Hochwasseropfer in Karlsfeld:Wer anderen eine Grube gräbt

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Hochwasser als die alleinige Ursache für überflutete Keller in Karlsfeld? Betroffene Anwohner bezweifeln das. Und machen unter anderem große Bauprojekte verantwortlich.

G. Schiegl

Karlsfeld - Anwohner der Krenmoosstraße bezweifeln, dass allein die starken Regenfälle Anfang August schuld an der Überflutung ihrer Keller waren. Sie haben vielmehr die großen Bauprojekte aus der Nachbarschaft in Verdacht: den Bau der Fernwärmeleitung und die 2,2 Hektar große Baugrube der Neuen Mitte.

Anlieger der Krenmoosstraße vermuten unter anderem die Baugrube der Neuen Mitte als Ursache für ihre überfluteten Keller. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Womöglich hätten Fehler der beteiligten Baufirmen einen Rückstau des Grundwassers verursacht, in dessen Folge die Keller unter Wasser liefern. In einer von 145 Anliegern unterzeichneten Unterschriftenliste fordern sie von der Gemeinde nun umfassende Aufklärung.

Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) versprach, der Sache auf den Grund zu gehen und die Ergebnisse der hydrogeologischen Gutachten des Wasserwirtschaftsamts zu beiden Großprojekten - der Neuen Mitte und der Neue Energien Karlsfeld offenzulegen. "Das ist das Mindeste, was Sie von uns erwarten können." Einen genauen Termin könne er noch nicht nennen. "Ich werde mich da auch jetzt auf nichts festnageln lassen", sagte Kolbe. Er müsse sich erst mit den Experten des Wasserwirtschaftsamts abstimmen. Am Montag war er gerade den ersten Tag nach aus dem Urlaub wieder im Büro.

Obwohl die Gemeinde seit jeher ein Problem mit hohem Grundwasser hat, ist vielen alteingesessenen Karlsfeldern in diesem verregneten Sommer 2010 zum ersten Mal der Keller vollgelaufen. Unter dem Druck des Wassers hätten einige Rückstauventile nicht mehr standgehalten, sagte Roland Beyer, Sprecher der Interessengemeinschaft Hochwasser Krenmoosstraße, sodass auch Abwasser durch die Toiletten hereindrückte. Die Schäden seien "erheblich". Mit ihrem Vorstoß wollten die Anwohner zumindest sicherstellen, dass sich solche Überschwemmungen nicht wiederholten. Die gängigen Hochwasser-Versicherungen kommen nämlich für Schäden durch Grundwasser nicht auf.

"Es ist nicht unser Ziel, der Gemeinde hier Versäumnisse vorzuwerfen", stellte die Interessengemeinschaft in ihrem Anschreiben klar. Als Adressat für Regressforderungen hat sie eher die Baufirmen im Visier, die für die Neuen Mitte Karlsfeld und das Fernwärmeprojekt Neue Energie Karlsfeld verantwortlich zeichnen. Nach Beobachtung der Anwohner sei beim Bau der Fernwärmeleitungen der Untergrund mit Sand verdichtet worden, was "die Sperrwirkung im Vergleich zu früher erhöht" habe.

Gestützt wird der Verdacht auf eigene Messungen. So habe es am Sonntag, 8. August, einen kurzen Regenschauer gegeben, bei dem 35 Liter pro Quadratmeter fielen. Statt 3,5 Zentimeter sei der Grundwasserpegel an der privaten Messstelle infolgedessen aber gleich um 11 Zentimeter angestiegen, also fast vier Mal so stark wie zu erwarten gewesen wäre. "Wir vermuten, dass die ausführenden Firmen bei diesen Arbeiten den geforderten Maßnahmen nicht im ausreichenden Umfang nachgekommen sind."

Bürgermeister Kolbe nannte dies Spekulation. "Die Fernwärmeleitung wird keine sehr großen Auswirkungen haben", glaubt er. Welche Effekte die Baugrube der Neuen Mitte habe, könne er "aus dem Stegreif nicht beantworten".

Unstrittig ist, dass die 2,2 Hektar große Baugrube der Neuen Mitte einen "erheblichen Eingriff" in den Karlsfelder Grundwasserhaushalt darstellt. Das Wasserwirtschaftsamt hat deswegen wiederholt erklärt, man werde die Baugrube fluten lassen, wenn sich erweise, dass auf dem Areal auf Jahre hinaus nicht weitergebaut werde. Eine Anwohnerin forderte, die Pumpen in der Neuen Mitte sofort abzustellen. Das lehnte Kolbe ab. "Sonst läuft die Grube voll und die kriegt man nicht mehr so einfach leer." -"Besser als in meinen Keller", konterte die Anwohnerin. Sei lebt nach eigenen Angaben schon seit 1938 in Karlsfeld und bis August habe sie noch einen nassen Keller gehabt.

Anlieger Adolf Hebeisen stellte in Frage, ob der Querschnitt der Kanalrohre für "so viel Bebauung" ausreichen. Ein Nachbar berichtete, er habe den Kanaldeckel abgehoben, das Abwasser habe bis einen Meter unter der Straßenoberfläche gereicht. Statt abzufließen, sei es gestanden. "Es gibt da offenbar irgendein Problem." Bürgermeister Kolbe versprach, die Situation einmal näher anzusehen. Hoffnung auf eine Erweiterung des Kanalsystems macht er allerdings nicht. "Das kostet ja ein Wahnsinnsgeld."

Manche Anwohner haben sich die nassen Keller allerdings auch selbst zuzuschreiben. Der Leiter der Karlsfelder Kläranlage Peter Oberbauer berichtet über eine Vielzahl von Häusern ohne wasserdichte Wannen und Toiletten im Keller, die nicht einmal ein Rückstauventil hatten. "Manches hätten die Leute auch vermeiden können, wenn sie sich an unsere Satzung gehalten hätten", sagte Bürgermeister Kolbe. Dass der Ratschlag den Betroffenen auch nichts mehr helfe, das sei ihm aber auch klar.

© SZ vom 31.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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