Hilgertshausen:Wahre Liebe wartet - auch 54 Jahre lang

Spätes Glück

Ein Happy End wie im Film: Hielta Anne und Karl-Friedrich Soyke verloren sich aus den Augen und fanden nach 54 Jahren wieder zusammen.

(Foto: Niels P. Joergensen)

In den 50ern wollen Hielta und Karl-Friedrich Soyke aus dem Landkreis Dachau heiraten, kurz vorher trennen sie sich im Streit. Doch sie vergessen einander nicht.

Von Magdalena Hinterbrandner, Hilgertshausen

Glücklich sehen die beiden aus, sie strahlen und sehen sich liebevoll an, sie erwidert sein Lächeln. Sie haben sich endlich, nach 54 Jahren Trennung, wiedergefunden. Das lässt gleich an Hollywood denken, an Rosamunde Pilcher oder an Verwirrungen wie in einem Roman von Jane Austen: All diese romantischen Geschichten über zwei sich liebende Menschen, die sich wegen eines Missverständnisses aus den Augen verlieren, nie mehr voneinander hören und nach langer Zeit in neu erwachter Liebe wieder zusammenfinden.

Wer glaubt, das gibt es in der Realität nicht, der irrt. Hielta Anne und Karl-Friedrich Soyke aus Hilgertshausen im Landkreis Dachau sind der Beweis dafür, dass solche Geschichten tatsächlich passieren können. Es war eine Jugendliebe, die in die Brüche ging. Wie so viele. Dabei waren die beiden sogar schon verlobt gewesen und wollten ein Leben lang zusammenbleiben. Das Ja-Wort aber gaben sie sich erst nach mehr als einem halben Jahrhundert, im Juli 2015.

Ein Urlaubsgruß aus dem schönen Italien an seine Verlobte - das war damals der Trennungsgrund. "Mit mir wollte er nicht einfach so in den Urlaub fahren. Und dann kommt ja noch dazu, dass wir eigentlich ein Gespräch für die Vorbereitung zur Hochzeit hatten", erzählt Hielta Anne Soyke-Jürjens. Sie hatte nicht gewusst, dass der Verlobte spontan mit seinen Kumpels in den Süden gefahren war. Sie hatte auf ihn gewartet, um zusammen die Hochzeit vorzubereiten. "Da dachte ich mir: Er ist nicht zuverlässig. Da hab ich den Schlussstrich gezogen", sagt Hielta.

Die beiden hatten sich damals kennengelernt, als Karl-Friedrich eine Unterkunft suchte. Er besuchte in Weener in Ostfriesland die Mittelschule und fing dort nach der Schule eine Lehre bei der Bank an. Seine Familie zog nach Bremen, und er musste in Weener eine Bleibe für sich suchen. Hielta lebte bei ihrer Tante Anne Jürjens in der Stadt. Sie hatte mit vier Jahren ihren Vater im Krieg verloren, kurz darauf starb ihre Mutter. Anne Jürjens vermietete ein Zimmer, und so kreuzten sich ihre Wege.

Karl-Friedrich zog in das Zimmer ein, und damit bewohnten er und Hielta das selbe Haus. "Und wir haben auch den gleichen Gesangsverein in Weener besucht. Da hab ich sie auch schon immer bewundert. Eine schöne, schlanke Frau mit schwarzen Haaren", sagt Karl-Friedrich. Er blickt seine Ehefrau etwas verlegen an. "Mir ist er da noch gar nicht aufgefallen", sagt sie.

Aber dann sind sie gemeinsam auf den Ball des Gesangsvereins gegangen, haben zusammen eine Busreise nach Brüssel unternommen, und so hat es sich ergeben: Die beiden wurden ein Liebespaar. "1955 war das, und nach knapp fünf Jahren haben wir uns verlobt und wollten heiraten", erzählt Hielta. "Aber dann musste er ja unbedingt nach Italien", neckt sie ihn. Diese Postkarte, wenn die nicht gewesen wäre.

Spätes Glück

Nach der Trennung unternahm Hielta eine Wanderung im Karwendel.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Trennung damals war furchtbar, für beide. "Ich hab ja noch in dem gleichen Haus gewohnt, und man lief sich ständig über den Weg. Sie zu sehen, aber mit dieser Distanz zwischen uns, das war so schrecklich", sagt Karl-Friedrich. Im Jahr der Trennung, 1960, gingen beide unterschiedliche Wege: Er nach Nordhorn, sie nach München, später nach Hilgertshausen. Beide verliebten sich neu und heirateten, Karl-Friedrich zog sogar zwei Kinder groß. "Stellen sie sich mal vor, 54 Jahre nicht gesehen, nicht gehört, nicht gesprochen", sagt Karl-Friedrich. "Das ist verdammt lange, und klar, ich habe sie oft vermisst. Wahrscheinlich wären wir uns nie mehr begegnet", sagt er.

Wäre da nicht das Klassentreffen gewesen, zu dem Karl-Friedrich ging. Dort erfuhr er, dass Hieltas Cousin gestorben war, der auch in seiner Klasse war. "Keiner wusste, an was er gestorben war, und so dachte ich, ich muss Hielta anrufen und sie fragen." Durch das Internet habe er ihre Nummer herausgefunden und sie im Mai 2014 angerufen. "Du klingst so traurig", hatte er damals zu ihr am Telefon gesagt.

Sie könnte doch mal anrufen - und sie tat es

Und dann erzählten sie sich gegenseitig, was alles in den vergangenen Jahren vorgefallen war. Hieltas Mann war erst ein paar Tage zuvor beerdigt worden. Karl-Friedrich verstand ihre Trauer, ein paar Wochen zuvor war seine Ehefrau kurz nach der goldenen Hochzeit verstorben. "Du kannst ja auch mal anrufen", mit diesen Worten verabschiedete er sich damals am Telefon von ihr.

Und das tat sie. Aus sporadischen Telefonaten wurden monatliche, wöchentliche und schließlich tägliche. Im Oktober 2014 haben sie sich dann wieder getroffen. "Ich dachte, da kommt ein schlanker, schwarz gelockter Kopf zu mir, und er sah ganz anders aus", scherzt sie. Aber beide haben sofort erkannt, dass der andere "immer noch genauso wie früher ist". Die Vertrautheit war sofort wieder da. Karl-Friedrich hat Nordhorn verlassen und ist zu Hielta nach Hilgertshausen gezogen. "Weihnachten haben wir dann beschlossen: Wenn, dann machen wir das richtig und heiraten." Eigentlich ein perfektes Drehbuch für Hollywood. Spontan verreisen wird Karl-Friedrich auf keinen Fall mehr.

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