Verwaltungsgericht München:Streit um eine Kiesgrube im Wald

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Der Junkenhofer Weg, ein landwirtschaftlicher Weg nördlich von Oberdorf, war Streitgegenstand vor dem Gericht. Denn mitten in diesem Wald plante ein Unternehmer eine Kiesgrube auszuheben. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Eine Abbruchfirma beschließt, bei Hilgertshausen-Tandern eine Kiesgrube auszuheben. Die Gemeinde und eine Anwohnerin klagen dagegen. Vor dem Münchner Verwaltungsgericht wird nun eine Lösung gefunden - final ist die aber nicht unbedingt.

Von Jacqueline Lang, Hilgertshausen-Tandern

Geeignete Orte für eine Kiesgrube, das sagt Michael A. am Telefon, die gebe es "nicht wie Sand am Meer". Der Standort in einem Waldstück bei Oberdorf in der Gemeinde Hilgertshausen-Tandern erschien deshalb zunächst perfekt, sogar einen Zweitsitz seiner Abbruch- und Erdbaufirma mit Sitz im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen hätte er sich dort vorstellen können. Aus heutiger Sicht - vier Jahre und einen wenig erfolgreichen Gerichtstermin später - ist sich der Firmenchef da nicht mehr so sicher. Ob er tatsächlich an seinem Vorhaben festhalten will, wie sein Anwalt Georg Waas vergangene Woche vor Gericht noch angedeutet hatte, weiß der Unternehmer noch nicht.

Bestrebungen an dieser Stelle entlang des Junkenhofer Wegs mitten im Wald eine Kiesgrube auszuheben, die gab es laut Gemeinde schon lange. 2016 hatte, so Geschäftsleiterin Tania Resenscheck, schon einmal ein ortsansässiger Betrieb Interesse bekundet und 2018 noch einer der Grundstückeigentümer. Trotz Abbruchgenehmigung seitens des Dachauer Landratsamtes kam jedoch keines der Vorhaben je zustande. Ob nun auch die jahrelangen Bestrebungen von Michael A. erfolglos bleiben, das ist nach der Verhandlung vor der 11. Kammer des Münchner Verwaltungsgerichtes vorerst offen.

"Das muss doch vorher geklärt sein."

Fest steht nach der Gerichtsverhandlung lediglich eines: Die vom Landratsamt einst erteilte Abgrabegenehmigung hat diese ebenso zurückgezogen wie Michael A. seinen Abgrabeantrag - wenn auch eher gezwungenermaßen, denn es war nicht seine eigene Idee. Der Vorsitzende Richter Johann Oswald legte ihm und dem Landratsamt, das den Freistaat in dieser Sache vertritt, das Vorgehen nahe. Schließlich könne man nicht, so Oswalds Vergleich, die Genehmigung für den Bau eines Hauses einholen, ohne vorher geklärt zu haben, ob man die Straße, die über ein anderes Anwesen zum Grundstück führe, überhaupt nutzen dürfe.

Doch warum ist die Sache so kompliziert? Da sind zum einen die Bedenken von Maria-Magdalena W., die als Anwohnerin um den Junkenhofer Weg fürchtet, der den Abgrabungen zum Opfer fallen würde. Und da sind zum anderen die Bedenken der Gemeinde - neben eigenen Besitzansprüchen bereitet ihr die umweltverträgliche Erschließung des Areals Sorge. Beide hatten ihre Bedenken in Form einer Klage gegen den Freistaat vorgebracht, der den Stein mit der Abgrabegenehmigung überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte.

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Vor Gericht änderte vor allem eines die Sachlage erheblich: Bei dem besagten Feldweg handelt es sich nicht nur - wie zunächst vom Gericht sowie den Beklagten angenommen - um einen Trampelpfad, sondern um einen gewidmeten Weg mit eigener Flurnummer. Und weil es sich um einen, wenn auch unbefestigten Weg handelt, dessen Straßenbaulastträgerin die Klägerin W. ist, ist es unmöglich, ihn ohne das Einverständnis der Gemeinde sowie der anliegenden Nachbarn, unter ihnen die Klägerin W., zu beseitigen. Da ist es egal, dass der Weg bei jetziger Witterung höchstens mit einem Traktor befahren werden kann, weil es so matschig ist.

Dass die Gemeinde mit diesem Kenntnisstand so lange hinterm Berg gehalten hatte - erst zwei Tage vor Gerichtstermin war die Klagebegründung eingegangen - ärgerte Alexander Krug, Regierungsdirektor im Dachauer Landratsamt und Vertreter des Freistaats. Er warf der Gegenseite zu Beginn der Verhandlung Treuwidrigkeit und Beweisvereitelung vor. Michael A. spricht am Telefon von einem Vorgehen "unter aller Sau".

