Altomünster ist seinem Bestreben, ein kultureller Schwerpunkt zwischen Augsburg und München zu werden, entschieden nähergekommen. Seitdem der rührige Pianist Markus Kreul dort ansässig ist, rührt sich in musikalischer Hinsicht wesentlich mehr als vorher, und sein "Europäischer Musikworkshop Altomünster" ist dazu geeignet, Altomünster sogar international bekannt zu machen. Markus Kreul ist es nämlich gelungen, namhafte Dozenten zu gewinnen und Musikstudenten sowie angehende Musiker selbst aus entfernten Ländern für seinen Workshop zu begeistern.
Das Niveau ist so hoch geworden, dass für sein von Dozenten und ausgewählten Teilnehmern gestaltetes Meisterkonzert nur noch der Renaissance-Festsaal des Dachauer Schlosses ein würdiger Rahmen ist. Die Zuhörer dürfen dort in der Reihe der Dachauer Schlosskonzerte meist ausgezeichnete, oft sogar wunderbare Konzertabende erleben, aber die Meisterkonzerte des Musikworkshops Altomünster sind etwas Besonderes. Das kündigte sich bereits im Konzert des vergangenen Jahres an, doch heuer kam es geradewegs zu einer Offenbarung - zu einer Offenbarung des Musizierens.
Das zeigte sich bereits beim ersten Stück, dem sehr selten gespielten Flötenquartett in G-dur KV 285 a von Wolfgang Amadeus Mozart. Das ist eigentlich keine Musik fürs Podium, das ist Kammermusik der besonders intimen Art. Raphael Gärtig (Flöte), Sonja Korkeala (Violine), Paulina Riquelme (Viola) und Guido Schiefen (Violoncello) wurden mit ihrem verinnerlichten und beseelten Musizieren dieser - man möchte sagen - himmlischen Musik des jungen Mozart gerecht, indem sie jeden Ton als Preziose behandelten und so zu einem überirdisch schönen Musizieren gelangten. Damit war aber auch für den ganzen Abend ein Signal gegeben für introvertiertes, beseeltes Musizieren; Virtuosität an den Instrumenten war selbstverständliche Voraussetzung und wurde nie vordergründig zur Schau gestellt. Diese eminent musikalische Haltung war wohl bereits für die Programmgestaltung bestimmend.
Das zentrale Werk des Programms war ein Duo für Violine und Violoncello von Erwin Schulhoff. Auch dieses Werk findet sich sonst in keinem Konzertprogramm. Schulhoff gehört ohnehin der sogenannten "lost generation" zwischen den beiden Weltkriegen an, die sich von der musikalischen Spätromantik abwandte ohne sich der Atonalität zu nähern, und Schulhoffs Duo ist zudem ein besonders intimes Stück Kammermusik, das von den Ausführenden zwar hohe Virtuosität verlangt, aber letztlich im Zwiegespräch zwischen Violine und Violoncello ohne Seitenblicke auf unmittelbare Wirkung nach außen verbleibt. Sonja Korkeala und Guido Schiefen waren die idealen Interpreten für diese Musik, sie verstanden sich bestens bis in kleinste Detail der Auffassung, ihr Zusammenspiel war unübertrefflich, ihr Dialog von Leben erfüllt. Von den drei großen Duos für Violine und Violoncello dieser Zeit - neben Schulhoff, die (bekannteren) Werke von Maurice Ravel und Zoltan Kodaly - ist Schulhoffs Duo das am meisten verinnerlichte und hatte schon deshalb seinen Platz in dem exquisiten Programm. Die Teilnehmer des diesjährigen Workshops durften ihr Können beim ersten Satz eines Sextetts von Ernst von Dohnanyi zeigen. Es waren Ralitsa Bogdanova (Violine), Sandra Rieger (Viola), Jonathan Faulhaber (Violoncello), Maximilian Breinich (Klarinette), Maximilian Schellenberger (Horn) und Stefan Pitz am Flügel.
Wenn gesagt werden kann, dass dieser Beitrag unmittelbar nach dem in jeder Hinsicht idealen Musizieren von Sonja Korkeala und Guido Schiefen beim Schulhoff-Duo bestehen konnte, ist wohl größte Anerkennung ausgesprochen. Die meisten der in diesem Sextett vereinigten Interpreten sind seit Jahren bewährte Teilnehmer der Workshops; neu dazu war Sandra Rieger, Viola, gekommen, die sich sogleich so auszeichnete, dass von Dozenten die Hoffnung ausgesprochen wurde, sie auch in den kommenden Jahren hier zu haben. Neu war auch die Pianistin Nino Gurevich, die zusammen mit Markus Kreul die Pétite Suite für Klavier zu vier Händen von Claude Debussy spielte - wiederum ideale Interpreten für dieses feine Stück.
Der Sänger Dominik Wortig musste krankheitshalber absagen, für ihn sprang Guido Schiefen ein, "sang" Schumann-Lieder auf dem Violoncello und spielte Ungarische Tänze von Johannes Brahms in der spieltechnisch höchst anspruchsvollen Fassung für Cello und Klavier des italienischen Cello-Virtuosen Alfredo Piatti. Dieses Stück spielt außer Schiefen zur Zeit kein Cellist, hier roch es stark nach zukünftiger CD-Einspielung. Das Klarinettenquintett von Mozart gehört zu den schönsten Kammermusikwerken überhaupt und wird entsprechend oft gespielt. Aber so unendlich fein und beseelt musiziert wie an diesem Abend hat man es wohl noch nie gehört. Der Klarinettist Norbert Kaiser fügte sich nahtlos in das bewährte Streichquartett und Sonja Korkeala und Guido Schiefen ein, das gemeinsame Musizieren war über alle Maßen beglückend.