Süddeutsche Zeitung

Helfer hinter den Urnen:Alles von Hand

Auch im Zeitalter der Digitalisierung arbeiten die Wahlhelfer am Sonntag, 24. September, noch immer vollkommen analog. Erst im Rathaus werden die ausgezählten Stimmen mit dem Computer erfasst. 300 Ehrenamtliche werden in Dachau hinter den Urnen stehen

Von THOMAS ALTVATER, Dachau

Sie stehen nicht im Rampenlicht. Aber sie sind wichtig für die Demokratie, mindestens genauso wie die Politiker, die sich gern nach vorne drängen. Die Rede ist von den Wahlhelfern. Etwa 600 000 werden am Sonntag, 24. September, in ganz Deutschland hinter den Urnen stehen und aufpassen, dass die Wahl frei und geheim ist. Ungefähr 300 davon haben sich in Dachau bereit erklärt, ihre Freizeit für die Demokratie zu opfern. Denn Wahlhelfer arbeiten ehrenamtlich. 35 Wahllokale gibt es im Landkreis. Sie werden in Schulen, Banken oder Ämtern eingerichtet.

Wer glaubt, im Zeitalter der Digitalisierung müssten die Ehrenamtlichen nicht mehr viel tun, weil die Computer alles erledigen, der irrt. Die Wahl ist eine der wenigen Bereiche im öffentlichen Leben, die noch vollkommen analog abläuft - zumindest im Landkreis Dachau. Während anderswo die Wahlzettel schon mit einem Barcode-Lesestift abgescannt werden, müssen die Helfer hier noch alle Stimmen mit der Hand auszählen und schriftlich festhalten, ganz ohne Computer. "Der Schriftführer eines jeden Wahllokals erstellt eine Niederschrift, in der alle Stimmen eingetragen werden", erklärt Beate Boll. Sie ist stellvertretende Leiterin des Wahlamts und seit 20 Jahren als Wahlhelferin tätig. Deshalb ist das Amt des Schriftführers mit das Verantwortungsvollste am 24. September. Erst im Rathaus kommen alle Stimmen aus Dachau zusammen, wo sie dann in ein System eingetragen werden.

Eine Digitalisierung der Wahl ist infrastrukturell nicht zu bewältigen, erklärt Boll. "Es ist einfach so, dass wir nicht in alle Wahllokale Computer hinstellen können, die dann auch noch miteinander vernetzt sein müssten." Zudem müssten mögliche Sicherheitsbedenken komplett aus der Welt geschafft werden. Jede Schnittstelle mit dem Internet stelle ein Risiko dar, mit dem eine Wahl beeinflussbar wäre. Die Auszählung selbst ist öffentlich, jeder Bürger soll sich so ein Bild des korrekten Ablaufs machen können.

Um 18 Uhr, nach der Schließung der Wahllokale, werden die Stimmen vor Ort ausgezählt. "Bei der Bundestagswahl geht das immer relativ schnell", sagt Beate Boll. "In ungefähr einer Stunde ist man da fertig". Anders als bei der Kommunalwahl können die Wähler ja nur zwei Stimmen vergeben. Für die freiwilligen Helfer beginnt der Wahlsonntag gegen 7.30 Uhr, um 8 Uhr öffnen die Lokale. In jedem Dachauer Wahllokal arbeiten sieben Ehrenamtliche, ein Wahlvorstand, ein Schriftführer, zwei Stellvertreter und drei weitere. Neben der Auszählung der Stimmen ist die Hauptaufgabe der Wahlhelfer, den Bürgern die Wahlzettel auszuhändigen. Zuvor müssen sie natürlich überprüfen, ob derjenige überhaupt berechtigt ist, seine Stimme abzugeben. Wählen darf nämlich nur, jeder Deutsche, der 18 Jahre oder älter ist. Wichtig ist auch, dass die Wahlhelfer aufpassen, dass niemand zweimal kommt. Jeder darf nur einmal wählen.

Vor und während der Auszählung wird das übrigens noch mal überprüft, um ganz sicher zu gehen. Im Nachbarland Österreich musste die jüngste Präsidentschaftswahl deshalb wiederholt werden. Es gab Ungereimtheiten bei der Stimmenauszählung. Das soll in Dachau nicht passieren. "Es müssen logischerweise so viele Stimmzettel in der Wahlurne sein, wie Personen bei der Wahl", erklärt Boll. "Und wenn da etwas nicht übereinstimmt, dann wird so lange nachgezählt, bis alles wieder passt", versichert sie. Doch wenn tatsächlich ein Fehler passiert? "Das darf natürlich auf keinen Fall vorkommen", sagt Boll. "Jeder Wahlhelfer muss gewissenhaft und sorgfältig arbeiten. Aber ich kann versichern, dass hier alles so korrekt wie nur irgendwiemöglich erledigt wird." Für das Wohl der Demokratie eben.

Das Wahlamt unter der Leitung von Thomas Held und Beate Boll organisiert und koordiniert die Wahl in Dachau. Auch die Briefwahl fällt in ihr Aufgabengebiet. Für alle elf Dachauer Briefwahlbezirke müssen die Unterlagen verschickt und ausgezählt werden.

Die Dachauer Wahlhelfer setzen sich, wie in vielen anderen Städten auch, aus einem großen Stamm städtischer Mitarbeiter und bereits erprobter Ehrenamtlicher zusammen. "Aktuell ist es so, dass wir alle rund 300 Stellen besetzt haben, aber natürlich kann es immer zu kurzfristigen Ausfällen kommen", sagt Beate Boll. Wenn sich jedoch nicht genug Freiwillige zur Verfügung stellen, dann kann jeder Bürger, der selbst wahlberechtigt ist, dazu verpflichtet werden. Denn Wahlhelfer ist ein in Deutschland verpflichtendes Ehrenamt. Das sei aber, so Boll, "noch nicht wirklich vorgekommen".

Das statistische Bundesamt informiert die Wahlhelfer auf einer eigenen Internetseite, mit Videos über den Ablauf des Wahltags. Zudem schult die Stadt die Ehrenamtlichen, die zum Wahlhelfer berufen wurden. Für ihren Einsatz am 24. September erhalten alle Wahlhelfer eine Aufwandsentschädigung von 50 Euro. Doch das ist für die meisten wohl eher nicht der Grund, warum sie sich den ganzen Sonntag engagieren.

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Quelle:
SZ vom 28.08.2017
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