Gegenstand der Verhandlung wurde dieses immerhin ungewöhnliche Vorgehen letztlich nicht, auch wenn Richter Oswald die Meinung der beiden Männer insofern teilte, als dass derjenige, der klage, auch von Anfang an sagen müsse, "was ihn stört". Ob die Gemeinde tatsächlich bis zuletzt auf eine außergerichtliche Lösung gehofft hatte und es deshalb zu der späten Zusendung des Schreibens gekommen war, blieb offen.

"Wenn er weg ist, ist er weg."

Maria-Magdalena W.'s Rechtsanwalt Sebastian Heidorn und Rechtsanwältin Kerstin Funk, die die Gemeinde Hilgertshausen-Tandern vertrat, bereitete unterdessen etwas anderes Sorge: "Wenn er weg ist, dann ist er weg." Ergo: Es werde vermutlich kein Ersatz für den Weg geschaffen, wenn er einmal beseitigt worden sei. Ein Erschließungsangebot, in dem etwas anderes stehe, liege jedenfalls bis zum heutigen nicht vor, so Geschäftsführerin Resenscheck.

An dieser Stelle schaltete sich zwar der von der Abbruchfirma beauftragte Geologe Stanislaus Gamperl ein, um zu versichern, dass es sehr wohl das Angebot gebe unweit des jetzigen Wegverlaufs eine Alternative zu schaffen. Auch dass man die Abgrabungstiefe auf Wunsch des Wasserwirtschaftsamtes verringert hätte, berichtete er. Aber so ganz wollte das die Gegenseite bis zuletzt nicht glauben. Immer wieder wurde im Laufe der Verhandlung vor allem das Bedenken um die Vernichtung des Weges vorgebracht. Man sehe, "den Feldweg in seiner Existenz bedroht", so Rechtsanwältin Funk wörtlich.

Richter Oswald beschäftigte indes eine Frage ganz grundsätzlicher Natur: Handelt es sich bei der Nachbarschaftsklage nicht eher um eine zivilrechtliche Angelegenheit, die vor einem ganz anderen Gericht als dem Verwaltungsgericht verhandelt werden müsste? Rechtsanwalt Heidorn widersprach insofern, dass seine Mandantin eben nicht nur eine sich gestört fühlende Nachbarin sei, sondern auch Straßenbaulastträgerin. Diese ergänzte selbst, dass sie entgegen der Behauptung von Rechtsanwalt Waas sehr wohl auf den Weg angewiesen sei: Er sei für sie die schnellste Verbindung zu ihrem Waldgrundstück, wo sie etwa 20 Mal im Jahr Holz hole. Im Übrigen sei sie nur eine von mehreren Nutzern des Weges.

Alles auf Anfang - oder alles zu Ende?

Richter Oswald zeigte sich nach längerer Diskussion zunächst geneigt, zumindest der Gemeinde Recht zu geben - und damit in letzter Instanz auch der Nachbarin W. So klar konnte er das nur nicht formulieren und hatte er bis zuletzt Bedenken ob der eigentlich zivilrechtlichen Natur ihrer Klage.

Schließlich legte Oswald der Abbruchfirma dann doch nahe, das Unterfangen noch einmal ganz neu anzugehen und den Abgrabungsantrag zunächst zurückzuziehen, was diese auch tat. Dies bewog in der Folge auch Regierungsdirektor Krug zu einem Rückzug der Abgrabungsgenehmigung. Damit ist zumindest das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eingestellt.

Und womöglich könnte A. zumindest die Gemeinde bei neuerlichen Verhandlungen sogar auf seine Seite ziehen, wenn er diese über seine Pläne, in Hilgertshausen-Tandern eine Zweitfiliale zu gründen und damit vor Ort Gewerbesteuern zu zahlen, informieren würde. Dass der Schrobenhausener Unternehmer sich mit diesem Gedanken trug, hört Geschäftsleiterin Resenscheck im Gespräch mit der SZ Dachau offenbar zum ersten Mal. Es ist nur ein weiteres Indiz für die Kommunikationsschwierigkeiten, die den Prozess und seine lange Vorgeschichte begleiteten. Ob all das in Zukunft noch einmal relevant sein wird, hängt aber nun davon ab, wie A. sich entscheidet: Alles auf Anfang - oder alles zu Ende?

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