Heinrich Heine und die Frauen„Du bist und bleibst ein Chauvinist“

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Cellistin Marie-Therese Daubner und die Schauspielerin Christina Schäfer haben sich die Spuren des Romantikers und Schwerenöters Heinrich Heine begeben.
Cellistin Marie-Therese Daubner und die Schauspielerin Christina Schäfer haben sich die Spuren des Romantikers und Schwerenöters Heinrich Heine begeben. (Foto: Christina Schäfer)

Heinrich Heine hatte ein komplexes Verhältnis zu den Frauen. Bei einer musikalischen Lesung im Hoftheater Bergkirchen spürt Schauspielerin Christina Schäfer dem turbulenten Liebesleben des Dichters nach.

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Wer war Heinrich Heine (1797–1856)? Der letzte Romantiker? Der brillante Feuilletonist? Der gnadenlose Spötter und Meister der Satire? Das große Vorbild aller Reisejournalisten? Der bis heute von rechten Gesinnungsgenossen verunglimpfte jüdische Dichter und Kritiker gesellschaftlicher Verwerfungen? Ja, das alles war er. Wie sich also dem Mann nähern, über den womöglich schon fast alles gesagt und geschrieben ist?

Schauspielerin Christina Schäfer hat einen sehr persönlichen Ansatz gewählt: „Lieber Harry Heine, wie war das noch gleich mit den Frauen?“ hat sie ihre musikalische Lesung genannt. Am vergangenen Samstag war sie gemeinsam mit Cellistin Marie-Therese Daubner im gut besuchten Hoftheater Bergkirchen zu erleben. Für ihren langen Fragenkatalog an Harry Heine – Harry ist der Geburtsname Heines – hat sie sich tief in dessen (Liebes-)leben eingegraben. Entstanden sind Einblicke, die etliche dunkle Spuren auf dem bislang leuchtenden Bild des Dichters hinterlassen. Doch: „Ich lasse mir Heine auch von Heine nicht vergällen“, hat die Feministin Alice Schwarzer, ein ausgewiesener Heine-Fan, gesagt, als sie von der Heinrich-Heine-Gesellschaft mit deren Ehrengabe ausgezeichnet wurde.

Die Mutter liebte er zeitlebens innig

Doch zurück zum Anfang: Dorthin hat Schäfer die wohl bekanntesten Zeilen Heines gestellt: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht …“ Das kennt man – und sagt es gerade öfter denn je. Hört man aber das ganze Gedicht, erweist es sich als Reverenz an Heines Mutter Betty, die er aus dem Pariser Exil zwar mit den – aus damaliger und aus heutiger Sicht – unmöglichsten Kosenamen titulierte, aber zeitlebens innig liebte und verehrte.

Heine wuchs in einem großbürgerlichen jüdischen Elternhaus in Düsseldorf auf. Er absolvierte eine Banklehre in Frankfurt und bei seinem Onkel Salomon in Hamburg, nicht gerade der Traumberuf für einen Jungrebellen wie ihn. In Hamburg verliebte er sich unglücklich in seine Cousine Amalie, von ihm Molly genannt, die ihm „Zahnweh im Herzen“ verursachte. Er veröffentlichte erste Gedichte, ging mit einem vom Onkel finanzierten Tuchgeschäft pleite – und widmete sich nach einem kurzen Zwischenspiel in Bonn ausgerechnet im rückständigen Göttingen („Im Allgemeinen werden die Bewohner Göttingens eingetheilt in Studenten, Professoren, Philister und Vieh“) mehr den Frauen als dem Jurastudium.

Mägde, Dienstmädchen, Prostituierte: Affären hatte er mit allen

Legendär sind schon hier seine Affären mit Mägden, Dienstmädchen und Prostituierten. Der Gefahr, sich ernsthaft zu verlieben, entging Heine mit seiner Maxime „Das wirksamste Gegengift gegen die Weiber sind die Weiber“ und ähnliche Sottisen. Christine Schäfer überhöht solche sexistischen Äußerungen ironisch durch theatralische Gestik und Mimik. Cellistin Daubner hat – fein abgestimmt auf Gedichte und Zitate - dazu Musik, unter anderem von Max Reger (Suite für Cello), Johann Sebastian Bach (Cello-Suite Nr. 1), des russischen Komponisten Dmitri Borissowitsch Kabalewski mit seinen fünf Etüden, des Ungarn György Ligeti und dessen dramatisch-einfühlsamer Sonate für Cello solo ausgewählt. Daubner schwebt zeitweise zwar nicht auf Heines „Flügeln des Gesanges“, sondern mit ihrem Cello – gibt so aber den Gedichten, Briefen und Essays Heines einen ganz besonderen Drive. Ein weiterer Pluspunkt dieses Abends: Mit dieser Musikauswahl verschwinden die im Kopf festgetackerten unübertrefflichen Schumann-Vertonungen der Heine-Poesie für eine Weile und machen Platz für Neues.

