Helios-Amperklinikum:Kritik an der Gewerkschaft

Die Betriebsgruppe Amperkliniken wehrt sich gegen das Verhandlungsergebnis von Verdi. Die wichtigste Forderung nach mehr Personal sei nicht erfüllt. 100 Mitarbeiter haben eine entsprechende Petition unterzeichnet

Von Thomas Altvater, Dachau

Die Botschaft ist eindeutig. "Wir fühlen uns verraten", sagt Matthias Gramlich von der Unabhängigen Betriebsgruppe Amperkliniken. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi wollten Gramlich und seine Mitstreiter vor wenigen Monaten ihre schlechten Arbeitsbedingungen in den Helios-Kliniken Dachau und Markt Indersdorf ändern und streikten. Doch inzwischen herrscht unter den Beschäftigten Ernüchterung und Frustration. Verdi verhandelte am Ende über eine Tariferhöhung, und verkaufte das Ergebnis - einen neuen Tarifvertrag - als großen Erfolg. Den Wunsch nach mehr Personal und damit die Hauptforderung der Beschäftigten konnte die Gewerkschaft nicht erfüllen. Die Arbeitnehmer fühlen sich von Verdi übergangen. In einer Petition kritisieren sie nun das Vorgehen der Gewerkschaft. Und das, obwohl für die Mitarbeiter in Zukunft ein neuer, lukrativerer Tarifvertrag gelten soll.

Helios-Amperklinikum: Einige Beschäftigte des Helios-Amperklinikums fühlen sich von der Gewerkschaft verraten: neue Kollegen werden nicht eingestellt, dafür werden wieder mehr Patienten aufgenommen.

Einige Beschäftigte des Helios-Amperklinikums fühlen sich von der Gewerkschaft verraten: neue Kollegen werden nicht eingestellt, dafür werden wieder mehr Patienten aufgenommen.

(Foto: Toni Heigl)

Gramlich klingt kämpferisch, entschlossen. Genau wie vor wenigen Monaten. Damals herrschte Aufbruchstimmung bei vielen Beschäftigten der Helios-Kliniken, auch bei Gramlich. Erstmals sprachen die Mitarbeiter offen über ihre schlechten Arbeitsbedingungen. "Den Leuten hatte es gereicht, das war ein Jetzt-erst-recht-Gefühl", sagt Gramlich.

Ende Dezember vergangenen Jahres verkündete die Gewerkschaft dann einen Verhandlungserfolg, man habe sich endlich mit der Klinikleitung einigen können. Die Beschäftigten werden künftig in den Tarifvertrag des öffentlichen Diensts (TVöD) wechseln. Bis zu 300 Euro mehr würden die Krankenpfleger dann jeden Monat auf dem Konto haben. "Es gibt aber auch Einzelbeispiele, wo Mitarbeiter tatsächlich keine Verbesserungen haben", widerspricht Gramlich. Und an der Hauptforderung der Beschäftigten, mehr Personal einzustellen und so Entlastung zu bringen, gehe das Ergebnis der Tarifverhandlungen völlig vorbei. "Die Stimmung ist nicht gut, es hat sich für uns nichts geändert", sagt Gramlich. Eine Erhöhung des Pflegepersonals scheiterte bisher immer an der Klinikführung. Dass diese den Übergang in den TVöD vorgeschlagen hat, hält Gramlich für einen geschickten Schachzug. "Da war klar, dass die Gewerkschaft anbeißt und eine Personalerhöhung erst einmal vom Tisch ist." Mit einer Petition will die Betriebsgruppe nun auf ihr Anliegen aufmerksam machen. "Wir wollen uns damit jedoch nicht gegenseitig ausspielen", sagt Gramlich. Mehr als 100 Beschäftigte, vor allem Pflegekräfte, aber auch Ärzte und weitere Angestellte haben die Petition unterschrieben. Eine Entlastung werde von einem Großteil der Belegschaft gefordert, fasst Gramlich die Stimmung unter den 270 Vollzeitpflegekräften zusammen.

Helios-Amperklinikum: Verdi-Mann Christian Reischl mahnt zu Geduld. Bei einem Streit auf der Seite der Arbeitnehmer könnte letztlich eine dritte Partei gewinnen: der Arbeitgeber.

Verdi-Mann Christian Reischl mahnt zu Geduld. Bei einem Streit auf der Seite der Arbeitnehmer könnte letztlich eine dritte Partei gewinnen: der Arbeitgeber.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Die Gewerkschaft Verdi kritisiert das Vorgehen der Betriebsgruppe vehement. Die Petition sei ein Profilierungsversuch von Seiten der Arbeitnehmer, erklärt Christian Reischl von der Gewerkschaft. Durch das Aufbegehren der Beschäftigten sieht Verdi das Verhandlungsergebnis in Gefahr. "Bei einem Streit auf Arbeitnehmerseite gäbe es aber nur einen lachenden Dritten - den Arbeitgeber Helios." Dass ein Pfleger in manchen Schichten bis zu 40 Patienten pro Schicht betreuen muss, wie Gramlich berichtet, daran ändert der neue Tarifvertrag jedoch vorerst nichts.

Podiumsdiskussion Pflegenotstand

Matthias Gramlich fordert weiterhin Entlastung des Personals.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Bis zu 100 Beschäftigte fehlen derzeit in den Helios-Kliniken in Dachau und Indersdorf. "Es ist klar, dass sich Helios dadurch jede Menge Geld spart", sagt Reischl. Der neue Tarifvertrag ist deshalb für Reischl ein erster Schritt in die richtige Richtung. Bisher waren die Mitarbeiter schlechter bezahlt als in den umliegenden öffentlichen Krankenhäusern. Das soll sich mit dem neuen Tarifvertrag, der in den kommenden zwei Monaten unterzeichnet werden soll, ändern.

Reischl appelliert deshalb an die Geduld aller beteiligten Akteure. Er verspricht sich vom neuen Tarifvertrag und der besseren Bezahlung der Pfleger, dass die Klinik in Zukunft als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird. Und dadurch kontinuierlich mehr Personal eingestellt wird. "Wenn die Arbeitsbedingungen nicht stimmen, dann wird das jedoch nicht passieren", stellt Reischl klar. Eine Erhöhung des Personals mit einem Pflegeschlüssel tariflich festzuschreiben, das hält er derzeit für nicht möglich. Stattdessen setzt Reischl auf die Unterstützung des Betriebsrats, um weiter für mehr Personal zu kämpfen, "aber das braucht Zeit." Reischl vermutet, dass die Betriebsgruppe mit der Petition vor allem auf sich selbst aufmerksam machen will. In den kommenden Wochen wählen die Beschäftigten einen neuen Betriebsrat. Die Betriebsgruppe kandidiert dort mit einer eigenen Liste.

Um den Forderungen der Beschäftigten ein wenig nachzugeben, erließ die Klinikführung im Herbst vergangenen Jahres eine Bettensperrung. Neue Patienten wurden nicht mehr angenommen. Doch das sei Anfang des Jahres wieder aufgehoben worden, sagt Gramlich. "Mittlerweile sind in den Dreibettzimmern teilweise vier Patienten untergebracht und Patienten liegen wieder auf dem Flur."

Der neue Geschäftsführer der Helios-Kliniken in Dachau und Indersdorf, Gerd Koslowski, ist erst seit wenigen Wochen im Amt. Er sei gerade dabei, sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen, erklärt Katharina Mathern, Pressesprecherin der Kliniken. Man wolle die Situation analysieren und führe deshalb Gespräche mit der Pflegedirektion. Ergebnisse liegen jedoch noch nicht vor.

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