger“ mit dem unvergesslichen Gert Fröbe ist einfach umwerfend.
Der Spaßfaktor ist hoch an diesem Abend
Max Müller, seit Kurzem musikalischer Leiter des Hoftheaters, hat die Songs und Medleys aus fünfzig Jahren Filmgeschichte sorgsam arrangiert, und begleitet mit seinem Schlagzeug den Pianisten Felix Bayer. Der ist zwar erstmals im Hoftheater zu hören, kämpft aber schon fast filmreif mit den Tücken des nicht perfekt funktionierenden Klaviers. Max Müller lässt – ebenso wie Wilks ausgeklügelte Regie – jeder und jedem Mitwirkenden viel Raum für die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Das steigert die Bühnenpräsenz, die Spielfreude, die rasanten Tanzeinlagen, die gekonnte Choreografie und nicht zuletzt den Spaßfaktor ungemein – sehr zum Vergnügen des Publikums.
Ein Schuss Ironie tut dieser nostalgischen Show zudem ausgesprochen gut. Weshalb Helena Huber aus „Que sera, sera“, Doris Day’s musikalischem Allheilmittel im Hitchcock-Thriller „Der Mann, der zu viel wusste“, eine Mini-Komödie zaubert und Audrey Hepburn’s hochromantischen „Moon River“ aus „Frühstück bei Tiffany“ mal eben zu dem macht, was er ist: ein Schmachtfetzen erster Güte. Jessica Dauser indes scheint über die Gabe der Omnipräsenz zu verfügen. Sie wirbelt mit so unglaublicher Geschwindigkeit über die Bühne, dass einem der Atem stockt. Tobias Zeitz lebt sein komödiantisches Talent voll aus, gibt den perfekten „Blues Brother“ und noch viel mehr.
Mit anderen Worten: Das Hoftheater-Ensemble singt, tanzt und spielt in Hochform und setzt mit einem total abgefahrenen „Always look on the bride side of life“ aus „Das Leben des Brian“ einen fulminanten Schlusspunkt unter einen schlagerseligen, unbeschwerten Theaterabend. Dieser ist der Auftakt zu weiteren vielversprechenden Neuinszenierungen, mit denen das Hoftheater Bergkirchen seine zwanzigste Spielzeit feiert.