Heine wechselte 1821 nach Berlin, fand Zugang zu den legendären Salons der Rahel Varnhagen und anderer weiblicher Geistesgrößen. Welch ein Kontrast zu seinem erotischen Hang zu Frauen, die ihm – wie er glaubte – geistig unterlegen waren! Hier gepflegte Hochkultur, dort die hässliche Fratze von Armut, Elend und Ausbeutung. 1825 wurde er, nun wieder an der Universität Göttingen, promoviert.

Weil er sich – wie unendlich viele seiner diskriminierten jüdischen Zeitgenossen – bessere Aufstiegschancen erhoffte, konvertierte er im selben Jahr zum evangelischen Christentum – für ihn das „Entrebillet (die Eintrittskarte, Anm. d. Red.) zur europäischen Kultur“. Die Rechnung ging nicht auf. Umso mehr Erfolg hatte er mit seinen „Reisebildern“, in denen sich poetische Landschaftsbeschreibungen ebenso finden wie kritische, scharfzüngige Berichten über „Frauen in ihrem Elend in einer Welt von Jammer und Armut“.

Heine schreibt kritisiert, polemisiert – und gerät immer mehr ins Visier der Zensur und der unverhohlenen Stimmungsmache gegen Menschen jüdischen Glaubens. 1835 erhält er Berufsverbot, da lebt er schon vier Jahre im Pariser Exil. Dorthin war er, enthusiasmiert von der französischen Juli-Revolution von 1830, in der Hoffnung auf „die Emanzipation des Geistes“ gezogen. Er wird Korrespondent für die Augsburger Allgemeine Zeitung und provoziert mit seinen erotischen und sexualisierten Gedichten. Er lernt Georges Sand kennen und schätzen. Und diskriminiert nicht nur diese Ausnahmefrau auf übelste Weise.

„Sein Frauenbild war mehr als schräg“

Ähnlich niederträchtig äußert er sich über Augustine Crescence Mirat (1815–1883), besser bekannt als Mathilde. Sie ist seine Ehefrau, die er 1833 kennengelernt und sieben Jahre später geheiratet hat. Sie habe „einen schwachen Kopf, aber ein großes Herz“, hat er beispielsweise einmal über sie geschrieben. Mathilde ist eine Grisette, eine Näherin, kann weder lesen noch schreiben, ist laut, fröhlich und hat „ein Faible für Papageien und Singvögel“. Christine Schäfer zeichnet ein liebevolles Bild dieser Frau, die auch die Seitensprünge ihres Mannes hinnimmt, allerdings nicht widerspruchslos. Die Verbindung sei „ein Eheduell gewesen“, sagt die Schauspielerin – und freut sich unübersehbar, dass wenigstens Mathilde dem unverbesserlichen Schürzenjäger Paroli geboten hat.

Allerdings denkt Heine gar nicht daran, Mathilde in die feine Gesellschaft mitzunehmen, in der der nun Erfolgsverwöhnte verkehrt. Ob sie sich auch verstecken muss, wenn alle möglichen Literaten und Persönlichkeiten bei Heine vorbeischauen? Jedenfalls bleibt sie bei ihm, er sorgt im Gegenzug dafür, dass sie nach seinem Ableben gut versorgt ist. Heine muss die letzten acht Jahre seines Lebens im Bett verbringen. Woran er wirklich leidet, ist bis heute ungeklärt. Bleivergiftung, Multiple Sklerose oder eine Autoimmunerkrankung vermuten Experten. Dennoch genießt er den „Krankentourismus“, bis er 1856 im Alter von 58 Jahren stirbt.

Was bleibt in Sachen Heine und die Frauen? „Sein Frauenbild war mehr als schräg“, sagt Christina Schäfer. „Du bist und bleibst ein Chauvinist.“ Aber einer, der weiterhin geschätzt und geliebt wird, wie der große Applaus des Publikums zeigt.

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