Hoftheater Bergkirchen:Die Ehe ist ein Kampf

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Steigen für ihre Ehe in den Ring (von rechts): Valentin Dorek (Ansgar Wilk), Ehefrau Joana (Christina Schäfer) und ihr Therapeut (Patrick Brenner). (Foto: Toni Heigl)

Das Ensemble spielt die Boulevardkomödie "Die Wunderübung" und beweist: Die perfekte Beziehung gibt es nicht

Von Jana Rick, Bergkirchen

Mit hochroten Köpfen stehen sich die beiden Kämpfer im Boxring gegenüber und schlagen mit den Boxhandschuhen aufeinander ein: Joana Dorek und Valentin Dorek. Seit 17 Jahren verheiratet, Eltern zweier pubertierender Kinder. "Wir haben uns auseinander gelebt", sagt er. "Er hat uns auseinander gelebt", sagt sie. Es ist, das ist offensichtlich, ein Kampf, ein Ehekampf.

Um ihre Beziehung doch noch zu retten, hat sich das Ehepaar Dorek für eine Paartherapie entschieden, welche in der "Wunderübung" im Bergkirchener Hoftheater nun auf die Bühne gebracht wird. Die Komödie des Österreichischen Schriftstellers Daniel Glattauer enthält so viele pointierte Dialoge zwischen den beiden Eheleuten, dass dem Zuschauer sowie dem Paartherapeuten schwindelig wird. Joana Dorek redet sich, ohne auch nur einmal nach Luft zu holen, die Last von der Seele und lässt ihren Mann gar nicht zu Wort kommen, der in Anzug und Krawatte auf seinem kleinen blauen Hocker im Boxring sitzt. Doch es dauert nicht lange, da geht auch er in die Luft, vor allem, als seine Frau auf seine "Sexaffäre" zu sprechen kommt. Der Therapeut spricht von einer "lebendigen Streitkultur auf hohem Niveau".

Schnell kommen die Boxhandschuhe in Einsatz, die doch eigentlich nur "als ironische Dekoration" gedacht waren, so der Paartherapeut, der einem bereits nach wenigen Minuten Leid tut. Anfangs noch hoch motiviert und mit beruhigender Stimme, versucht er "das Positive" im Ehepaar zu wecken, doch als Joana ihrem Mann mit Gewalt Mund und Nase zuhält, weil dieser sie mit einem Schluckauf beim Sprechen unterbricht, scheint auch der Beziehungsexperte langsam die Geduld zu verlieren. Seine therapeutischen Übungen wie "Die offenen Hände" scheitern nach nur wenigen Sekunden, die Hocker fliegen durch die Luft, Juana zieht Valentin am Schlips und der Boxring gleicht bald einem Schlachtfeld. In der zweiten Übung "Rollentausch" sollen die beiden Streitenden in die Rolle des anderen schlüpfen. "Und das hilft?" fragt Valentin. "Einen Versuch ist es wert", antwortet der "Herr Magister", wie ihn das Ehepaar nennt, mit wenig Hoffnung in der Stimme. Auch an dieser Übung scheitern die beiden, da hilft auch die romantische Musik im Hintergrund nichts. Nur wenn sie in alten Erinnerungen schwelgen und von ihren früheren Tauchgängen erzählen, wird die Harmonie zwischen dem Paar deutlich.

Christina Schäfer und Ansgar Wilk in den Rollen des Ehepaares verziehen nicht eine Miene, wenn sie sich nach wenigen schönen Worten bereits wieder verbal attackieren: "Wir waren ein klassisches Unterwasserpaar", meint er. "Wir hätten niemals auftauchen sollen", entgegnet sie. "Jedenfalls nicht gemeinsam", antwortet wiederum er. Der Beziehungsexperte scheint von der ganzen Situation überfordert, bis zur Pause der Aufführung glaubt man an keinen Ausweg mehr. Doch dann erlebt die therapeutische Sitzung durch eine Email an den Seelendoktor eine plötzliche Wendung: Seine Frau teilt ihm schriftlich mit, dass sie sich von ihm trennt. Und von einer Sekunde auf die nächste geschieht auf der Bühne ein neuer Rollentausch. Dieses Mal zwischen dem Therapeuten und den zu Therapierenden. Patrick Brenner als "Herr Magister" alias Therapeut, beweist großes Schauspieltalent, wenn er nun vom ausgeglichenen Berater zum verzweifelten Verlassenen wird.

"Da sind wir ja an den Richtigen geraten", rollt Valentin Dorek mit den Augen, doch das Ehepaar lässt den Therapeuten nicht im Stich und hört sich die Leidensgeschichte an. Nun stellen sie die Fragen. Grund für die Trennung war eine "perfekte Beziehung", lesen sie in der Email. Und zwar eine zu perfekte Beziehung. "Ohne Reibung entsteht keine Wärme", klärt Juana den Beziehungsberater auf. "Vor lauter heile Welt ist Ihre Frau eingefroren!" Ob die Beziehungen der beiden Paare letztlich doch noch gerettet werden können, kann man noch bis zum März nächsten Jahres im Hoftheater Bergkirchen miterleben. Man bekommt dabei viele schlagfertige Dialoge zu hören und findet sich vielleicht auch in der ein oder anderen "Ehekrise" wieder. Eines aber wird klar: Die perfekte Beziehung gibt es nicht.

© SZ vom 11.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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